Arbeitsmarkt in Deutschland:Ukraine-Krieg kostet noch keine Jobs

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Selbständige Handwerker wie diese Schreinerin müssen sich selbst absichern gegen Berufsrisiken. (Foto: Kzenon/imago images/Panthermedia)

Der Arbeitsmarkt in Deutschland entwickelt sich gut - trotz neuer Unsicherheit.

Von Roland Preuß, Berlin

Der Arbeitsmarkt in Deutschland entwickelt sich trotz der ersten Auswirkungen des Ukraine-Krieges gut. Im März sank die Zahl der Arbeitslosen dank einer Frühjahrsbelebung weiter auf 2,36 Millionen Menschen. Dass waren 66 000 Menschen weniger als im Februar und 465 000 weniger als im März 2021. Die Arbeitslosenquote sank um 0,2 Punkte auf 5,1 Prozent. "Der Arbeitsmarkt erholt sich weiter", sagte Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied bei der Bundesagentur für Arbeit (BA), am Donnerstag in Nürnberg. "Folgen des Krieges in der Ukraine zeigen sich in den Arbeitsmarktdaten momentan nur vereinzelt."

Auch wenn man Saisoneffekte herausrechnet, etwa, dass die Betriebe im Frühjahr in der Regel mehr Menschen einstellen, hat die Arbeitslosigkeit um 18 000 abgenommen. Damit bewegt sich Deutschland fast wieder auf dem Niveau vor der Corona-Krise, im Vergleich zum März 2020 liegen die Arbeitslosenzahlen nur noch um 27 000 höher. "In praktisch jeder Branche gibt es ein Plus bei der Beschäftigung", sagte Terzenbach. Man erwarte auch in Zukunft nicht unbedingt eine große Zahl von Entlassungen oder Insolvenzen.

Allerdings rechnet auch die Bundesagentur damit, dass viele Beschäftigte die Folgen des Ukraine-Krieges noch stärker spüren werden. So dürfte die Zahl der Menschen in Kurzarbeit deutlich steigen. Bisher sind die Zahlen der Kurzarbeiter laut BA allerdings weitgehend stabil.

Auch das Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist zuversichtlich, dass der Arbeitsmarkt den Widrigkeiten des Ukraine-Krieges und von Corona gut standhält - und es sogar weiter aufwärts geht. Die Forscher erwarten in ihrer jüngsten Prognose, dass die Zahl der Arbeitslosen dieses Jahr um 350 000 sinkt. Die Vorhersage basiere auf der Annahme, dass der Krieg in der Ukraine zu keiner noch umfassenderen Eskalation führe, aber auch nicht schnell beendet sein werde, schreiben die Wissenschaftler.

Die Erholung von der Corona-Krise schreitet weiter voran

Der Frühindikator des IAB liegt diese Woche trotz des Ukraine-Krieges bei 105,1 Punkten und damit weiter auf hohem Niveau. Die Skala des Barometers reicht von 90 (sehr schlechte Entwicklung) bis 110 (sehr gute Entwicklung). Einen höheren Stand erreichte der Indikator zuletzt im Sommer 2021.

"Etliche Betriebe sind durch Lieferengpässe, Exportausfälle und Energiepreissteigerungen betroffen. Aber viele negative Arbeitsmarkteffekte können nötigenfalls durch Kurzarbeit abgefedert werden. Gleichzeitig schreitet auch die Erholung von der Corona-Krise weiter voran", so die Analyse von Enzo Weber, dem Leiter des IAB-Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen. Solange sich der Krieg in der Ukraine nicht noch mehr verschärfe, erwarteten die Arbeitsagenturen, dass der Aufschwung am Arbeitsmarkt weitergehe, so Weber.

Damit spricht er die große Unsicherheit an, mit dem dieses Szenario behaftet ist: Die Folgen des Krieges, insbesondere die Frage, ob Deutschland schneller auf Gaslieferungen aus Russland verzichten muss oder verzichten wird, als es Ersatz organisieren kann. In diesem Fall gehen Fachleute davon aus, dass eine Reihe von Unternehmen die Arbeit einschränken oder sogar einstellen müssen, weil sie auf Erdgas angewiesen sind, etwa Chemiebetriebe, Glas- und Keramikproduzenten. Sie müssten Kurzarbeit anmelden, was sich schon in der Corona-Pandemie als wirksamer Puffer bewährt hat, allerdings auch als einer, der viele Milliarden kostet. Oder sie müssten Leute entlassen.

Kremlchef Wladimir Putin verschärfte die Lage am Donnerstag und ordnete mit Wirkung zu diesem Freitag an, dass westliche Staaten Konten bei der Gazprombank eröffnen müssen, um weiter russisches Gas zu erhalten. Andernfalls würden die Lieferungen für die "unfreundlichen" Länder eingestellt, sagte Putin im russischen Staatsfernsehen. Unklar war zunächst, ob die Staaten selbst bereits in Rubel zahlen müssen oder eine Euro-Zahlung direkt konvertiert wird.

Die Risiken im Zuge des Krieges bremsen vermutlich bereits das Angebot an Stellen. Die Nachfrage nach neuen Beschäftigten bewegt sich im März zwar weiter auf hohem Niveau, der BA waren 839 000 Arbeitsstellen gemeldet, 229 000 mehr als vor einem Jahr. Saisonbereinigt sind dies allerdings 12 000 weniger neue Stellen - was laut Bundesagentur auf die Ungewissheiten durch den Krieg zurückgehen könnte. "Ich würde die Gesamtsituation nicht als sehr stabil einschätzen", sagte Helmut Rainer, Leiter des Ifo Zentrums für Arbeitsmarkt- und Bevölkerungsökonomik, der Süddeutschen Zeitung. Die Kombination von hoher Inflation - im März waren es 7,3 Prozent - und drohender Rezession aufgrund steigender Energiekosten, das seien "sehr viele Unsicherheiten."

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