Verletzungssorgen bei Borussia Dortmund:Aus der Misere zu neuem Optimismus

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Gut, dass er da ist: Shinji Kagawa soll beim BVB den verletzten Marco Reus ersetzen. (Foto: REUTERS)

Nach dem Ausfall von Marco Reus verbreitet sich in Dortmund verblüffend schnell ein Gefühl der Stärke - dank Rückkehrer Kagawa ist der Kader breiter als je zuvor. Doch wie gut ist der Japaner nach seiner enttäuschenden Zeit in England?

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die Diagnose aus dem Knappschaftskrankenhaus hätte in der vergangenen Saison noch für ein paar depressive Schübe gereicht: Marco Reus fällt vier Wochen aus und verpasst demnach fünf Bundesliga-Spiele, darunter das Derby gegen Schalke, außerdem die beiden Champions-League-Partien gegen Arsenal und Anderlecht. Erstaunlicherweise wird der Fall jetzt aber beinahe gelassen registriert: "Gut, dass Shinji Kagawa auf der Position von Marco schon gespielt hat", fasst BVB-Sportchef Michael Zorc die neue Entspanntheit in einen einzigen kurzen Satz.

Bis zum Sonntagabend war in Dortmund davon die Rede gewesen, dass sich der zum Monatsanfang aus Manchester zurückgeholte Kagawa erst wieder einleben und "nicht mit Erwartungsdruck überfrachtet" werden solle, wie BVB-Boss Hans-Joachim Watzke das formuliert hatte. Aber als sich Reus in der letzten Minute des Länderspiels gegen Schottland einen Anriss des Außenbandes im linken Sprunggelenk zuzog, war der Publikumsliebling Shinji Kagawa von einem Moment auf den anderen zurück in der Rolle des Spielmachers, die er 2012 aufgegeben hatte.

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"Er hat ja nichts verlernt", sagt Watzke - und mit einem Mal sind alle Bedenken wie weggeblasen, ob der BVB neben Reus und Henrikh Mkhitaryan in Kagawa wirklich noch einen weiteren Weltklasse-Spieler auf dieser zentralen Position benötigt. In einem verkürzten Trainingsspiel gegen die eigene U23 brauchte der 25-jährige Japaner genau 13 Minuten, um das erste Mal wieder das Tor zu treffen.

Man habe ihm "die Erleichterung angesehen", meinte Mitspieler Sebastian Kehl, "Shinji wird jetzt wieder neues Selbstvertrauen bekommen". Kagawa hatte bei Manchester United und Trainer Louis van Gaal die komplette Saisonvorbereitung mitgemacht, konditionell müsste der ohnehin als laufstark bekannte Japaner also auch in Dortmund mithalten können. Warum sollte Kagawa also Reus nicht sofort vertreten können?

Die schlechte Nachricht von Reus' neuerlicher Verletzung hat in Dortmund deshalb verblüffend schnell einem Gefühl neuer Stärke Platz gemacht. Gerade mit der Rückkehr von Kagawa, mit dem der BVB 2011 und 2012 zweimal Meister wurde, verknüpft sich die Erkenntnis, dass es in der neuen Saison zumindest nicht an einem zu dünnen Kader scheitern wird.

In der vergangenen Saison hatte der BVB den Bayern etwa ein Drittel der Serie Paroli bieten können - bis eine Serie von Verletzungen die Dortmunder hoffnungslos zurückwarf. In diesem Jahr speist sich das neue Selbstvertrauen auch aus der angewandten Kadertiefe: Für einen wie Reus kann Klopp plötzlich einen wie Kagawa bringen.

Ein Führungsspieler in guter Form fällt aus, aber die Elf ist trotzdem kaum geschwächt? Das ist ein immer noch gewöhnungsbedürftiges Gefühl für den BVB-Trainer. Gerade in der Offensive, in Reus' Stammressort, kann Jürgen Klopp besonders viele Varianten durchspielen: In der offensiven Dreierreihe hinter einem Stürmer könnten am Samstag gegen Freiburg zum Beispiel Mkhitaryan, Kagawa und Großkreutz spielen - oder Aubameyang, falls der nicht als Sturmspitze den Vorzug vor dem italienischen Torschützenkönig Ciro Immobile oder vor Adrian Ramos bekäme. Inzwischen hat sich auch Jakub Blaszczykowski wieder gesund gemeldet, auch er könnte nach überstandenem Kreuzbandriss wieder mitmischen.

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Im selben internen Testspiel, in dem Kagawa seine ersten Haken schlug, kam sogar der seit über einem Jahr ausgefallene Ilkay Gündogan wieder eine Halbzeit zum Einsatz und spielte - tatsächlich - Fußball. Auch Gündogan hatte sich im vergangenen Jahr, ähnlich wie nun zweimal Reus, bei der DFB-Auswahl verletzt. Auf Gündogans Position in der zentralen Defensive hat der BVB derzeit sogar das größere Problem als in der zentralen Offensive, der Position von Reus. Denn neben Gündogan fallen auch Nuri Sahin und der zuletzt auffällige Oliver Kirch noch wochenlang aus.

Auch wenn es nach Reus' Verletzung zurzeit so aussieht: Kagawa ist eigentlich nicht als Ersatz für Reus gedacht, sondern als zusätzliche Ergänzung. Kagawa soll mit Reus und Mkhitaryan das spielerisch beste offensive Mittelfeld der Liga bilden - hoffen sie in Dortmund. Diese Perspektive soll auch den von Bayern umgarnten Reus zum Bleiben animieren.

"Marco sieht ja, was hier entsteht", so beschreibt Watzke den erhofften Kagawa-Nebeneffekt. Und nebenbei soll der Rückkehrer Kagawa auch als wandelndes Mahnmal fungieren: Jeder soll sehen, dass es in der Ferne eben doch nicht so schön ist wie in Klopps Biotop in Dortmund.

© SZ vom 10.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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