Tennis:Zverev mischt die Tennisszene auf

St. Petersburg Open ATP tennis tournament

Erster Siegerpokal auf der ATP-Tour: Alexander Zverev in Sankt Petersburg.

(Foto: dpa)

Mit dem Erfolg in Sankt Petersburg ist Alexander Zverev der jüngste deutsche Turniersieger im Tennis seit Boris Becker. Eigentlich hätte es schon sein älterer Bruder zu etwas bringen sollen.

Von Gerald Kleffmann

Als Roger Federer, die Leitinstanz im Tennis, im Sommer gefragt wurde, wie er Alexander Zverev einschätze, überlegte er nicht lange: "Er ist ein Supertalent." Gleichzeitig nahm er, der weise 35-Jährige aus der Schweiz, den jungen 19-Jährigen aus Hamburg in Schutz vor zu hohen Erwartungen. "Ich habe nie gesagt, dass er die Nummer eins der Welt wird", sagte Federer, "das wäre unfair."

Das Erstaunliche nur ist, dass der Betroffene offenbar gar keine Rücksicht auf Protektion nimmt. Er bestimmt selbst sein Tempo, mit dem er die Szene aufmischt, und dieses ist atemberaubend. Am Sonntag errang Zverev in St. Petersburg den ersten Titel auf der ATP Tour.

Um den Stellenwert der Leistung einzuordnen, reicht ein Vergleich. Zverev ist der jüngste deutsche Sieger seit 1985, als Boris Becker mit 17 im Queen's Club triumphierte. Natürlich erzählen Becker und Zverev unterschiedliche Geschichten. Doch in einer Eigenschaft ähnelt der Aufsteiger, der nun als höchstplatzierter Teenager die Nummer 24 in der Weltrangliste ist, dem sechsmaligen Grand-Slam-Champion. Wie einst Becker liebt Zverev es zu gewinnen - noch mehr hasst er es zu verlieren. Bezeichnend sind seine Jähzorn-Attacken, wenn es nicht läuft auf dem Platz.

Zverevs Durchbruch wurde lange geplant. Eigentlich sollte sein zehn Jahre älterer Bruder Mischa schon reüssieren, das war der Wunsch der russischen und tennisaffinen Eltern. Vater Alexander trat für die UdSSR im Davis Cup an, auch Mutter Irina spielte gut. Die Familie investierte Zeit und Geld, doch der in Moskau geborene Mischa schaffte es nur auf den 45. Weltranglistenplatz.

Alexander, der nach dem Umzug des Clans in Hamburg geboren wurde und den alle Sascha nennen, reiste früh mit dem Bruder mit. Als Kind lernte er die Umkleidekabinen von Wimbledon, die Stadien von Paris und Profis wie Novak Djoković kennen, der von Becker trainiert wird.

"Dieses Leben hat ihn vorbereitet", erklärte Patricio Apey, "er kennt die Bühne, er empfindet sie als natürliche Umgebung." Der Chilene, der früher Nicolas Kiefer betreute, ist Zverevs Manager, seine Agentur sitzt in London. Apey hat international viel vor mit seinem Mandanten, um den sich Sponsoren und Turnierveranstalter reißen. Zverev hat einiges bereits seinem Marktwert angepasst. Er wohnt in Monte-Carlo. Am Handgelenk trägt er eine 700 000 Euro teure Uhr, ein kleines Werbepräsent.

Für manche Attitüden hat Zverev Kritik einstecken müssen, auch dass er jüngst auf Olympia und den Davis Cup verzichtet hatte, weil er sich überspielt fühlte, kam nicht gut an in der Heimat. In St. Petersburg hat er gezeigt, dass sein Weg der richtige ist. Dank seiner harten Aufschläge - er ist 1,98 Meter groß - und seiner lehrbuchhaften beidhändigen Rückhand besiegte er im Finale den Schweizer Stan Wawrinka, der zuvor die US Open gewonnen hatte. "Ich weiß gar nicht, was gerade passiert ist", sagte Zverev. Manchmal staunt auch er über das Tempo, mit dem er die Tenniswelt erobert.

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