Modetrend:Warum Amerikanerinnen in allen Lebenslagen Leggins tragen

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Schauspielerin Kate Hudson zeigt auf Instagram gerne, wie viel Spaß sie beim Workout hat. Und macht ganz nebenbei Werbung für ihre Sportmodenlinie "Fabletics". (Foto: Instagram/Kate Hudson)

In New York begegnet man selbst abends in einer hippen Bar Frauen in fiesen Lycra-Sportklamotten. Weshalb machen Menschen freiwillig mit bei diesem Trend?

Von Johanna Bruckner, New York

New Yorkerinnen gehen in hautengen Sportklamotten in den Supermarkt und verlassen ihn mit zwei Avocados und einer Diät-Cola. New Yorkerinnen schlendern in diesem Outfit durch den Park, Hand in Hand mit dem Liebsten (der wiederum trägt überdurchschnittlich häufig Khakis und ein weißes Hemd). New Yorkerinnen absolvieren in Sportklamotten Arztbesuche (auch nicht orthopädischer Natur). New Yorkerinnen tragen sogar samstagabends in einer hippen Bar in Manhattan: Leggins, Sport-BH und Muskelshirt. Und ja, manchmal sieht man sie sogar darin joggen. Während das selbsterklärend ist, stellt sich in allen anderen Fällen die Frage: Warum nur?

Es geht hier schließlich nicht um den gemütlichen Bruder des figurbetonten Fitnessmoden-Trends. Der Erfolg der Jogginghose liegt auf der Hand. Die Sehnsucht nach freier körperlicher Entfaltung im Textil ist mitnichten eine Geschlechterfrage, sondern ein universales Bedürfnis. Mancher Körper ist gar so konditioniert, dass er beim Reinschlüpfen in die Schlabberhose umgehend in den Entspannungsmodus schaltet. Feierabend, Wochenende, herrliches Wohlgefühl.

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Und wir dachten, wir hätten es überstanden: Schließlich galten Leggins als Uniform jener, die sich selbst aufgegeben hatten.

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Aber warum tragen Großstadt-Amerikanerinnen zwischen 20 und 45 freiwillig in jeder Lebenslage Kleidungsstücke aus Lycra? Ein Stoff, der zwar nachgibt, aber gleichzeitig das unversöhnlichste Material ist, das man sich vorstellen kann. Hängenlassen ist da nicht - außer man möchte um die Körpermitte aussehen wie ein Muffin, der aus dem Förmchen quillt.

Für manche Frauen ist eine Lycra-Leggins eine Belohnung

Auch wenn Fachleute von "Athleisure" sprechen mögen und Luxuslabels wie Prada oder Chanel längst die Wellnessgesellschaft für sich entdeckt haben: Permanent die eigene Körperspannung halten zu müssen, mag zwar irgendwann zu einem Kate-Hudson-Körper führen - die Schauspielerin besitzt eine eigene Bekleidungslinie, die auf den dreiteiligen Fitness-Uniformlook spezialisiert ist. Aber bis es so weit ist, ist dieser Modetrend vor allem anstrengend.

Zumindest für alle jene, die nicht wie Hudson mit den Genen einer Goldie Hawn ausgestattet sind oder die Disziplin einer Michelle Obama besitzen. Letztere beginnt den Tag weit vor sechs Uhr morgens mit einer Sporteinheit. Für ihre Kinder würde sie jederzeit so früh aufstehen, erklärte die Ex-First-Lady einmal - warum also nicht auch für sich selbst?

Hudson und Obama geben eine Antwort auf die Frage: Wer tut sich das an? Frauen, die es sich leisten können oder wollen. Die viel Zeit und Arbeit in ihren Körper investieren und stolz auf das Ergebnis sind. Hosen aus Lycra sind für sie keine Bestrafung, sondern eine Belohnung. Und eine Yoga-Matte unter dem Arm ist für diese Frauen nicht nur ein akzeptables Accessoire, sondern ein Art Erkennungszeichen. Sie gehören zu einer bewunderten wie beneideten Spezies, nicht umsonst trifft man sie oft im schützenden Rudel an.

Jogginghose kann jeder, Leggins, Sport-Bra und Muskelshirt können die Wenigsten. Ein Großteil dieser wenigen Frauen dürfte in New York leben.

Das mag damit zu tun haben, dass Sportmode in den USA traditionell beliebter ist als anderswo. 2015 kauften die Amerikaner Sportartikel im Wert von fast 65 Milliarden Dollar, Marktführer Nike erwirtschaftete einen Ertrag von mehr als 30 Milliarden Dollar. Zahlen, die so schwindelig machen wie zu viele Runden Zirkeltraining. Andererseits: Warum gibt es gerade in der Modestadt New York so viele Frauen, die Hosen mit fiesen Neon-Blitzen tragen?

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Auch dafür gibt es eine schlüssige Erklärung, wie mir jüngst eine gebürtige New Yorkerin erklärte. Eine der wichtigsten Vokabeln in dieser Stadt ist purpose. Fragen, die anderswo als übergriffig aufgefasst werden würden, gehören hier zum selbstverständlichen Smalltalk-Repertoire: Was ist dein Ziel? Wo willst du hin? Wo siehst du dich in drei Jahren? Wer als empfindliche Europäerin diesen Fragen entgehen will, sollte sich künftig vielleicht überlegen, doch auf den Fitnessmoden-Trend aufzuspringen. Denn kein Outfit, so die befreundete New Yorkerin, strahle mehr purpose aus als Sportleggins und Turnschuhe.

Darin sei man bestens gerüstet für alle Schwierigkeiten des Lebens: Sprints, Marathons, Hürdenläufe. "Eine Frau, die so das Haus verlässt, hat immer ein Ziel." Und sei es nur der nächste Supermarkt, weil dort zwei Avocados für vier Dollar im Angebot sind.

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