Vierschanzentournee:Angriff gescheitert

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Der Österreicher Andreas Kofler gewinnt die Vierschanzentournee. Dabei hat ein Schweizer Kniff und ein ewiger Finne die Gastgeber in Bischofshofen sehr nervös gemacht.

Thomas Hahn

Irgendwo in der kalten Luft von Bischofshofen hat Simon Ammann die Kraft verlassen, und so sehr er sich auch bemühte - den letzten Sprung bei der 58. Vierschanzentournee hat er nicht weiter strecken können als auf jene 131,5 Meter, die für ihn eine Niederlage bedeuteten. Ammann ließ die Schultern hängen, ungläubig schaute er auf die Anzeigetafel und schüttelte den Kopf.

133,5 Meter für den Erfolg: Der Österreicher Andreas Kofler jubelt über seinen Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. (Foto: Foto: Getty)

Sein Angriff auf die Spitze war gescheitert, und am Ende konnte er als Drittplatzierter des Abends nicht einmal etwas mitnehmen vom Finale der Tournee, das nach seinen Ansprüchen ein Achtungserfolg war. Auch der Finne Janne Ahonen hatte letztlich nichts mehr ausrichten können mit seinem zweiten Platz am Laideregg, und so endete die Tournee, wie sie angefangen hatte und weitergegangen war: mit österreichischen Siegen.

Thomas Morgenstern aus Villach sicherte sich den Tagessieg, Andreas Kofler aus Telfes rettete seine Führung in der Gesamtwertung ins Ziel. Nach seinem Sieg in Oberstdorf sowie seinen beiden vierten Rängen in Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck reihte sich Kofler nun mit einem fünften Platz ein in die erlesene Riege der Tournee-Gewinner ein.

Man hat den Gegnern der Österreicher nicht nachsagen können, dass sie nicht alles versucht hätten an diesem stimmungsvollen Abend auf der Paul-Außerleitner-Schanze. Simon Ammann, der Schweizer Doppel-Olympiasieger von Salt Lake City 2002, hatte sich sogar einen besonderen taktischen Kniff einfallen lassen, um den Führenden noch in den Rücken zu fallen.

In der Qualifikation vom Dienstag hatte er sich als Vorqualifizierter einen bescheidenen Satz von 124,5 Metern geleistet, um die Startreihenfolge in seinem Sinne zu gestalten. Er wollte gleich zu Beginn des Wettkampfs springen, um die bessere Thermik des späten Nachmittags zu nutzen.

"Wir fanden das ganz interessant", sagte Ammann. Platz 27 im Vorkampf bedeutete, dass er am Dreikönigstag gleich im zweiten Paar des K.o.-Durchgangs in die Spur durfte - und der Trick zahlte sich aus: 136 Meter brachte er in den Hang, und dann muss er mit besonderem Vergnügen verfolgt haben, wie der Wind tatsächlich abflaute und die großen Favoriten aus Österreich weit hinter seinem Ergebnis zurückblieben.

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Die früheren Sieger des traditionsreichen Skisprungvierkampfes waren allesamt wagemutig - manch einer auch abseits des Sports. Von Offizieren, Häftlingen und Maskenträgern.

Schlierenzauer sprang 128,5 Meter, Kofler 129 Meter. Am nächsten kam Ammann der zweite prominente Herausforderer: Janne Ahonen war Zweiter nach dem ersten Durchgang mit einem erstklassigen Satz auf 134 Meter. Koflers Führung in der Tournee-Wertung hatte weiterhin Bestand, 12,8 Punkte oder 7,1 Meter vor Ahonen und 13,8 Punkte oder 7,6 Meter vor Ammann hatte er Vorsprung, aber sie wirkte plötzlich irgendwie wacklig. Und Schlierenzauer war zurückgefallen auf Rang vier mit 17,0 Punkten, fast zehn Metern Rückstand. Keine Frage, der Sieger von Partenkirchen und Innsbruck hatte die Tournee in Bischofshofen schon zur Pause verloren.

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Alexander Pointner, der österreichische Nationaltrainer, verfolgte das Geschehen und blieb standhaft. "So schnell werden wir die Nerven nicht wegwerfen", sagte er. Aber die inneren Irrungen der Sportlerseele können auch die größten Skisprung-Begabungen nicht immer kontrollieren. Selbst mit der besten sportpsychologischen Betreuung lässt sich nicht jede Situation vorempfinden, zumal die Begeisterung um Österreichs Springer in den Tagen vor dem Tournee-Finale neue Dimensionen erreichte.

62 Prozent Marktanteil verzeichnete das ORF bei seiner Live-Übertragung vom Bergisel-Springen am Sonntag, und danach nahm die Berichterstattung erst recht Fahrt auf. Menschen und Medien schienen endgültig darauf aufmerksam geworden zu sein, dass der heimische Skiverband eine Gruppe von Akkordgewinnern hervorgebracht hatte. Wie oft haben Kofler, Schlierenzauer und der Tournee-Titelverteidiger Wolfgang Loitzl wohl als führendes Trio vor dem Finale für die Fotografen posiert? Wie viele Interviews haben sie gegeben?

Die Springer lächelten, sie schienen das Theater locker zu nehmen. Aber in ihre Köpfe konnte keiner schauen, und in Bischofshofen wirkte dann vor allem Schlierenzauer, der an diesem Donnerstag 20 Jahre alt ist, nicht mehr so frisch wie bei den Springen zuvor. Im zweiten Durchgang segelte er immerhin auf 134 Meter, was in der Endabrechnung Platz sechs bedeutete, und dann fügte er sich wieder in seine Rolle als Teamspieler.

Er drückte seinem Stubaitaler Landsmann Kofler die Daumen und fiel ihm in die Arme, als dieser wenig später mit einem Satz auf 133,5 Meter die entscheidende Leistung zum Gesamtsieg vollbracht hatte. "Es war nicht ohne", sagte Kofler über den Druck, den er oben auf dem Balken gespürt hatte und dankte dann herzlich seinen Teamkollegen, die gleichzeitig seine Konkurrenten sind: "Wir haben uns gegenseitig Energie gegeben. Bei mir hat es gewirkt."

© SZ vom 7.1.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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