Dieselaffäre:Audi-Aufklärer geraten ins Zwielicht

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Hat Audi-Chef Stadler seine Aufsichtspflichten verletzt? Er bestreitet das. (Foto: AP)
  • Die Großkanzlei Jones Day ist vom VW-Konzern mit der internen Aufklärung der Abgasaffäre betraut.
  • Doch an den Anwälten gibt es nun Kritik. Sie sollen wichtige Unterlagen nicht angefordert haben.
  • Die Münchner Staatsanwaltschaft II hat zahlreiche Akten der Kanzlei beschlagnahmt.

Von Klaus Ott, München

Dem Duden zufolge bedeutet die Redewendung "ins Zwielicht geraten", dass sich jemand in einer undurchsichtigen und fragwürdigen Lage befindet. Undurchsichtig und fragwürdig, das sind in der Tat die richtigen Worte für den Umgang von Volkswagen und der VW-Tochter Audi mit der Abgasaffäre. Der Autokonzern sieht sich schon seit Langem dem Vorwurf ausgesetzt, den Kern der Affäre nicht aufklären, sondern vertuschen zu wollen. Jetzt gerät auch noch die Großkanzlei Jones Day ins Zwielicht. Jones Day untersucht im Auftrag von Volkswagen, wie es dazu kam, dass der Weltkonzern jahrelang die Schadstoffmessungen von Dieselfahrzeugen manipulierte. Doch nun gibt es Zweifel, ob die Großkanzlei wirklich alles herausfinden und wissen will.

Ausgerechnet für einige der wichtigsten Unterlagen aus dem VW-Imperium soll sich Jones Day erst gar nicht interessiert haben. Für Protokolle, die Aufschluss geben könnten über das mutmaßliche Wegschauen und Versagen der Audi-Spitze um Vorstandschef Rupert Stadler. Die Schilderungen des Vorwurfs befinden sich bei den Akten der Staatsanwaltschaft München II. Sie ermittelt gegen frühere Mitarbeiter und Manager von Audi in Ingolstadt, weil Kunden betrogen worden sein sollen. Indem ihnen, den Kunden, schmutzige Dieselautos als sauber verkauft worden seien.

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Zu den Beschuldigten in dem Ermittlungsverfahren gehört auch der frühere Audi-Ingenieur Giovanni P., der mehr als vier Monate in München-Stadelheim in Untersuchungshaft saß und in zahlreichen Vernehmungen aussagte. P. hat nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft kräftig mitgemacht bei den Manipulationen und ist inzwischen eine Art Kronzeuge. Bei einem der Verhöre ging es offenbar auch darum, wie Jones Day bei der Aufklärung vorging. P. berichtete den Ermittlern, dass er im Zuge der internen Untersuchungen bei Volkswagen und Audi drei Mal von Jones Day befragt worden sei. Seiner Erinnerung nach sei das im Dezember 2015 sowie im Februar und September 2016 gewesen.

P. will nichts alleine entschieden haben

P. erzählte bei einer Vernehmung im Landeskriminalamt in München, bei allen drei Terminen mit Jones Day habe er der Kanzlei immer wieder gesagt, er habe bei Audi nichts alleine, also nichts ohne seine Vorgesetzten entschieden. Er habe immer wieder über die Protokolle zweier interner Arbeitskreise bei Audi reden wollen. Das seien die Arbeitskreise PK und PSK gewesen. Im Arbeitskreis PSK - das Kürzel steht für Produktstrategiekommission - wird Wichtiges entschieden. Geleitet wird dieser Arbeitskreis nach Erkenntnissen der Ermittler von Audi-Chef Stadler. Der PSK gehören außerdem weitere Vorstandsmitglieder sowie Bereichsleiter an. Dort soll wiederholt über Abgasprobleme gesprochen worden sein.

