Entscheidung in Detroit:Das Opel-Desaster

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GM zahlt zwar den Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro zurück, doch die Politik wird wohl schon bald wieder gefragt sein - wenn es gilt, Opel und seine vier deutschen Werke zu retten. Auch die neue Regierung ist erpressbar - daran ändert die Beteiligung der FDP nichts.

Ulrich Schäfer

Nein, diese neue Regierung hatte wahrlich keinen guten Start. Ja, Angela Merkel und Guido Westerwelle haben es versäumt, so etwas wie Aufbruchstimmung zu schaffen. Sie haben sich verheddert in Steuerplänen, die die eigenen Ministerpräsidenten nicht wollen, in Schattenhaushalten, die das Grundgesetz nicht zulässt, und in einem Koalitionsvertrag, der fast alles, was wichtig ist, der Prüfung durch Kommissionen und Arbeitsgruppen überlässt.

Was wird aus Opel? GM will nicht mehr an Magna verkaufen (Foto: Foto: Reuters)

Was also tut eine Regierung, die daheim nicht so recht in Tritt kommt? Sie schweift in die Ferne. Angela Merkel durfte am Dienstag als erste Bundeskanzlerin vor beiden Kammern des amerikanischen Kongresses reden und den USA für ihre Dienste bei der Wiedervereinigung danken. Am Mittwoch flog auch Guido Westerwelle, an dessen neuen Titel Bundesaußenminister man sich noch gewöhnen muss, zum Antrittsbesuch nach Washington. Zwischendurch aber ereilte die Kanzlerin eine Nachricht aus eben jenen USA, die für sie verheerender kaum sein könnte: General Motors will Opel doch behalten. Der Autokonzern schlägt jenen Plan aus, den die Bundesregierung in vielen Monaten, in langen Nächten erarbeitet und ausgehandelt hatte - und der eigentlich längst beschlossen war.

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Stolz hatte Merkel vor der Wahl erklärt, dass Opel gerettet sei. Stolz hatte sie verkündet, dass der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna und die russische Sberbank den Autobauer Opel übernehmen würden. 4,5 Milliarden Euro wollte die Regierung zuschießen, mehr als bei jeder anderen Rettung eines deutschen Industrieunternehmens. Und nun will GM plötzlich nicht mehr. Welch eine Blamage. Welch ein Desaster.

Merkel und ihre Mitstreiter in der großen Koalition wähnten sich in dem Glauben, alles im Griff zu haben. Sie hatten sich der irrigen Meinung hingegeben, sie könnten die weltweite Autoindustrie neu ordnen - und dabei ausgeblendet, dass es zu viele Hersteller und Fabriken gibt. Eine Insolvenz von Opel kam für Merkel nie in Frage. Doch ausgerechnet an dem Tag, an dem Merkel im Kongress redet und ganz Washington auf sie blickt, wird sie von den Managern eines Unternehmens vorgeführt, das sich fast ganz in Staatsbesitz befindet. So etwas nennt man knallharte Industriepolitik.

Ohne die Milliardenhilfen der Regierung von Barack Obama gäbe es GM längst nicht mehr. Die Herren im Verwaltungsrat von GM, die sich nun gegen den Verkauf entschieden haben, wurden fast alle von der Regierung des neuen Präsidenten ernannt. Und dieser Obama soll nichts gewusst haben vom Meinungswandel im GM-Verwaltungsrat, als er Merkel nur ein paar Stunden zuvor im Weißen Haus empfing?

Vielleicht war der US-Präsident zu diesem Zeitpunkt wirklich noch ahnungslos, was aber nicht für ihn spräche. Vielleicht wusste er doch etwas, als Merkel bei ihm war, hat aber nichts gesagt, was noch weniger für ihn und seine Regierung spräche. Die Manager des staatlichen GM-Konzerns jedenfalls haben mit ihrem Wankelmut dem deutsch-amerikanischen Verhältnis schweren Schaden zugefügt. Im Mai waren die GM-Bosse noch dafür, Opel zu verkaufen; im Juli waren sie plötzlich dagegen; im September wieder dafür. Und nun heißt es wieder: No! Normalerweise ändern nur Börsenzocker in derart kurzen Abständen ihre Meinung, nicht aber die Manager eines Konzerns, der seine Produkte Jahre im Voraus plant und sie dann sieben, zehn oder zwölf Jahre lang verkauft.

Merkel hat vor ein paar Wochen einen sehr richtigen Satz gesagt: Keine Bank der Welt dürfe so mächtig sein, dass sie eine Regierung erpressen könne. Man könnte diesen Satz auch auf die Autoindustrie übertragen: Kein Autohersteller darf so groß sein, dass er eine Regierung erpressen kann. Tatsächlich jedoch sind GM und auch Opel mächtig genug, um Bund und Ländern beinahe jede erdenkliche Hilfe abzuringen. Denn bei Opel ging und geht es um 25.000 Jobs und vermutlich noch einmal genauso viele Stellen bei den Zulieferern.

In ihrem Bestreben, Opel auf jeden Fall zu retten, hat die Regierung jedoch gewaltige Fehler begangen. Der erste Fehler war es, sich viel zu früh auf einen Bieter festzulegen, auf Magna und die Russen - und alle anderen, etwa Fiat oder den Finanzinvestor RHJ, auszuschließen. Der zweite war es, den Einfluss der Europäischen Union bei jeglicher Firmenrettung und Subventionierung zu unterschätzen - ein Fehler übrigens, den man maßgeblich dem dafür zuständigen Bundeswirtschaftsministerium und dessen damaligem Chef Karl-Theodor zu Guttenberg zurechnen muss.

General Motors will nun, auch um den Imageschaden zu begrenzen, dem Bund dessen bisherige Hilfe von 1,5 Milliarden Euro zurückzahlen. Doch man darf davon ausgehen, dass die Politik schon bald wieder gefragt sein wird. Wenn es gilt, Opel und seine vier deutschen Werke zu retten, diesmal unter dem Dach von GM, ist auch die neue Regierung erpressbar; daran ändert die Beteiligung der FDP nichts. Wann immer es notwendig sein wird, kann GM damit drohen, Werke zu schließen. Das Gezerre um die staatliche Rettung von Opel geht also weiter, und die Gefahr, dass auch die neue Regierung dabei Fehler begeht, ist groß.

© SZ vom 05.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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