Geldanlage:Was die deutschen Sparkassen bedroht

Geldanlage: 1978 war die Sparerwelt noch in Ordnung: Szene aus einer Sparkasse in Hannover

1978 war die Sparerwelt noch in Ordnung: Szene aus einer Sparkasse in Hannover

Die Deutschen sind keine Sparbuch-Fossile mehr. Das müssen endlich auch die Sparkassen erkennen.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Man möchte sich gern vorstellen, dass Georg Fahrenschon und Mario Draghi zusammen auf einem Podium säßen. Etwa, um Tipps zu geben, wie Bürger ihr überschüssiges Geld anlegen sollten. Der Sparkassenverbandspräsident würde mit Verve für das deutsche Sparbuch werben, und womöglich gegen die europäische Niedrigzinspolitik wettern. Der Präsident der Europäischen Zentralbank dürfte charmant lächeln und wiederholen, was er gerade Bild gesagt hat: Die Sparer müssen ihr Geld ja nicht auf dem Sparbuch anlegen, sie haben auch andere Möglichkeiten.

Fahrenschon und Draghi zusammen, das würde sichtbar machen, wie die Globalisierung eine der letzten nationalen Bastionen stürmt - die traditionellen Spargewohnheiten.

Die Sparer-Idylle ist geplatzt

Lange Jahre haben die Bundesbürger die Folgen der Globalisierung eher als positiv erlebt. Deutsche Unternehmen haben im Ausland billig produzieren lassen, das hat insgesamt Arbeitsplätze gesichert und viele Produkte daheim erschwinglich gemacht. Spätestens seit dem letzten Sommer ist die Idylle geplatzt. Hunderttausende Flüchtlinge strömten ins Land, getrieben von Kriegen, Diskriminierung und dem Wunsch nach einem besseren Leben. Globalisierung wurde für viele Bundesbürger erstmals anfassbar, sichtbar, sogar direkt bedrohlich.

Und inzwischen bricht noch eine andere Gewissheit weg, nämlich die, dass Bürger, die vorsorgen wollen, dafür belohnt werden, unter anderem mit auskömmlichen Zinsen auf Sparguthaben. Regierungen, Notenbanken und Volkswirtschaften haben sich weltweit, und vor allem in der Euro-Währungsmeinschaft, so eng miteinander vernetzt, dass Bürger in ihrer ganz persönlichen Vorsorgeplanung zum Umdenken angehalten sind.

Die schlichte Realität, dass Wirtschafts- und Finanzpolitik zunehmend europäisch oder global gewichteten Interessen folgt, bringt natürlich nationale Unternehmen in Zugzwang. Auch die Sparkassen. Verbandspräsident Fahrenschon hat allen Grund, sich Sorgen zu machen. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank bedroht tatsächlich das Geschäftsmodell der Sparkassen, das Geld ihrer Kunden langfristig günstig anzulegen und von der Zinsdifferenz zu profitieren. Das deutsche Modell, Immobilien über eine Zinsfestschreibung von zehn und mehr Jahren zu finanzieren, hat sich zur Gefahr für die Finanzinstitute entwickelt. Wer kann garantieren, dass Immobilienkredite, die heute mit einem Prozent Zinsen gegeben werden, in zehn Jahren nicht viel teurer und damit zum Zuschussgeschäft geworden sind?

Aktien sind längst kein Tabu mehr für deutsche Anleger

Fahrenschon geht das Problem erstaunlich eindimensional an. Den Kunden zu drohen, sie müssten künftig eine Gebühr zahlen, wenn sie Geld zur Sparkasse bringen, ist absurd. Denn in dieser Logik müsste die Bank den Kunden, die einen Kredit nehmen, einen Bonus zahlen statt Zinsen zu fordern. Am Ende geriete die Sache zu einem Nullsummenspiel. Ähnlich fragwürdig ist auch die Forderung, der Staat möge den Vermögensaufbau bezuschussen.

Der Sparkassenverbandspräsident wirft mit solchen Forderungen vor allem die Frage auf, ob er die richtige Person ist, die von der Globalisierung heimgesuchten Sparkassen in die Zukunft zu führen. Wäre es jetzt nicht wichtiger, neue Geschäftsmodelle zu entwerfen statt ewig gestrige Forderungen und Vorwürfe zu wiederholen? Und wie wäre es, tatsächlich einmal mit Notenbank-Präsident Draghi über dessen Empfehlung zu reden, sich nach anderen Anlagemöglichkeiten umzuschauen?

Anders als Fahrenschon glauben machen will, ist der deutsche Anleger längst kein Sparbuch-Fossil mehr, das höchstens noch Krügerrand-Goldmünzen vertraut. Auch durchschnittliche Verdiener kaufen sich inzwischen eine Wohnung. Aktien sind längst kein Tabu mehr, Kunstgüter boomen ebenfalls. Für mutige Anleger gibt es jede Menge junger Unternehmensgründungen, die langfristig geplant auskömmliche Renditen abwerfen können.

Der Bundestag ist immerhin in die Offensive gegangen und hat Draghi eingeladen, im Plenum zu sprechen. Der Notenbank-Chef hat selbstverständlich zugesagt, und es steht zu erwarten, dass ihn die Abgeordneten beim Wort nehmen und nach Anlage-Tipps fragen werden. Umgekehrt gilt aber auch: Die Volksvertreter sollten sich darauf einstellen, dass Draghi nicht nur versuchen wird, den nationalen Blick auf Europa und die Welt zu weiten. Sondern dass er sie zunehmend in die Pflicht nehmen wird, über konkrete Politik selbst dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft stabil wächst und damit die Zinsen steigen können.

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