WM 2010: Gruppe G:Die Mauer bleibt stehen

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0:0 statt Spektakel: Brasilien und Portugal bleiben im letzten Spiel der Gruppe G ihrer Linie treu, die von zurückhaltend über schwach bis langweilig reicht. Beide Teams konzentrieren sich bereits voll auf das Achtelfinale - und Carlos Dungas Wunsch bleibt unerfüllt.

Die vorgegebene taktische Formation, das so genannte System, ist bei einer Fußballmannschaft am besten dann zu erkennen, wenn sie sich kurz vor dem Anstoß aufstellt. Schlaue Mannschaften greifen dabei zum Mittel der Täuschung, dem so genannten Bluff, und stellen sich anders auf, als sie dann nachher spielen. Das kommt sehr selten vor, eigentlich nie; so gesehen war diese Partie, Brasilien gegen Portugal, eine Weltpremiere: Portugal stellte sich kurz dem Anstoß zum 4-3-2-1 auf, aber dann liefen sie alle nach hinten. Manchmal sah es aus wie 6-1-3, das es eigentlich gar nicht gibt und also von den Portugiesen am Freitagnachmittag in Durban erfunden wurde. Zu behaupten, Portugal trat defensiv auf, wäre untertrieben. Das Resultat war deshalb nicht eigenartig, sondern logische Konsequenz: null zu null.

Auftritt der Verteidiger: Juan (links) und Lucio (Mitte) bremsen den portugiesischen Weltfußballer Cristiano Ronaldo. (Foto: rtr)

Es war gut, dass die Portugiesen ihre roten Trikots trugen, so konnte man sich immerzu vergewissern, dass da wirklich die Portugiesen auf dem Platz standen, Nummer drei der Weltrangliste und eigentlich bekannt für filigranen Offensivfußball. Überhaupt: Brasilien gegen Portugal, da erwartete die Welt ein Spektakel, ein Feuerwerk in den Strafräumen. Die beiden standen sich bei einer Weltmeisterschaft erst einmal gegenüber, damals gewann Portugal 3:1, aber das war 1966 und zu lange her für ernsthafte Revanchegelüste.

Nur Ronaldo geht vor

Das allerdings war nicht die Erklärung für das taktisch durchaus interessante, manchmal aber auch ermüdende Ballgeschiebe, sondern die Situation in dieser Gruppe G: Brasilien war bereits für das Achtelfinale qualifiziert und Portugal so gut wie (siehe nebenstehenden Text), und in so einem Fall gehen Fußballprofis lieber kein Risiko ein. Portugals Trainer Carlos Queiroz hatte seine Formation gegenüber dem 7:0 gegen Nordkorea auf vier Positionen verändert, und Brasiliens Carlos Dunga nahm drei Wechsel vor, einen davon gezwungen: Den gesperrten Kaká ersetzte Julio Baptista.

Nach der ersten Halbzeit besagte die Statistik: Portugal 32 Prozent Ballbesitz, Brasilien 68 Prozent. Nur: Letztlich waren das für Brasilien ein paar nutzlose Zahlen - maßgeblich ist die Anzahl an Toren, und da standen die Zähler bei null. Viel Ballbesitz kann man auch durch Querpässe im Mittelfeld erlangen.

Immerhin aber kam Brasilien durchaus zu einigen, wenn auch wenigen Torchancen: Etwa in der 30. Minute, als der Ball durch die erstaunlich statische Verteidigung Portugals trudelte und schließlich zu Nilmar gelangte, der aus kurzer Distanz am glänzend reagierenden Torhüter Eduardo scheiterte, der den Ball an den Pfosten lenkte. Ansonsten fiel eine weitere Zahl ins Auge: die der gelben Karten. Allein sieben gab es in der ersten Halbzeit, so viele wie noch nie bei dieser WM. Es war kein überhart geführtes Spiel, aber es war eines voller Undiszipliniertheiten. Den Trainern gefiel das nicht, was Brasiliens Carlos Dunga dann auch unverhohlen zeigte: In der 44. Minute wechselte er Felipe Melo aus, der gelb gesehen hatte, für ein Revanchefoul am Portugiesen Pepe - eine Minute zuvor.

Man könnte nun sagen: Portugal verteidigte eben gut - denn das tat es -, und Brasilien war ratlos, ja: verzweifelt. Doch hat nicht Portugal mit seinen Fußballkünstlern stets eine Verpflichtung zur Offensive? Zumindest Cristiano Ronaldo mag das so sehen, und er bezieht die Liebe der Fans ja nicht gerade für seine Verteidigungskünste. Ronaldo war die portugiesische Offensive an diesem Tag, zumindest manchmal klappte das. In der 25. Minute wäre er alleine vor dem Tor gewesen, hätte nicht Juan den Ball mit der Hand aus der Luft geholt (wofür er nur die gelbe Karte sah), und nach einer Stunde nötigte Ronaldo den Brasilianer Lucio zu einer Grätsche, mit der er den Ball auf den Portugiesen Meireles legte. Meireles war frei, diesmal aber parierte Brasiliens Schlussmann Julio Cesar. Seine Freistöße, bei denen er den Ball kläglich weit, weit am Tor vorbeitrat, sollen hier aus Rücksicht auf die Ästhetik nicht näher beschrieben werden.

Fußballspiele folgen manchmal einem bestimmten Drehbuch: beginnen schwach, werden hitzig und steigern sich schließlich in einem Schlussdrama. Diese Partie aber folgte in all seiner Konsequenz einer Linie, die von zurückhaltend über schwach zu langweilig absank.

Folgen dürfte das vorerst nur für einen haben: Julio Baptista konnte die Chance, als Kaká-Ersatz weitere Nominierungen zu rechtfertigen, nicht nutzen. Er gab sich Mühe, sein gelbes T-Shirt war schon früh dunkelgelb, vom Schweiß getränkt, doch es half nichts, in der 82. Minute wurde er ausgewechselt. Kurz darauf kam dann noch der Wolfsburger Grafite in die Begegnung, zumindest ein Tor hätte Carlos Dunga sich ja doch gewünscht: Er stand da an der Seitenlinie und trieb seine Mannschaft wild fuchtelnd an. Die portugiesische Mauer aber, sie hielt bis zum Schluss.

© SZ vom 26.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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