EZB:Draghi gibt Deutschland Kontra

EZB-Pressekonferenz in Frankfurt

EZB-Chef Mario Draghi steht seit Wochen in der Kritik. Zu Unrecht, wie er findet.

(Foto: dpa)
  • Der EZB-Chef steht seit Wochen in der Kritik. Der Vorwurf: Mit den Niedrigzinsen enteigne er die deutschen Sparer.
  • EZB-Chef Draghi erwidert nun die Kritik und geißelt die Sparwut in Deutschland.

Von Jan Schmidbauer

EZB-Chef Mario Draghi wehrt sich gegen die Kritik aus Deutschland an seiner Zinspolitik: Die niedrigen Zinsen seien nicht das Problem, sondern ein Symptom der derzeitigen wirtschaftlichen Lage, sagte Draghi nach Angaben des Wall Street Journal bei einer Rede vor asiatischen Politikern und Geschäftsleuten.

Das eigentliche Problem, sagte Draghi, sei die Sparwut in Asien und in der Euro-Zone, besonders in Deutschland. "Unsere größte Volkswirtschaft, Deutschland, hat fast ein Jahrzehnt lang einen Leistungsbilanzüberschuss von fünf Prozent gehabt." Was Draghi meint: Deutschland exportiert seit langer Zeit deutlich mehr, als es importiert und trägt damit auch zu der schwachen Konjunktur innerhalb der Euro-Zone bei.

Draghi reagiert damit auf die seit Wochen andauernde Kritik an der Niedrigzinspolitik der EZB. Die Zentralbank hatte den Leitzins, also den Zins, zu dem Geschäftsbanken kurzfristig Geld von der Zentralbank aufnehmen können, im März auf null gesenkt. Die EZB will mit dieser Maßnahme für mehr Investitionen und mehr Inflation sorgen. Bei der letzten EZB-Ratssitzung im April beließ Draghi den Leitzins auf dem bisherigen Niveau und ist seitdem neuer Kritik ausgesetzt.

"Es gibt ein Leben unter Null"

So forderte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble ein absehbares Ende der Niedrigzinspolitik: "Für Deutschland ist eine lange Phase niedriger oder negativer Zinsen keine vernünftige Situation", sagte Schäuble. Der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich ging noch etwas weiter. In einem Interview sprach er sich dafür aus, dass "der nächste EZB-Chef ein Deutscher sein" müsse, "der sich der Tradition der Währungsstabilität der Deutschen Bundesbank verpflichtet fühlt".

Bei der Kritik an Draghi geht es aber längst nicht nur um die "Währungsstabilität". Vorgeworfen wird dem EZB-Chef auch, dass er durch die Niedrigzinsen deutsche Sparer enteigne. Auf diese Vorwürfe reagierte Draghi bereits in der vergangenen Woche per Bild-Interview. Die Deutschen müssten ihr Geld ja nicht ausschließlich auf das Sparbuch legen. Sie haben es "mit ihren Anlage-Entscheidungen auch selbst in der Hand, wie hoch ihre Erträge ausfallen", sagte Draghi, "auch in Zeiten niedriger Zinsen".

Überhaupt haben die Märkte das neue Zinsniveau nach Ansicht der EZB gut verkraftet. "Mögliche negative Auswirkungen auf die allgemeinen Handelsaktivitäten scheinen begrenzt gewesen zu sein", sagte Zentralbank-Direktoriumsmitglied Benoît Cœuré bei einer Tagung in Paris. Eine sehr technische Formulierung, der Cœuré jedoch noch eine fast philosophische Ehrenrettung der EZB-Politik hinterherschob: "Es gibt ein Leben unter Null."

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