Breuer vs. Kirch:Ärger in Jurassic Park

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Hat Rolf Breuer im Streit um die Kirch-Pleite gelogen? Jahrelang stritten sich der Ex-Deutsche-Bank-Chef und der kürzlich verstorbene Medienunternehmer Kirch vor Gericht. Jetzt beginnt der Strafprozess. Breuer droht sogar Haft. Doch das Gericht tut sich schwer.

Der langjährige Chef sitzt heute in einem unauffälligen Bürohaus gegenüber der großen Konzernzentrale. Auch andere Ex-Mächtige der Deutschen Bank arbeiten dort, in jenem Trakt, der hausintern "Elefantenfriedhof" heißt oder "Jurassic Park". Hier wirkt Rolf-Ernst Breuer, 73, der sich auf der Visitenkarte als "Rolf-E. Breuer" präsentiert, nicht mehr täglich, sondern bündelt seine Termine lieber. Und Breuer hat eine Menge Termine, das bringen Tätigkeiten in mehr als 30 Gremien und Kuratorien mit sich. Der Grandseigneur mischt überall mit, im Hochschulrat der Goethe-Universität und in der Alten Oper in Frankfurt, aber auch in der Komischen Oper Berlin und in der Pinakothek der Moderne in München.

Immer diese Sache mit Leo Kirch: Den Altbanker Breuer (im Hintergrund) verfolgen ein Interview und eine Gerichtsaussage. (Foto: Reuters)

Der nächste Termin in der bayerischen Landeshauptstadt ist für den Alt-Banker jedoch weniger angenehm: Die Staatsanwaltschaft München I macht ihm am Donnerstag, 9.15 Uhr, Sitzungssaal B-275/II, den Prozess. Sie wirft ihm versuchten Betrug vor. Breuer soll gelogen haben in den juristischen Streitigkeiten rund um die Pleite des kürzlich verstorbenen Münchner Medienzaren Leo Kirch. Nichts verfolgt den Managersohn Breuer, dessen Vater einst die Firma Allgäuer Alpenmilch leitete, mehr als ein Zitat aus dem Februar 2002, als der damalige Deutsche-Bank-Chef im Interview mit dem Fernsehsender Bloomberg die Kreditwürdigkeit Kirchs in Zweifel zog. Kirch forderte deshalb milliardenschweren Schadensersatz, und Breuer gab wegen all der Prozesse im April 2006 zwei Jahre vorzeitig als Aufsichtsratschef auf.

Das tat weh. Nun aber schmerzt der Strafprozess noch mehr. Die Staatsanwaltschaft zweifelt Breuers Gerichtsaussage vom 5. November 2003 an, wonach er in Sachen Kirch "keinerlei spezifische Kenntnisse aus irgendwelchen Interna" gehabt habe. Er habe nie Kontakt mit dem Bundesaufsichtsamt gehabt. Sein TV-Interview habe er auf Basis öffentlich zugänglicher Pressemitteilungen gegeben, sagte Breuer. Die Staatsanwaltschaft witterte schnell eine Lüge und leitete Ermittlungen ein. Bereits im November 2009 wurde Anklage erhoben, doch das Gericht forderte Nachermittlungen und ließ die Klage erst im März zu. Nun drohen Breuer bis zu fünf Jahre Haft oder eine satte Geldstrafe.

In der Anklageschrift heißt es über Breuer: "Die Wahrheitswidrigkeit seines Vortrags war dem Angeschuldigten bei seiner Anhörung und Autorisierung des Schriftsatzes bewusst, er wollte erreichen, dass die Richter annehmen, die von ihm vorgebrachten Tatsachen entsprächen der Wahrheit." Breuer dagegen bestreitet gelogen zu haben. Sein Anwalt Sven Thomas sagt, man müsse die Aussage im Gesamtzusammenhang lesen, und da könne er "nicht mal ansatzweise eine falsche Erklärung entdecken".

Die Staatsanwaltschaft hat aber einige Indizien beisammen. So habe Breuer 1998 und 1999 bei anstehenden Entscheidungen des Vorstands über die Kreditvergabe als Referent fungiert. Eine Anfrage des Bundesaufsichtsamtes an die Deutsche Bank zu ihrem Kreditengagement bei der Kirch-Gruppe vom 4. September 2001 habe Breuer handschriftlich angezeichnet. Auch an den Sitzungen des Kreditausschusses der Deutschen Bank habe er als Vorstandsmitglied teilgenommen. In einer Sitzung im Oktober 2001 sei, bei Anwesenheit Breuers, die Kirch-Gruppe "Gegenstand einer besonderen Diskussion" gewesen. Das, so die Staatsanwälte, sei der Rahmen für das ominöse Interview gewesen. Im April krachte Kirchs Konzern tatsächlich zusammen.

Es kam zu einer Reihe von Verfahren. Erst im Frühjahr waren Kirch und Breuer im Zivilprozess vor dem Oberlandesgericht München persönlich aufeinander getroffen. Sie würdigten sich dabei keines Blickes - Kirch, damals schon gesundheitlich sehr geschwächt, war als Zeuge geladen worden. Vom Gericht war, vergeblich, ein Vergleich über 775 Millionen Euro vorgeschlagen worden. Breuer hat das Interview rückblickend zwar als Unfall und Fehler bezeichnet, doch einen Zusammenhang zwischen dem Auftritt und der Milliardenpleite hat er stets zurückgewiesen.

Der "Genießer in Nadelstreifen" ( Handelsblatt) hat eine außergerichtliche Einigung wegen der Betrugsvorwürfe verworfen. Er habe es abgelehnt, einen Strafbefehl zu akzeptieren, der ihn zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt hätte, bestätigte am Dienstag sein Anwalt Sven Thomas. Neben der Bewährungsstrafe hätte Breuer eine "beträchtliche" Geldstrafe akzeptieren müssen, heißt es aus dem Prozessumfeld. "Wir verfolgen eine klare Strategie hin auf einen Freispruch", erklärt Jurist Thomas: "Wir hätten eingewilligt, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen eine geringe Geldauflage eingestellt hätte."

So bleibt es also unruhig für den kunstsinnigen Ruheständler Breuer.

© SZ vom 17.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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