Streit zwischen Ballack und DFB:Die Zeit reißt Wunden

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Michael Ballack weist alle Versuche zur Versöhnung mit dem DFB und Bundestrainer Joachim Löw zurück. Der frühere Kapitän der Nationalmannschaft hat offenbar inzwischen die Auffassung gewonnen, dass er am Ende seiner Fußballerzeit niemandem mehr etwas schuldig ist - viel mehr seien "Dinge vorgefallen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind".

Philipp Selldorf

Michael Ballack hat zumindest formell alle Fragen beantwortet in der Presserunde am Dienstagabend im Trainingslager von Bayer Leverkusen im portugiesischen Lagos, dennoch hat er bei seinen Zuhörern arges Befremden hinterlassen. Sie blickten auf ein verschwommenes Durcheinander der Worte, als sie ihre Protokolle durchsahen. Manche von Ballacks Erwiderungen hören sich tatsächlich so an, als ob sie aus einem Selbstgespräch stammten.

Damals noch Kapitän: Michael Ballack 2009 im Länderspiel gegen Russland. (Foto: dpa)

Bei scharfsinniger Durchsicht kam allerdings doch die eine oder andere Mitteilung ans Fußballvolk und der eine oder andere Einblick ins Selbstverständnis zum Vorschein, zum Beispiel, als Ballack im Hinblick auf die vielen jungen Talente in Deutschland erklärte, er sei "einer der wenigen Fußballer, die nicht neidisch auf die Karriere anderer sein müssen". Eine besonders herzliche Botschaft richtete er aber auch an den DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach. In aller Kürze lässt sie sich ungefähr so übersetzen: 'Mach doch, was Du willst, aber lass' mich dabei aus dem Spiel'.

In aller Ausführlichkeit hat sich Michael Ballack natürlich etwas anders ausgedrückt. Angesprochen auf die Bemühungen Niersbachs, das gestörte Verhältnis zwischen dem ehemaligen Kapitän der Nationalmannschaft und Bundestrainer Joachim Löw zu reparieren, erwiderte er: "Es sind Themen, die sich jetzt so ein bisschen auftun. Dazu möchte ich mich eigentlich nicht äußern. Es hat sich auch nichts verändert. Seit das irgendwann mal Thema wurde Ende letzten Jahres, seitdem ist nichts mehr passiert. Sicherlich wird man in der nächsten Zeit, zeitnah, in ein paar Wochen, ein paar Monaten oder auch gar nicht, reden - darüber möchte ich mich aber jetzt nicht äußern. Das ist der aktuelle Stand. Mein Job ist jetzt Bayer Leverkusen. Da will ich all meine Kraft reinlegen. Alles andere ist geregelt." Geregelt?

Niersbach hat sich bisher nicht geäußert zu Ballacks störrischen Bemerkungen, er wird das bis auf weiteres aber auch tunlichst unterlassen, weil sein Versuch der Harmoniestiftung sonst gar keine Aussicht auf Erfolg mehr hat. Es ist ihm ja längst aufgefallen, dass seine Initiative zur Vermittlung zwischen den entfremdeten Parteien bei Ballack nicht auf Gegenliebe gestoßen ist.

Bereits am Wochenende hatte der 35-Jährige wissen lassen, dass er zwar ein paar Anrufe Niersbachs auf seinem Telefon registriert habe, dass er aber wenig Neigung verspürt habe, auf diese Anrufe zügig zu reagieren.

Stattdessen gab er dem Express ein Interview und offenbarte sein grundlegendes Desinteresse an einem Friedensschluss mit Bundestrainer Joachim Löw. "Das nützt mir nichts mehr. Klar, die Zeit heilt Wunden und dann wird man vernünftiger und macht die eine oder andere Aussage. Aber die Sache ist gelaufen, und so, wie sie gelaufen ist, war das unbefriedigend. Es ist vorbei. Ich war schon immer ein Mensch, der bittere Dinge gut verarbeitet. Trotzdem sind Dinge vorgefallen, die sind nicht mehr rückgängig zu machen. Ob man da jetzt mit einem Satz irgendwas ändert? Ich habe immer ein gutes Verhältnis zur Nationalmannschaft gehabt. Nur diese Geschichte war nicht schön. Aber die tollen Momente werde ich nicht vergessen."

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Am Freitag wird Ballack das Fest zum 60. Geburtstag von Uli Hoeneß in München besuchen. Mit Hoeneß versteht er sich gut, daran hat auch der eher freudlose Abschied aus München nach vier Jahren beim FC Bayern (2002 bis 2006) nichts geändert. Auch Löw ist eingeladen, es ist aber unwahrscheinlich, dass er auch kommt. Der Bundestrainer befindet sich auf dem präventiven Winterurlaub, den er in Turnierjahren immer zu nehmen pflegt, als Rückreisedatum hatte er den 15. Januar hinterlassen, und er ist eigentlich nicht der Gesellschaftslöwe, der für eine Party seine Ferien abbricht.

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Wahrscheinlich werden sich Ballacks und Löws Wege also nicht kreuzen bei der Feier, doch zumindest Niersbach stünde für eine Erörterung der Lage bereit. Er sollte sich bloß nicht allzu große Hoffnungen machen, dass dieser Abend der Anfang einer wunderbaren Wende ist. Ballack hat offenbar inzwischen die Auffassung gewonnen, dass er am Ende seiner Fußballerzeit, vor allem nach der unfreiwillig beendeten Karriere in der Nationalmannschaft, niemandem mehr etwas schuldig ist, selbst seinem Förderer Rudi Völler nicht.

Dessen Bemühungen, Niersbach beim Versuch der Harmoniestiftung zu unterstützen, haben Ballack überhaupt nicht beeindruckt, wie dieser am Dienstagabend erklärte: "Es gibt Personen im Umfeld, die sich natürlich ihre Meinung machen, wie Rudi Völler und Wolfgang Holzhäuser. Wenn man meine Karriere in der Nationalmannschaft sieht, wenn man sieht, was ich geleistet habe in den letzten Jahren und Jahrzehnten, dann ist es aus meiner Sicht nur selbstverständlich, dass sich der eine oder einbringt, dass ich einen würdigen Abschied finde. Das hat mit meiner Sichtweise aber nichts zu tun. Das sind persönliche Dinge von Rudi und Wolfgang Holzhäuser, das lassen wir mal so stehen."

Wie gesagt: Ballack hat bei seinen Zuhörern einiges Befremden hinterlassen. Auch Rudi Völler hat die Worte vernommen. Stur hält er seine Position, und Ballack, der Ex-Kapitän, nimmt es offenbar in Kauf, dass es ein bisschen einsam um ihn wird.

© SZ vom 12.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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