Torloses Revierderby:BVB resigniert vor Torhüter Fährmann

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Immer wieder Fährmann: Die BVB-Spieler um Lewandowski verzweifeln am Schalker Torhüter (Foto: REUTERS)

Wie schon in der gesamten Saison geht Borussia Dortmund auch beim 0:0 gegen den FC Schalke verschwenderisch mit Torchancen um. Als Trost bleibt dem BVB, in der Tabelle weiter vor dem ungeliebten Nachbarn zu stehen.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Als der letzte Pfiff ertönt und im Dortmunder Nachthimmel verhallt war, begann die gelbe Wand zu singen. "Die Nummer eins im Pott sind wir." Laut klang das, fordernd und auch ein wenig trotzig. De facto stimmte die Einschätzung, die von der größten Stehplatztribüne in Europa ins Ruhrgebiet geschickt wurde, doch von Triumph konnte keine Rede sein. Null zu null, das ist nicht das Resultat, mit dem eine Fußballmannschaft dokumentiert, dass sie ihren Gegner beherrscht hat.

Ein Spiel ohne Tore hinterlässt bei den Beteiligten meist ein Gefühl der Leere: Wir haben so viel erlebt und doch das Entscheidende verpasst. So erging es auch den Profis von Borussia Dortmund nach 90 aufregenden Minuten gegen Schalke 04. Mats Hummels trat vor die Mikrofone, sein Trikot dampfte von der Anstrengung und der Kälte der Nacht, seine Mimik verriet Ratlosigkeit. Dabei gehört der Nationalspieler doch eigentlich zu den Fußballern, die es hervorragend verstehen, das Erlebte einzuordnen und rhetorisch zu verpacken.

Doch in diesem Moment tat sogar Hummels sich schwer. In sich entdeckte er "eine Mischung aus Zufriedenheit und Enttäuschung". Eine Melange, die aus dem Wissen resultierte, "das beste Heimspiel seit Monaten" gezeigt zu haben, obwohl der verdiente Sieg am Ende ausblieb, "weil Ralf Fährmann ein Klasse-Keeper ist".

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:Dortmund vergibt den Derbysieg

Viele Chancen, aber kein Tor: Borussia Dortmund ist gegen den Nachbarn Schalke 04 teilweise hoch überlegen, kann aber seine Möglichkeiten nicht nutzen. In Braunschweig entscheidet Kumbela mit einem spektakulären Fallrückzieher das Spiel. Bremen ist wieder im Abstiegskampf.

Das war fein beobachtet, schließlich krönte sich Schalkes Torhüter mit einer Vielzahl starker Reflexe zum König des Derbys. Genauso richtig ist aber auch, dass die Dortmunder Offensivkräfte Reus, Lewandowski und Mchitarjan mit den besten Gelegenheiten mal wieder reichlich verschwenderisch umgingen. "Wenn du dir so viele Chancen rausspielst", dozierte Hummels, "musst du auch mal einen reinmachen."

So endete der rassige Schlagabtausch 0:0, obwohl die Dortmunder ihren Gegner vor allem in der zweiten Hälfte dominiert hatten, durften sich die Schalker am Ende als Punktsieger fühlen. Ralf Fährmann ließ mit seinen Darbietungen die Erinnerungen an ein Revierderby zurückkehren, das vor drei Jahren in Dortmund stattgefunden hatte: Damals schien ein gewisser Manuel Neuer tausend Arme und Beine zu haben, er allein bewahrte seine Mannschaft mit einer unfassbaren Leistung vor einer Niederlage.

Fährmann sorgte nun in der 144. Auflage des Klassikers mit ähnlich spektakulären Darbietungen dafür, dass auch er als Protagonist des Revierderbys in Erinnerung bleiben wird. Während Neuer seinerzeit ganz in Weiß erstrahlte, trat sein Kumpel aus alten Schalker Zeiten im grasgrünen Outfit an.

Fährmann wird bei den Schalker Fans also als Held in Grün überdauern, auch wenn er von solchen Überhöhungen nach dem 0:0 nichts wissen wollte: Er freue sich, "dass ich die Mannschaft im Spiel halten konnte", sagte der 25-Jährige, der in der Rückrunde dieser Saison zu einem Torhüter von internationalem Format gereift ist. Nach dem Champions-League-Aus in Madrid bescheinigte Trainer Jens Keller ihm eine "Weltklasseleistung", nun sprach er davon, dass Fährmann "wieder eine unglaubliche Leistung abgerufen" habe.

Manager Horst Heldt würde seinen Torhüter bereits seit Wochen am liebsten in die Nationalmannschaft loben, doch der will einfach nur seinen Job machen: "Für solche Abende wie heute trainiert man jeden Tag." So viel Bescheidenheit ehrt Fährmann, der immerhin gestand, er werde in dieser Nacht "ganz bestimmt zufrieden einschlafen".

Für die Gastgeber bedeutete es nur einen kleinen Trost, mit dem torlosen Remis den zweiten Tabellenplatz vor dem ungeliebten Revierrivalen verteidigt zu haben. Und das ist immerhin die bestmögliche Position hinter dem alten und neuen Meister aus München, der ja bekanntlich seit geraumer Zeit in einer eigenen Liga antritt. Im Lager des BVB zauberte dieser Umstand den Beteiligten allenfalls ein kleines Lächeln auf die Lippen. Es überwog der Schmerz, den Sieg so leichtfertig aus der Hand gegeben zu haben.

Immerhin durfte sich der Fußball im Ruhrgebiet an diesem Abend als Sieger fühlen. Hinter den Wir-pulverisieren-jeden-Rekord-Bayern haben sich in der deutschen Vereinslandschaft zwei Mannschaften aus dem Revier als zweite und dritte Kraft etabliert. Die Dortmunder, die sich auf dieser Position mittlerweile bestens auskennen und im Derby nach langer Zeit mal wieder jene Stärken zeigten, die sie so erfolgreich gemacht haben: Leidenschaft, Laufbereitschaft und der unbedingte Wille, den Gegner zu dominieren.

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Im Windschatten lauert der ewige Rivale. Schalke darf sich mit nur einem Punkt Rückstand ebenfalls Hoffnungen auf Rang zwei machen, der in dieser Saison ja die Meisterschaft in der Nicht-Bayern-Liga bedeutet. Auch wenn der Punktgewinn am Ende glücklich war, beeindruckte es, mit wie viel Mut und Hingabe sich die Schalker der Dortmunder Übermacht entgegenstemmten.

Der Westen der Republik hat also zwei leistungsfähige Fußballmannschaften, die noch viel bewegen können. Genauso erfreulich wie diese Feststellung war das Fazit, dass die Partie der ungeliebten Rivalen in nachbarschaftlicher Harmonie verlief. Ein riesiges Polizeiaufgebot von mehr als 3000 Beamten hatte dafür gesorgt, dass es mit Ausnahme von ein paar abgefeuerten Böllern und Flaschenwürfen absolut friedlich blieb.

Zudem verbreiteten die Fans aus beiden Lagern im Stadion eine Stimmung, die Gänsehaut produzierte. "Vom Gesamtpaket war das für ein Derby herausragend gut", lobte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp: "Wenn es heute Nacht draußen weiter ruhig bleibt, pinnen wir uns das an die Wand. Genauso soll ein solches Spiel ablaufen." Allerdings mit einer kleinen Ausnahme, wie der 46-Jährige dann doch anmerkte: "Das nächste Mal bitte wieder mit ein paar Toren für Borussia Dortmund."

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