WM 2010:Nationalelf in Südafrika - Videospielen funktioniert

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Nach einem kurzweiligen Flug bezieht die deutsche Nationalelf ihr WM-Quartier in Centurion bei Johannesburg und erkennt: Viele ihrer Sorgen haben sich schon zerstreut.

Philipp Selldorf

Die Mission Weltmeisterschaft begann für die deutsche Mannschaft mit einer Enttäuschung. Man hatte ihnen Winter versprochen, Dunkelheit und Kälte, aber als die Gesandten des DFB in ihrem nagelneuen Airbus auf dem Flughafen in Johannesburg landeten, da schien die Sonne von einem leuchtend blauen Himmel, und als die Spieler - im Anzug, aber von der Krawattenpflicht befreit - aus dem Flughafen in den Mannschaftsbus umstiegen, empfing sie um halb acht Uhr in der Früh eine Wärme, als wären sie an der Côte d'Azur gelandet. Lediglich die kleine Kompanie Soldaten, die mit gezückten Maschinenpistolen das Flugzeug umzingelte, passte nicht recht zum freundlichen Bild. Aber von prekärer Bedeutung war der bewaffnete Aufmarsch nicht, die südafrikanische Regierung hat pro forma allen Teilnehmern der WM bei deren Ankunft Geleitschutz zugeteilt.

WM 2010: Deutsche Mannschaft
:Empfang mit Tröten

Die deutsche Nationalmannschaft ist in Südafrika und startet in die letzte Woche der WM-Vorbereitung. Der Flug verlief reibungslos, allerdings hatte sich der Start verzögert - wegen eines Popstars.

Der Bundestrainer und seine Leute mussten meinen, dass sie gerade rechtzeitig die Heimat hinter sich gelassen hätten. Aus Frankfurt wurden sie von einem Wolkenbruch verabschiedet, einige Dutzend Fans mit Fähnchen und Plakaten hatten sich trotzdem auf der Aussichts- balustrade versammelt, um adieu zu winken. Ob die Spieler diese rührende Anstrengung der Anhänger überhaupt mitbekommen haben, ist allerdings fraglich. Sie mussten schließlich das Flugzeug und dessen Gepränge bestaunen. Der Jungfernflug mit dem neuen Riesenairbus versetzte besonders die Crew in die aufgekratzte Stimmung eines Weihnachtsabends mit Geschenken, schwarz-rot-gold hatten sich die Stewards bemalt (wenn auch nur auf den Wangen), und unentwegt gab es neue stolze Ansagen des Bordpersonals.

Shakira übers Bordmikrofon

Sie zeugten von einer Freude am Fliegen, wie sie das letzte Mal wohl vor hundert Jahren unter den Pionieren der Luftfahrt vorgekommen ist. Dann meldete sich übers Bordmikrofon noch eine Reisende, die sich als Shakira zu erkennen gab; die kolumbianische Sängerin beförderte der DFB gast- und ehrenhalber nach Südafrika, wo sie bei der Eröffnung am Freitag den offiziellen WM-Song namens "Waka, waka" vorbringen wird. Shakira sprach englisch, aber eigentlich hat sie gar nicht gesprochen, sondern eine Hymne angestimmt auf die Deutschen und ihr tolles Fußballteam; der Reigen ihrer Komplimente gipfelte in der Versicherung, Deutschland werde in der ganzen Welt bewundert. Anschließend gab es ein Treffen mit dem Nationalteam.

Hände wurden geschüttelt, und der Teammanager Oliver Bierhoff wusste es angeblich zu schätzen, dass ihm von Amts wegen die Begrüßung der berühmten Blondine zufiel. Dann zog sich Shakira in ihr Zimmer zurück, nämlich in das Erste-Klasse-Abteil, das komplett ihr und ihrem Freund vorbehalten blieb. Joachim Löw und andere Größen der DFB-Abordnung blieben in der Business Klasse unter sich. Die übrigen Mitreisenden, Fans und Journalisten, saßen derweil unten im Hauptdeck, die Treppen in die bessere Etage waren ihnen, wie der Chefsteward mehrfach durchsagte, "leider nicht zugänglich".

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:Spucke, Schläge, Schummelei

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Nach der Ankunft brachte der Bus die Mannschaft in ruhiger Fahrt in das Niemandsland zwischen den Großstädten Johannesburg und Pretoria, in dem der DFB sein Quartier aufgeschlagen hat. Das Velmore Grande am Rande der Satellitenstadt Centurion ist gemäß den vielen furchterregenden Berichten der vergangenen Wochen längst ein berüchtigtes Haus, es steht für tote Tiere im Hotelpool und seltsame Vorfälle bei der Bauaufsicht, aber als die Deutschen ihr Ziel erreichten, waren all die horrenden Geschichten schnell vergessen. Die Gemeinde hatte ganze Schulklassen zur Begrüßung entsandt, auch Teile der Nachbarschaft waren zum Fähnchenschwenken erschienen.

Sonne und blauer Himmel statt Winterkälte: Nicht nur das Wetter überraschte die deutsche Nationalelf mit einem freundlichem Empfang. (Foto: ddp)

Der herzliche Empfang setzte sich fort, nachdem die Gäste das Sicherheitstor passiert hatten. Jetzt sang und tanzte das komplett angetretene Hotelpersonal, und als Höhepunkt folgte eine Blasmusikvorführung auf einem Kudu-Horn, was die ursprüngliche Form der inzwischen weltweit bekannten südafrikanischen Vuvuzela-Tröte ist. Die herkömmliche Vuvuzela ist bereits schrecklich laut, ihr Mittelwert liegt angeblich bei 120 Dezibel, also doppelt so hoch wie ein durchschnittlich verlaufender Ehestreit (60 Dezibel), doch das ist nichts gegen den Krach, der aus dem Horn des Kudu stammt. Das Kudu ist eine große Antilopenart, und wenn die deutschen Fußballer auf ihrem eingezäunten Hotelgelände spazieren gehen (die einzig erlaubte Form des Ausgangs), dann könnte es sogar passieren, dass sie eines dieser beachtlichen, aber harmlosen Tiere sehen.

Viele der üblichen deutschen Sorgen haben sich somit am ersten Tag zerstreut. Das Internet funktioniert, die eigens georderte Unterhaltungselektronik ebenfalls, Sauna und Massagebänke sind pünktlich aus Deutschland eingetroffen, auch die in Südafrika beschafften Fitnessgeräte an ihrem Platz. Nachmittags ist die deutsche Mannschaft dann in ein Township gefahren, im Super Stadium in Atteridgeville in Pretoria hat der Bundestrainer neun Stunden nach der Ankunft zum ersten Training gebeten - offen für Gäste aller Art. Südafrikaner waren schwer beeindruckt, als sie von diesem Arbeitseifer hörten. Aber die Deutschen werden ja nicht umsonst in der ganzen Welt bewundert.

© SZ vom 08.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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