Doch bei der Befragung von P. durch Jones Day sollen Informationen über die Arbeitskreise die Kanzlei nicht interessiert haben. Der frühere Audi-Ingenieur sagte im Landeskriminalamt aus, dieses Thema sei von Jones Day immer ausgelassen worden. Bei einem der Termine mit Jones Day, so berichtete P., habe er einem der Anwälte von Jones Day sogar Protokolle dieser Audi-Arbeitskreise vors Gesicht gehalten. Der Jones-Day-Anwalt habe sich damit aber nicht beschäftigen wollen.

VW, Audi und Jones Day äußerten sich dazu auf Anfrage der SZ nicht. Die SZ hatte den Autoherstellern und der Kanzlei die Aussagen von P. zu den beiden Audi-Arbeitskreisen PK und PSK geschildert. In denen soll mehrmals darüber gesprochen worden sein, dass die Schadstoffreinigung bei Dieselfahrzeugen mit dem Zusatzstoff Ad Blue nicht wie geplant funktioniere. Ad Blue, verdünnter Harnstoff, wird in die Abgase gespritzt und senkt den Ausstoß von gesundheitsschädlichen Stickoxiden.

Der Audi-Vorstand soll die Probleme bei der Abgasreinigung gekannt haben

Am 11. Juni 2012 soll im Audi-Arbeitskreis PSK in Anwesenheit von Konzernchef Stadler, des gesamten Audi-Vorstands und von Bereichsleitern das damalige Grundproblem erörtert worden sein. Die vorgesehenen Tankintervalle für Ad Blue reichten nicht aus für die vorgeschriebene Abgasreinigung. Bis zu zwei Liter Ad Blue pro 1000 Kilometer seien notwendig. Stattdessen habe die in der PSK besprochene Strategie gelautet: Begrenzung auf ein Liter Ad Blue pro 1000 Kilometer.

So steht es in einer umfassenden Chronik, die der frühere Audi-Ingenieur P. der Staatsanwaltschaft München II schon im Sommer vorlegt hatte. Demnach sollen beide Audi-Arbeitskreise, PK und PSK, Vorgaben gemacht haben, die nicht einzuhalten gewesen seien. Sie sollen auf diese Weise das Problem weggeschoben haben, nach unten. Wäre dem so gewesen, dann hätten Stadler und der Audi-Vorstand möglicherweise ihre Aufsichtspflichten verletzt. Bei der Staatsanwaltschaft München II läuft bereits ein Bußgeldverfahren gegen den Audi-Vorstand. Der allerdings sieht keine Schuld bei sich. Stadler hat wiederholt ein Fehlverhalten bestritten. Audi und der Mutterkonzern VW halten zu ihm.

Die SZ hat VW, Audi und Jones Day gefragt, was die Kanzlei zur Rolle der Arbeitskreise PK und PSK herausgefunden habe und was darüber den Aufsichtsräten der beiden Autohersteller berichtet worden sei. Jones Day erklärte dazu und auch zu den Aussagen von Giovanni P., die Kanzlei kommentiere "laufende Mandatsangelegenheiten" grundsätzlich nicht. Ein Sprecher von Volkswagen teilte mit, wegen der noch laufenden Untersuchungen äußere man sich nicht. Ob die Aussagen und Vorwürfe von P. über Jones Day überhaupt zutreffen, bleibt vorerst offen.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II richten sich nicht gegen Jones Day. Die Rolle der Kanzlei ist aber gleichwohl bedeutend für das Verfahren. Die Strafverfolger haben zahlreiche Akten von Jones Day beschlagnahmt. Die Kanzlei hat Einspruch eingelegt, über den nun das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Einstweilen dürfen die Akten nicht ausgewertet werden. Das Bundesverfassungsgericht muss die Grundsatzfrage beantworten, wie Kanzleien, die von Konzernen mit privaten Untersuchungen beauftragt werden, in solchen Fällen einzuschätzen sind. Ob das der Aufklärung dient oder nicht. Und ob staatliche Ermittler Einblick in die Untersuchungsakten bekommen.

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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