Abgas-Skandal:Dobrindt knöpft sich Daimler vor

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Eine Abschaltvorrichtung im Motor führt dazu, dass die Schadstoffreinigung bei den Messungen der Behörden auf einem Prüfstand ein- und im Straßenverkehr weitgehend ausgeschaltet wird. (Foto: Getty Images)
  • Anlass für die Testreihe sind jetzt bekannt gewordene Anschuldigungen gegen Daimler.
  • Die Staatsanwaltschaft Stuttgart verdächtigt den Konzern, zahlreiche Dieselfahrzeuge mit unzulässigen Abschalteinrichtungen programmiert zu haben.

Von Hans Leyendecker, Klaus Ott, München

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lässt nach Informationen von SZ, NDR und WDR Dieselfahrzeuge von Daimler daraufhin untersuchen, ob der Schadstoffausstoß manipuliert wird. Das war am Donnerstag aus Kreisen des Ministeriums zu erfahren. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) werde Daimler-Modelle überprüfen, die mit einer illegalen Software programmiert sein sollen, hieß es.

Eine derartige Software führt dazu, dass die Schadstoffreinigung bei den Messungen der Behörden auf einem Prüfstand ein- und im Straßenverkehr weitgehend ausgeschaltet wird. Anlass für die Testreihe sind schwere, jetzt bekannt gewordene Anschuldigungen gegen Daimler.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart verdächtigt den Konzern, zahlreiche Dieselfahrzeuge mit unzulässigen Abschalteinrichtungen programmiert zu haben. Das ist einem Durchsuchungsbeschluss für eine Razzia zu entnehmen, die vor einigen Wochen bei Daimler stattgefunden hatte.

Es geht um Autos, Geländelimousinen und Kleintransporter mit dem Motoren OM 642 und OM 651. Diese Motoren sollen von 2008 bis 2016 in mehr als einer Million Fahrzeugen von Daimler eingebaut worden sein. Darunter befinden sich auch etliche Mercedes-Modelle.

Sondersitzung der Untersuchungskommission Abgas

Nachdem SZ, NDR und WDR über den Durchsuchungsbeschluss berichtet hatten, ließ Dobrindt umgehend Vertreter von Daimler ins Bundesverkehrsministerium einbestellen. Die Daimler-Manager sollten am Donnerstagnachmittag der Untersuchungskommission Abgas in einer eigens anberaumten Sondersitzung Rede und Antwort zu den mutmaßlichen Manipulationen stehen. Dobrindt hatte die Kommission nach Beginn der Dieselaffäre bei Volkswagen im Herbst 2015 eingesetzt.

Die von Staatssekretär Michael Odenwald geleitete Expertengruppe prüft inzwischen bei nahezu allen Herstellern, ob deren Dieselfahrzeuge eine illegale Software enthalten. Eine weitgehende Abschaltung der Abgasreinigung im Straßenverkehr erspart den Autobesitzern ein häufiges Nachtanken der Harnstoffwasserlösung, mit der gesundheitsschädliche Stickoxide herausgefiltert werden.

Die gesetzlichen Grenzwerte werden dann nur auf dem Prüfstand eingehalten. Diese Praxis war bei Volkswagen in den USA entdeckt worden. VW hat dort Gesetzesverstöße eingeräumt und zahlt mehr als 20 Milliarden Dollar an Schadenersatz und Strafen. Behörden in den USA und Europa ermitteln inzwischen bei weiteren Konzernen, ob die Abgaswerte manipuliert werden; darunter eben auch bei Daimler. Der Staatsanwaltschaft Stuttgart liegen zahlreiche Hinweise auf Gesetzesverstöße bei Daimler vor. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat bei früheren Gelegenheiten wiederholt beteuert, in seinem Konzern gebe es keine Verstöße wie bei VW.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart geht davon aus, dass die von dem Verdacht betroffenen Dieselfahrzeuge von Daimler nicht zulassungsfähig gewesen seien. Nach Angaben aus dem Bundesverkehrsministerium ist aber nicht vorgesehen, erteilte Genehmigungen zu widerrufen.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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