TSV 1860 München:Klappe halten und weiterwursteln

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Drei Gegentore, eine Zigarre: 1860-Investor Hasan Ismaik kam leicht verspätet zum Spiel seines Klubs gegen den Karlsruher SC. (Foto: Rauchensteiner)

Schockierende Eindrücke bei der Rückkehr: Investor Hasan Ismaik sieht bei seinem ersten Besuch seit neun Monaten, wie sein Verein 1860 im Abstiegssumpf versinkt. Die Lage ist ernst, doch im Verein herrscht trügerische Zurückhaltung.

Von Markus Schäflein, München

In der 24. Minute erschien Hasan Ismaik dann doch noch. Der jordanische Investor hatte sich zum Spiel seines Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München gegen den Karlsruher SC etwas verspätet, aber er hatte noch nichts versäumt. Und als er dann da war, dauerte es nur vier Minuten, bis der 19-jährige Maximilian Wittek den Ball aus 28 Metern in den rechten Winkel drosch.

Dieses Traumtor kam natürlich gelegen am Tag des hohen Besuchs, aber wie es derzeit so ist bei Sechzig, folgte auf den Traum das böse Erwachen - in Form von drei Gegentoren binnen neun Minuten in der Mitte der zweiten Spielhälfte. So hörte Ismaik bei seinem ersten München-Besuch seit neun Monaten lautstarke Rufe aus dem Fanblock. Gefordert wurde die Entlassung des vor acht Monaten installierten Sport-Geschäftsführers Gerhard Poschner. Und beim Blick auf die Tabelle sah Ismaik seinen Verein nach dem 2:3 auf dem Abstiegs-Relegationsplatz.

Zweite Fußball-Bundesliga
:1860 kassiert drei Tore in acht Minuten

Der TSV 1860 München verliert gegen den Karlsruher SC mit 2:3 und erlebt dabei nach der Halbzeit einen Einbruch. Fortuna Düsseldorf schließt durch einen Sieg in Frankfurt zu den Spitzenteams auf. Braunschweig und Union spielen remis.

Von Ismaik hörte man nichts. Bei vergangenen Besuchen in München war er öfter durch massives Gepolter aufgefallen ("We need a new sportchef", "I cannot work with these people", "I want to go to DFL"), diesmal wollte er überhaupt nicht in Erscheinung treten. Seine früheren Forderungen nach rollenden Köpfen, die stets früher oder später in Erfüllung gingen, hatten immer auch mit persönlichen Animositäten zu tun - und die gibt es mit Gerhard Poschner offensichtlich nicht.

Das könnte die Erklärung sein, dass der Jordanier still hält, obwohl die Lage derzeit schlimmer ist als je zuvor seit Ismaiks Einstieg. Mit riesengroßen Plänen waren die Löwen in die Saison gestartet, mit dem ehrgeizigen und äußerst unkonventionellen Trainer Ricardo Moniz, mit drei Zugängen vom FC Barcelona B dank Poschners guter Kontakte nach Spanien, mit der Vorgabe eines attraktiven und offensiven 4-3-3-Systems. Und nun diagnostiziert der Sport-Geschäftsführer zum Vorrunden-Ende angesichts von nur 15 Zählern aus 17 Spielen "eine Summe von Dingen, die nicht so funktioniert haben, wie wir uns das erhofft hatten". Das Saisonziel wurde folgerichtig von "Meister" (Ricardo Moniz) auf Klassenerhalt korrigiert. "Nach dem Abschluss der Vorrunde mit 15 Punkten ist das primäre und einzige Ziel, von diesen Rängen wegzukommen", sagte Poschner.

Auch Moniz' Nachfolger Markus von Ahlen, zuvor Assistenztrainer von drei gescheiterten Chefs, steht schon wieder vor dem Aus. Seine Bilanz: acht Niederlagen in elf Spielen. Auf die Frage, wie lange von Ahlen noch bleiben darf, antwortete Poschner zwar: "Bis er Punkte macht." Doch bei zwei weiteren Niederlagen vor der Winterpause gegen Kaiserslautern und in Leipzig dürfte von Ahlen allen Vorsätzen zum Trotz nicht zu halten sein.

Dass es gegen den im ersten Durchgang schwachen KSC nicht gelang, die Statistik zu verbessern, bereitete dem Trainer "insgesamt eine unruhige Nacht", wie er berichtete: "Ich habe mir die Szenen nachts noch mal angeschaut." Er meinte die Szenen beim 1:1, 1:2 und 1:3, die Szenen eines plötzlichen Totaleinbruchs, wie ihn sich das Team in dieser Saison regelmäßig leistete.

Der Innenverteidiger Gary Kagelmacher und der Sechser Ilie Sanchez, von Poschner als Teil einer geplanten neuen Achse verpflichtet, durften mal wieder mitwirken, doch sie vermochten nicht zu zeigen, dass sie mehr Stabilität bringen könnten als die aus der Vorsaison übrig gebliebenen Christopher Schindler und Yannick Stark. Die anderen neuen Spanier, Edu Bedia und Rodri, sind dauerverletzt; bei zehn Zugängen gelang Poschner mit Torjäger Rubin Okotie nur ein Griff, der bislang überzeugte.

Zudem schaffte Sechzig es nicht, einige kostspielige Profis aus dem Vorjahreskader loszuwerden; wohl aber, sie zu demontieren. Fast eine ganze Elf aus Akteuren wie Moritz Volz, Markus Steinhöfer oder Marin Tomasov wurde mittlerweile von fünf Jungspunden aus der Regionalliga-U21 überholt. Zu den "Neuen" bzw. den "Spaniern" und den "Alten" kam damit noch ein drittes Grüppchen dazu, "die Jungen". Poschner beteuert zwar: "Die Mannschaft ist eine Mannschaft geworden. Das ist sie." Aber es gibt auch viele im Verein, die sich echten Zusammenhalt einer Mannschaft anders vorstellen.

Geld in den Verein zu stecken, plant Ismaik wohl nicht

Was das Thema Winterzugänge angeht, stimmen die Aussagen überein. "Poschi hat sein Budget", sagte Ismaiks Münchner Statthalter Noor Basha unlängst, und Poschner sagte nun: "Ich habe mein Budget." Das bedeute: "Wenn wir etwas holen wollen, können wir das tun, im Rahmen der Möglichkeiten eines normalen Zweitligisten." Schon wieder viel Geld in den Verein zu stecken, plant Ismaik aber wohl nicht; er fürchtet offenbar nicht, dass wirklich der Abstieg droht. "Geld bringt nix. Ideen und Arbeit bringen mehr als Geld!", twitterte Statthalter Basha kürzlich. Und außerdem, was noch mehr verwunderte: "Wir haben die geilste Mannschaft und die geilsten Spieler der zweiten Liga."

Frage an Poschner: Ob er gerne, ähnlich wie vom Investor, auch mal Rückendeckung vom Präsidium um Gerhard Mayrhofer bekommen würde? Poschners vielsagende Antwort: "Das brauche ich nicht. Wieso sollte ich dieses Bedürfnis haben?" In der Tat, das wichtigste in diesem Verein ist die Rückendeckung von Hasan Ismaik.

© SZ vom 15.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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