Daimler:So rüstet sich Daimler für die Elektro-Zukunft

S-Class Assembly At Mercedes-Benz Plant

Im Mercedes-Werk in Sindelfingen, in dem die S-Klasse hergestellt wird

(Foto: Getty Images)
  • Bei der Daimler-Betriebsversammlung in Untertürkheim hat das Management den wochenlangen Streit mit der Belegschaft beendet.
  • Am wichtigen Standort Untertürkheim sollen künftig auch Batterien für E-Autos produziert werden, die Arbeitsplätze sollen trotz Umstrukturierungen bis mindestens 2025 sicher sein.
  • Das aktuell wohl dringlichste Problem Daimlers, die neuen Vorwürfe in der Abgasaffäre, kommen hingegen nicht zur Sprache.

Von Stefan Mayr, Jan Schmidbauer und Vivien Timmler

Es ist ja nicht so, als ob es bei Daimler derzeit keine anderen Probleme gäbe als die Elektro-Zukunft des Konzerns. Die Abgasaffäre könnte für den Autohersteller jetzt doch noch richtig gefährlich werden: Erst am Mittwochabend war bekannt geworden, dass der Konzern fast ein Jahrzehnt lang mehr als eine Million Diesel-Fahrzeuge mit zu hohem Schadstoffausstoß in Europa und den USA verkauft haben soll. Das erinnert manche an ein Volkswagen 2.0, auch wenn das in Stuttgart niemand so sehen möchte.

Bei der Betriebsversammlung des Autoherstellers am Donnerstag in Stuttgart-Untertürkheim schwieg das Management zu den neuen Diesel-Vorwürfen. Es hatte ja auch noch etwas anderes zu tun: Das Daimler-Management musste bei diesem Termin einen wochenlangen Streit mit der Belegeschaft lösen, der zeitweise sogar die Produktion vieler Fahrzeuge lahmgelegt hatte. Das ist am Donnerstag gelungen. Bei Daimler können die Bänder also wieder ungehindert laufen. Die Sorge bei vielen Mitarbeitern dürfte allerdings bleiben.

Der jüngste Streit, der zwischen Belegschaft und Daimler-Management schwelte, ist schließlich nur ein Vorbote für den Wandel, vor dem die gesamte Autoindustrie steht. Elektromotoren brauchen in der Herstellung deutlich weniger Arbeitskräfte. Bei den Autokonzern fürchten sie deshalb um ihre Jobs. Genau um diese Frage drehte sich auch der Streit in Untertürkheim: Was passiert mit den Arbeitsplätzen, wenn mehr und mehr Elektroautos gebaut werden? Im Stuttgarter Stammwerk werden bislang Verbrenner-Motoren und Getriebe entwickelt und produziert. Sollte Daimler nun schneller als erwartet auf elektrische Antriebe umstellen, könnten, so zumindest die Befürchtung, viele der 19 000 Jobs wegfallen. "Gehen in Untertürkheim bald die Lichter aus?", fragte etwa Daimler-Mechaniker Thomas Jaeschke. Nein, lautete die deutliche Antwort des Konzerns.

Die Daimler AG, das ist das Ergebnis dieses Tages, will in Untertürkheim künftig nicht nur Autos bauen, sondern auch Batterien für Elektrofahrzeuge. 250 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Die Mitarbeiter - auch dies war ein Streitpunkt - sollen das übliche Tarifgehalt bekommen.

Die Situation in Untertürkheim könnte paradoxer nicht sein

Dass der Wandel vom Verbrenner zum Stromer kommt, da waren sich Belegschaft und Vorstand auch zuvor einig. Was Zeitpunkt und Umsetzung angeht, gingen die Vorstellungen allerdings weit auseinander. Die Führungsebene von Daimler fürchtete um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Untertürkheim. Mit ihrem ersten Angebot brachte sie den Betriebsrat gegen sich auf. Es sah zwar eine Batteriefertigung vor, aber mit Gehältern unter Tarif. In Folge dessen verweigerte der Untertürkheimer Betriebsratschef Wolfgang Nieke fast zwei Wochen lang alle Formen von Überstunden.

Und das tat dem Konzern richtig weh: Daimler konnte zwei Samstage lang keine E-Klasse-Modelle produzieren. Es waren schlicht nicht genügend Teile aus dem Werk in Untertürkheim da, um die Autos fertigzubauen. Auf einer Betriebsversammlung eskalierte der Konflikt schließlich: Standortleiter Frank Deiß wurde vor tausenden Mitarbeitern ausgepfiffen.

Was sich in Untertürkheim zeitweise abgespielt hat, ist schlicht paradox: Das Werk ist komplett ausgelastet, macht riesige Gewinne - und dennoch gibt es Zoff und Zukunftssorgen. Mit der Einigung vom Donnerstag soll nun Ruhe einkehren. Laut dem Management müssten sich die Beschäftigten vorerst keine Sorgen um ihre Jobs machen: Bis 2025 sei das Werk ausgelastet. Daimler-Mechaniker Thomas Jaeschke ist damit erst einmal zufrieden: "Der Vorstand hat verstanden und eingelenkt", sagt er. "Ganz klasse."

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