TSV 1860 München:"Viele sind vielleicht froh, dass ich weg bin"

Lesezeit: 3 min

Der langjährige 1860-Profi Daniel Adlung geht nach Australien. Zum Abschied spricht er über das Wiedersehen mit alten Kollegen und das frustrierende Ende in Giesing.

Interview von Florian Bindl

"Ich lasse mir sicher nicht vorwerfen, dass ich nicht alles versucht hätte."- Daniel Adlung (r.) war bei den Löwen erst Kapitän, dann außen vor. (Foto: Thomas Starke/Getty)

Nach vier Jahren in Giesing und 107 Zweitligaspielen für den TSV 1860 sucht Daniel Adlung, 29, eine neue Herausforderung. Fündig geworden ist der gebürtige Fürther in Australien beim Erstligisten Adelaide United, der vom früheren Löwencoach Marco Kurz trainiert wird. Angebote aus Deutschland, nicht zuletzt eines von Sechzig, lehnte er ab.

Herr Adlung, wann geht ihr Flugzeug nach Down Under?

Ich mache mich an diesem Wochenende auf den Weg. Noch stehen ja der Medizincheck und die Unterschrift aus.

Wie lange soll ihr Vertrag bei Adelaide United laufen?

Zwei Spielzeiten, also bis 2019.

Sie gelten als in Ihrer Heimat sehr verwurzelt. Wird es Ihnen schwer fallen sich in Australien zurechtzufinden?

Das ist schwer zu sagen, weil ich noch nie dort war. Mir fällt es aber sehr leicht, mich in ein Team zu integrieren. Damit hatte ich noch nie Probleme. Deshalb hoffe ich, dass das auch in Australien so bleibt.

Und abseits des Sports?

Das sehe ich nicht so eng. Klar bin ich gerne mit Freunden zusammen. Ich war aber auch schon in Cottbus oder Wolfsburg. Ins Ausland zu gehen, ist für mich ein sehr interessanter Schritt, den ich zusammen mit meiner Familie mache. Ich glaube, dass das eine richtig coole Aufgabe wird.

Frau und Tochter sehen das genauso?

Meine Familie steht bei dieser Entscheidung voll hinter mir. Für Verwandte und Freunde ist es natürlich etwas ganz Neues, dass ich so weit weg bin. Das ist für uns ein Abenteuer. Aber wir freuen uns auf die neue Kultur und wollen uns menschlich weiterentwickeln.

Kannten Sie die Stadt Adelaide im Vorfeld überhaupt?

Adelaide hatte ich schon mal gehört, mich aber nie näher damit befasst, so ehrlich muss man sein. Man denkt bei Australien meistens nur an Sydney, Melbourne und Perth.

Mit Marco Kurz und Karim Matmour treffen Sie auf zwei bekannte Gesichter aus Münchner Zeiten. Welche Rolle haben die beiden für Ihre Entscheidung gespielt?

Eine sehr große. Wäre Marco Kurz dort nicht Trainer, wäre der Kontakt vermutlich gar nicht zustande gekommen. Er hat sich über einen längeren Zeitraum sehr intensiv um mich bemüht.

Und Matmour?

Mit Karim habe ich mich schon bei 1860 sehr gut verstanden. Ich habe mich im Vorfeld mit ihm unterhalten. Er hat nur Positives vom Verein erzählt und meinte, dass ein Wechsel eine gute Entscheidung wäre.

Sie hatten auch ein Angebot aus der Regionalliga von 1860-Verfolger Schweinfurt. Statt in die fränkische Heimat wechseln Sie ans andere Ende der Welt. Warum?

Ich war in Schweinfurt vor Ort und habe mir alles angeschaut. Ich wollte aber nicht mit 29 Jahren in die Regionalliga. Der Schritt wäre zu früh gewesen. Australien bietet mir die bessere Perspektive.

Natürlich auch in finanzieller Hinsicht?

Schweinfurt hatte mir auch ein sehr faires und gutes Angebot gemacht. Für Regionalliga-Verhältnisse war das Wahnsinn. Wichtiger als die finanziellen Möglichkeiten war mir aber, etwas Neues auszuprobieren. Ich wollte ein Abenteuer.

Kürzlich stand sogar im Raum, dass Sie noch einmal für die Löwen auflaufen könnten. Wie weit waren diese Verhandlungen fortgeschritten?

Ich habe mit Daniel Bierofka gesprochen und ihm gesagt, dass ich mir schon vorstellen könnte, unter ihm zu spielen. Wegen ihm habe ich mir überhaupt darüber Gedanken gemacht. Er ist ein guter Trainer und wird seinen Weg gehen. Letztendlich sind wir aber nicht zusammengekommen.

Woran lag es?

Ich habe in den vier Jahren in München viel erlebt, auch viel Negatives. Zurzeit ist gerade durch den Neuanfang wieder alles himmelblau. Trotzdem müssen dort erst einmal neue Strukturen wachsen. Das war für mich aber kein Hauptgrund, das Angebot abzulehnen. Ich habe mich nicht gegen etwas entschieden, sondern für Adelaide.

TSV 1860 München
:Wie ein Münchner Punk die Sechziger-Hymne erschuf

Mit seiner Band "Marionetz" hat Sigi Hümmer seinem Lieblingsverein 1860 München den Brüllersong "Heya Heya TSV" gewidmet - und der hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert.

Von Ralf Dombrowski

Bei den Löwen bekamen Sie in der letzten Rückrunde kaum noch Spielzeit. Wie sehen Sie das rückblickend?

Ich lasse mir sicher nicht vorwerfen, dass ich nicht alles versucht hätte. Leider hat mir keiner begründet, warum ich außen vor war. Es gab ein Kommunikationsproblem. Der Mannschaftskern aus 14 oder 15 Spielern stand auf dem Platz und der Rest wurde behandelt, als ob er gar nicht da wäre. Wir wurden geduldet, mehr nicht.

Bei den Münchner Fans waren Sie umstritten. Bei einigen der Publikumsliebling, andere betrieben ein regelrechtes Adlung-Bashing. Hat Sie das geärgert?

Was die Leute in sozialen Netzwerken über mich verbreiten, interessiert mich nullkommanull. Die Leute, die mich wirklich kennen, wissen, was ich kann. Warum ich mir bei manchen Fans diesen Kredit verspielt habe, verstehe ich nicht. Viele sind vielleicht froh, dass ich weg bin. Jeder kann sich seine eigene Meinung bilden, ich gehe meinen Weg weiter.

Der führt Sie an die australische Südküste. Welche sportlichen Ziele haben Sie sich gesteckt?

Ich will schnell den Anschluss finden. Aber die Mannschaft muss erst einmal zusammenfinden. Welches Potenzial wir haben, kann ich jetzt noch nicht abschätzen. Ob ich dann längerfristig in Australien bleiben möchte, wird die Zukunft zeigen.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

TSV 1860 München
:Das ganze 1860-Chaos auf einen Blick

Der TSV 1860 München spielt nun in der Regionalliga. Wie konnte der Verein so tief fallen? Eine Vierteljahrhundert-Chronik.

Von Johannes Kirchmeier, Christoph Leischwitz, Markus Schäflein und Philipp Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: