Alkohol als Pulver:Rausch aus dem Tütchen

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So sehen echte Cocktails aus - ob Hochprozentiges aus Pulver auch so hübsch bunt ist, muss sich erst zeigen. (Foto: REUTERS)

Cosmopolitan zum Aufgießen, Instant-Mojito und ein Mixgetränk namens Powderita: In den USA soll Alkohol in Pulverform auf den Markt kommen. Die Nachricht schlägt ein wie ein Drei-Liter-Eimer Fruchtbowle - dabei ist der Trick mit dem Pulverschnaps nicht neu.

Von Felicitas Kock und Christoph Behrens

"Schieb ab, Jesus, ein neuer Wundertäter ist in der Stadt", schreibt der Guardian - die Aufregung ist groß, wenn es um "Palcohol" geht. Mit dem Alkoholpulver, das womöglich bald in den USA verkauft wird, lässt sich Wasser zwar nicht bibelgleich in Wein verwandeln, aber doch in allerlei andere Spirituosen.

Der amerikanische Weinkenner Mark Phillips habe "Palcohol" erfunden, heißt es auf der zugehörigen Webseite. Natürlich nicht, um ein Riesengeschäft mit trinkfreudigen Jugendlichen zu machen - nein - Mark sei einfach ein aktiver Typ, der viel wandere und radfahre und danach gern ein "erfrischendes Erwachsenengetränk" zu sich nehme. Das Problem: So eine Flasche Hochprozentiges lässt sich beim Wandern und Radeln nur schwer mitnehmen. Also habe er recherchiert, getüftelt, sich mit Forschern getroffen - und am Ende "Palcohol" entwickelt.

Das Pulver wird laut Hersteller aus Wodka beziehungsweise Rum gewonnen. Es soll in kleinen Tüten verkauft werden und lässt sich mit Wasser oder Mixgetränken wie Cola oder Orangensaft mischen. Außerdem sollen - für diejenigen, die nicht auf ihre eigenen Mixkünste vertrauen - vier fertige Cocktail-Geschmacksrichtungen angeboten werden. Für Cosmopolitan, Mojito, Powderita (wie Margarita) und Lemon Drop müsse nur ein bisschen Wasser zum entsprechenden Pulver gegeben werden.

Wer jetzt mit Promillezeichen in den Augen davon träumt, sich ein Tütchen Hochprozentiges zu bestellen, dürfte jedoch Pech haben: Entgegen erster Berichte hat Phillips noch einige Probleme mit der zuständigen Behörde, dem Alcohol and Tobacco Tax and Trade Bureau (TTB). Die Genehmigung der Etiketten stehe noch aus. Es gehe dabei unter anderem um die Menge an Alkohol, die sich in einem Päckchen befinde. Was tatsächlich hinter der Verzögerung steckt, ist unklar. Mittlerweile heißt es unter anderem, das Produkt sei "versehentlich" zugelassen und die Genehmigung nun zurückgenommen worden.

Alkoholpulver anno 1974

So groß die Aufregung um "Palcohol" sein mag - die Idee ist alles andere als neu. Schon 1974 erhielt die General Foods Corporation, die mittlerweile zum Lebensmittelriesen Kraft Foods gehört, erstmals in den USA ein Patent auf pulverförmigen Alkohol. "Die Erfindung betrifft essbares, ethanolhaltiges Pulver", heißt es in der Patentschrift. Der Konzern vermarktete aber nie ein entsprechendes Produkt, sondern brauchte das Pulver vermutlich für die Verarbeitung in der Fabrik.

Da reiner Alkohol erst unterhalb von minus 114 Grad Celsius zu einer festen Form erstarrt, muss zur Herstellung des Pulvers ein Trick angewendet werden. Um "trockenen" Alkohol herzustellen, verkapseln die Pulvermacher das Ethanol in anderen Stoffen. Das Zuckerderivat Cyclodextrin kann Alkoholmoleküle gut verpacken, weil es wie ein Ring den Alkohol umschließt. Auch Kieselsäure kommt als Hülle in Frage. Beide Stoffe stecken bereits in Lebensmitteln und Tabletten.

1994 erlosch das Patent der General Foods Cooperation, doch allein in Deutschland beziehen sich im Moment etwa 20 Patentschriften auf die Herstellung von pulverförmigem Alkohol, die meisten im Umfeld der chemischen Industrie. Ob "Palcohol" daher mit einem Patent geschützt werden kann, wie die Hersteller es sich wünschen, ist nicht gesagt. Dazu müssten die Erfinder ein neues Verfahren oder einen neuen Verpackungsstoff entwickeln.

"Aromatisierte Putzmittel"

Selbst wenn "Palcohol" es auf den Markt schaffen sollte, bleibt die Frage, ob der Pulverschnaps wirklich eine großartige Geschäftsidee ist. In Deutschland gab es im Jahr 2004 eine Menge Trubel um eine Firma namens Subyou, die mit Alkoholpulver den ganz großen Wurf plante. Die Kritik war groß, Verbraucherschützer sahen vor allem Jugendliche in Gefahr - und bei Stiftung Warentest fielen die Getränke durch: "Die fertigen Drinks schmecken künstlich, sehr süß, bonbonartig oder auch bitter, adstringierend. Die Limettenvariante erinnerte die Prüfer gar an aromatisierte Putzmittel", hieß es damals im Testbericht.

Wie gut das Ganze angenommen wurde, lässt sich heute gut erkennen. Daran, dass es die Firma mittlerweile nicht mehr gibt. Und daran, dass sich offenbar niemand mehr daran erinnert. Warum sonst würden plötzlich alle "Palcohol" für das nächste große Ding auf dem Getränkemarkt halten.

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