Steuer-Ermittlungen gegen Schiedsrichter:Champagner? Anzüge? Notwendige Ausgaben!

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Die Affäre weitet sich aus: Etwa 70 ehemalige und aktive Fußball-Schiedsrichter sollen wegen Steuerhinterziehung ins Visier der Fahnder geraten sein. Das wären doppelt so viele, wie bislang bekannt. Nach SZ-Informationen sollen Champagner und Ausgehanzüge als Kosten abgerechnet worden sein. Die Vorwürfe wirken sich auch auf die Transparenz-Offensive der Fifa aus.

Thomas Kistner

Im Deutschen Fußball-Bund (DFB) geht es in der neuesten Affäre drunter und drüber: Hatte Verbandschef Theo Zwanziger die Steuer-Ermittlungen gegen zunächst 21 Schiedsrichter in einer ersten Einschätzung als Petitesse abgetan, die in den Privatbereich der Referees gehöre, so empfing der DFB vergangenen Freitag 35 Schiedsrichter zum Rapport in der Frankfurter Verbandszentrale. Danach wehrte sich der zuständige Kommissionschef Herbert Fandel gegen einen "Generalverdacht" - und musste schon am nächsten Tag feststellen, dass sich die Affäre offenbar längst ausgeweitet hat.

70 Schiedsrichter sind unter Verdacht. Es geht teilweise um Beträge von über 100.000 Euro. (Foto: dpa)

Nach Berichten des Spiegel sollen die Ermittler bereits "rund 70 aktive und ehemalige DFB-Unparteiische wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung" prüfen, teilweise gehe es um verschwiegene Einkünfte von über 100.000 Euro. Und: Es müsse "von einem System ausgegangen werden", so zitiert das Magazin aus einer Notiz der Fahnder.

Es droht sogar noch schlimmer zu kommen, falls sich die bisherigen Feststellungen der Fahnder in der über Monate vorbereiteten Aktion Abseits bewahrheiten sollten. Demnach soll in der Affäre auch eine Art Netzwerk zu erkennen sein. Ein hochrangiger Funktionär des Bayerischen Fußball-Verbands soll die Schlüsselfigur im Fall von mindestens sechs der beschuldigten Referees sein.

Diesen Mann, selbst ein ehemaliger DFB-Schiri, verdächtigen die Ermittler, dass er über seine Kanzlei Steuererklärungen äußerst trickreich "mit erfundenen Kosten für Dienstfahrten, Bewirtung, Rechtsberatung oder Geschenken" manipuliert habe, um so die Steuerlast seiner pfeifenden Klientel zu mindern. Auf Anfrage des Spiegel wollte der Funktionär die Anschuldigungen "aus Gründen des Steuergeheimnisses" nicht kommentieren.

Nach SZ-Informationen soll sich der Phantasie-Reichtum mancher Referees bis hin zu Champagner-Ladungen erstreckt haben: Diese sollen als notwendige Bewirtungskosten für die Zufriedenstellung angeblicher Schiedsrichterbeobachter aufgeschrieben worden sein. Auch bei den Kosten für - vom Verband bezahlte - Ausgehanzüge sowie Spiel- und Trainingskleidung soll im großen Stil getäuscht worden sein.

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Die Ermittler überprüfen nun auch Referees, die in den letzten zehn bis zwölf Jahren international pfiffen. Teilweise sechsstellige Summen sollen vom Weltverband Fifa und dem Europaverband Uefa als Honorare auf Konten im Ausland überwiesen worden sein. Solche Zahlungen stehen zwar in Einklang mit dem Schweizer Recht, worauf die Verbände auch hinweisen, der Sachverhalt bringt sie aber trotzdem unter Druck.

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Gerade die Fifa versucht ja gerade einmal mehr, sich ein transparenteres Image zuzulegen - aktuell sogar unter der Mitwirkung der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International (TI). Nun verweist die Schweizer TI-Sektionschefin Anne Schwöbel auf eine "schwere Diskrepanz" zwischen Anspruch und Wirklichkeit: "Die Fifa erlegt sich selbst auf, alles dafür zu tun, um unethisches Verhalten zu unterbinden. Aber wie definiert sie unethisches Verhalten, wenn sie Honorare in Steueroasen bezahlt, wo die Empfänger gar nicht wohnen?"

Eine pikante neue Dimension erhält die Affäre zudem durch den Umstand, dass ein namhafter Schiedsrichterassistent aus dem Schwäbischen zum Verdächtigenkreis zählen soll, der auch der Mandantschaft des bayerischen Funktionärs und Steuerberaters zugerechnet wird. Dieser Linienrichter soll ein Schwarzgeldkonto in Liechtenstein besitzen, das er den Fahndern bei einer Razzia am 24. Oktober angeblich offenbarte.

Über diese Person könnte sich auch ein Kreis zum juristischen Dauerstreit Amerell/Kempter schließen, aus dem die jüngste Affäre erwuchs. Der frühere Schiedsrichterfunktionär Manfred Amerell wurde im Februar 2010 öffentlich von Fifa-Referee Michael Kempter der sexuellen Nötigung bezichtigt.

Amerell verlor sein Amt, wehrt sich seither aber gegen den Nötigungsvorwurf: Die Beziehung, sagt er, sei einvernehmlich gewesen. Er sieht sich als Opfer einer Verschwörung. Zumal damals neben Kempter drei weitere, bis heute anonym gehaltene Referees beim DFB gegen ihn ausgesagt und ihn ähnlicher Übergriffe bezichtigt hatten.

Für dieses anonyme Zeugen-Trio soll der schwäbische Kollege eine koordinierende Rolle ausgeübt haben, behauptete Amerell damals unter Verweis auf ihm vorliegende Dokumente. Im Mai 2010 trug er dies gar per Anwaltsschreiben bei der Fifa vor. Der betroffene Schiedsrichter-Assistent wollte sich damals auf Anfrage nicht äußern. Nun könnte auch dieser Vorgang wieder in den Fokus rücken.

© SZ vom 07.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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