Sportpolitik bei Olympia:Russlands kurioser Dank an Thomas Bach

Lesezeit: 3 min

Diese Russin trägt ihre Nation im Herzen, das steht zumindest auf der Mütze. Die Frage ist aber: Gehört Russland auf die Abschlussfeier der Spiele? (Foto: David W. Cerny/Reuters)
  • Ein russischer Spitzenfunktionär hat zu Protokoll gegeben, "ohne die Unterstützung Bachs wäre es schwer für uns geworden, an den Olympischen Spielen teilzunehmen".
  • Zudem soll Bach in Aussicht gestellt haben, die russische Suspendierung schon vor der Schlussfeier aufzuheben - entgegen der offiziellen IOC-Linie.
  • Die Vorfälle werfen erneut die Frage auf, warum Thomas Bach stets so Russland-freundlich agiert.

Von Johannes Aumüller, Pyeongchang

Thomas Bach ist viel unterwegs bei diesen Spielen, ständig schaut er sich Wettkämpfe an oder trifft sich mit Delegationen. Da klopft der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) schon mal in einem bemüht kumpelhaft wirkenden Stil dem Snowboard-Olympiasieger Shaun White auf die Schulter oder umarmt die deutschen Eiskunstlauf-Sieger. Aber zur Wochenmitte stand ein besonders interessanter Termin in Bachs Kalender: Da kam er im olympischen Dorf mit einigen jener Sportler zusammen, die in Pyeongchang unter dem Label "Olympische Athleten aus Russland" an den Start gehen.

Abgekürzt: OAR. Bachs enges Verhältnis zu Russland und der seltsam gnädige Umgang des IOC mit dem russischen Dopingsystem, darum geht es seit Monaten in der Sportpolitik. Bach stritt eine große Nähe zu Moskau stets ab, seine Handlungen in der Affäre legten stets anderes nahe: Erst tat sein IOC lange nichts. Und als es gar nicht mehr anders ging, gab es fürs Olympia-Komitee Russlands nur eine Kurzzeit-Sperre, die bei der Schlussfeier schon wieder enden kann - und es starten 168 Sportler als "Olympische Athleten aus Russland". Nun gibt es schon wieder zwei bemerkenswerte aktuelle Vorgänge zu diesem Thema.

IOC-Präsident Bach
:Als ob die Kanzlerin dem Verfassungsgericht droht

IOC-Präsident Bach will den Internationalen Sportgerichtshof umstrukturieren, weil der im Fall russischer Athleten nicht so urteilt, wie er hoffte. Er denkt, er steht über den Instanzen.

Kommentar von Thomas Kistner

Da ist zum einen eine Aussage des russischen Spitzenfunktionärs Witalij Smirnow. Der war schon zu Sowjet-Zeiten in der internationalen Sportpolitik aktiv und nebenbei Mitglied des Geheimdienstes KGB. Seit 1971 sitzt er im IOC, inzwischen als Ehrenmitglied. Zuletzt war er von der russischen Staatsspitze allen Ernstes als Vorsitzender einer Kommission zur Aufarbeitung der Doping-Causa bestimmt worden. Und nun sagte er in einem Interview mit dem Sport Express einen interessanten Satz. "Wir sollten objektiv sein: Ohne die Unterstützung Bachs wäre es schwer für uns geworden, an den Olympischen Spielen teilzunehmen", sagte er.

Bach als Freund und Helfer der Russen? Dass der deutsche Sportlenker bei der weichen IOC-Linie der vergangenen Monate die entscheidende Rolle spielte, ist ob seiner Stellung innerhalb der Ringewelt stets naheliegend gewesen. Andererseits ist der explizite Dank Smirnows an den IOC-Präsidenten doch erstaunlich. Und er verstärkt als weiteres von vielen anderen Elementen die Kernfrage, die seit dem Aufflackern des Skandals Ende 2014 im Raum steht, nämlich warum Bach immer so Russland-freundlich agiert.

Zum Thema passte dann auch eine andere Aussage, die am Donnerstag die sportpolitischen Kreise in Pyeongchang beschäftigte. Der russische Bobfahrer Maxim Andrianow berichtete, dass er bei dem Treffen mit dem IOC-Präsidenten im olympischen Dorf einen aus russischer Sicht hocherfreulichen Satz vernommen habe. Bach habe dort mitgeteilt, dass es von Seiten des IOC keine Beschwerde wegen des russischen Verhaltens gebe - und dass es dementsprechend keine Gründe gebe, die russische Suspendierung nicht schon vor der Schlussfeier aufzuheben.

Innenminister de Maizière warnt davor, den Druck auf Russland zu früh zu reduzieren

Das passte nun gar nicht zur offiziellen Linie des IOC. Demnach soll eine interne Prüfkommission das Verhalten beobachten und eine Empfehlung abgeben. Das beteuert das IOC nahezu täglich, und da kann der Präsident natürlich nicht offiziell oder beim Smalltalk im olympischen Dorf vorgreifen. Ein Sprecher sagte zur Frage, ob Andrianows Aussage wahr sei, er kommentiere keine Spekulationen oder Aussagen von irgendjemandem über angebliche Aussagen von Dritten. Bach habe sein zweites Treffen mit den russischen Athleten gehabt, denn es sei wichtig, "dass wir mit allen Sportlern in Kontakt stehen und erfahren, welche Probleme es vielleicht gibt".

Die Zulassung des suspendierten russischen Olympia-Komitees zur Schlussfeier, mitsamt der Möglichkeit, wieder die russische Hymne zu hören und die russische Fahne zu hissen, wird ein prägendes Thema bis zum Ende der nächsten Woche sein. Dass diese Option überhaupt so konkret im Raum steht, stößt bei vielen auf Kritik.

"Persönlich kann ich das nicht akzeptieren", sagte der IOC-Doyen Richard Pound dem ZDF: "Die Russen haben nichts eingeräumt, nichts anerkannt, sie haben sich aggressiv gezeigt und dauernd Beschwerde eingelegt gegen jede Entscheidung." Ihre Rehabilitierung zur Schlussfeier "wäre ein grober Fehler, das falsche Signal". Auch der deutsche Innenminister Thomas de Maizière, der sich gegenüber Bach meist sehr wohlwollend äußert, sagte, das IOC solle sich gut überlegen, ob es "den Druck auf Russland so früh reduziert".

Das IOC und seine interne Prüfkommission wiederum haben keine konkreten Kriterien für Russlands Rückkehr formuliert. Es solle den "Spirit" jener Entscheidung aus dem Dezember erfüllen, als das IOC die vorübergehende Suspendierung bekannt gab. Was auch immer das heißt. Das IOC hat sogar auf solch naheliegenden Bedingungen verzichtet wie die Anerkennung des sogenannten McLaren-Reports über das russische Dopingsystem. Witalij Smirnow bekräftigte derweil noch einmal, dass Russland das auch nicht zu tun gedenke. Die Unzulänglichkeiten des Reports seien bereits bewiesen, sagte er, und deswegen könne Russland diesen gar nicht vollständig anerkennen.

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Olympia
:Betrogen wurde immer, nur nicht so viel korrigiert

Oft heißt es, der Medaillenspiegel bei Olympia gehört abgeschafft. Dabei ist es spannend, wie kurz vor Beginn der Spiele noch immer von Ärzten und Juristen am Resultat von 2014 herumgedoktert wird.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: