Sonntagsspiele der Bundesliga:Intensiv bis zur letzten Sekunde

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Auch er war unter den Torschützen: Shinji Okazaki (mitte), früher beim VfB, jetzt Mainzer.  (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der FSV Mainz besiegt in einem unterhaltsamen Auftaktspiel den VfB Stuttgart mit 3:2. Der Ausgleich von Ibisevic und ein Anschlusstor von Harnik sind zu wenig für die Gäste. Viele Treffer fallen auch auf Schalke: Am Ende steht es in einem spektakulären Spiel gegen den HSV 3:3.

Ein Bundesligaspiel ist kein Testspiel, das ist schon länger bekannt, aber Thomas Tuchel fand, es sei eine gute Gelegenheit, das noch mal zu betonen. Der FSV Mainz 05 hatte vor dem Treffen mit dem VfB Stuttgart zum Start der Bundesliga-Saison am Sonntag erst ein Pflichtspiel absolviert, ein 2:1 im Pokal gegen den Drittligisten Fortuna Köln, weshalb Tuchel nun also sagte, Bundesliga sei "was anderes als Testspiel", und: "Wir sind alle gespannt, was passiert."

Es passierte dann nach 14 Minuten folgendes: Einen schwachen hohen Pass des wegen Achillessehenproblemen angeschlagenen (und bald danach ausgewechselten) Stuttgarters Serdar Tasci fingen die Mainzer in der eigenen Hälfte ab, der Ball kam zu Nicolai Müller, der auch davon profitierte, dass sein Gegenspieler Sakai ausrutschte; Müller sprintete los, spielte mit einer Körpertäuschung Benedikt Röcker - der den verletzten Georg Niedermeier in der Innenverteidigung vertrat - aus, und dann war Müller allein vor Stuttgarts Torhüter Ulreich, er erzielte mühelos das 1:0. Mainz hatte bis Sonntag in 14 Bundesliga-Duellen mit Stuttgart nur drei gewonnen, jetzt war da früh die Hoffnung auf eine Aufbesserung der Bilanz - doch sie hielt nur zwei Minuten. Wegen Vedad Ibisevic.

Es ist ebenfalls schon länger bekannt, dass Vedad Ibisevic Tore schießen kann, 2008/09 erzielte er in 17 Hinrunden-Einsätzen für Hoffenheim 18 Treffer. Er ist nun im zweiten Jahr beim VfB, für die Stuttgarter war die Partie gegen Mainz bereits das vierte Pflichtspiel dieser Saison, drei Treffer waren ihnen bis Sonntag gelungen, einer beim 1:1 in der Europa-League-Qualifikation gegen Plovdiv, zwei beim 2:0 im Pokal gegen den BFC Dynamo. Die Torschützen: Ibisevic, Ibisevic, Ibisevic. Jetzt, gegen Mainz, folgte Treffer Nummer vier.

Es war kein besonders schöner, Ibisevic tunnelte niemanden, umspielte niemanend, ja, er dribbelte überhaupt nicht. Er schoss genau so ein Tor, das nur Mittelstürmer schießen können, die über den sog. Torriecher verfügen: Einwurf Stuttgart, dann Flanke in den Strafraum, am kurzen Pfosten steht Ibisevic, gedeckt von der Mainzer Innenverteidigung, aber Ibisevic streckt genau im richtigen Moment sein rechtes Bein in die Flubbahn des Balles, und der Ball saust neben den kurzen Pfosten ins Netz zum 1:1.

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Ein "intensives Spiel" sei das, stellte Mainz-Manager Christian Heidel zur Halbzeitpause fest, und das war für den größten Teil der Partie eine durchaus zutreffende Einschätzung. Beide Mannschaften waren zumeist sehr aktiv, hatten die ganze Partie über mehrere klare Torchancen, und es war dann gerade Shinji Okazaki, der eine davon nutzte.

Okazaki ist erst vor ein paar Wochen von Stuttgart nach Mainz gewechselt, "er hat bei uns sehr unglücklich gespielt im letzten Jahr", sagte Stuttgarts Trainer Bruno Labbadia. Okazaki ist kein Ibisevic, sondern eher ein auf der Außenbahn laufender und rackernder Mitspieler, aber man muss kein Ibisevic sein, um Tore zu erzielen. In der 65. Minute nahm der Japaner einen langen Pass im Strafraum in der Drehung an, wartete einen Moment, dann schob er den Ball ins Tor. 2:1 für Mainz, es war Okazakis erstes Bundesliga-Tor seit Dezember vergangenen Jahres, aber es er ein wohl regelwidriges: Bei der Ballannahme stand Okazaki zentimeterknapp im Abseits, was Labbadia zur Auffassung führte, der Schiedsrichter habe "insgesamt eine unglückliche Leistung geboten". Das habe er ihm auch"ganz sachlich gesagt".

Die Stuttgarter versuchten vieles, zum Ausgleich zu kommen, Ibisevic etwa ließ sich vor der Strafraumgrenze foulen, um seinem Kollegen Konstantin Rausch die Gelegenheit zum Freistoß zu geben; Rauschs guter Versuch wurde von Mainz' Torhüter Heinz Müller pariert. Aber den nächsten Treffer erzielte dann nicht Stuttgart, sondern Mainz: In der 78. Minute war Nicolai Müller nach Vorbereitung von Eric-Maxim Choupo-Moting frei vor Ulreich, erneut hatte Stuttgarts Torwart keine Chance.

Vier Minuten später verkürzte Martin Harnik noch auf 2:3, er war nach einem Distanzschuss von Cacau knapp vor Ibisevic für den Abpraller zur Stelle, aber das änderte nichts mehr: Torwart Heinz Müller war ja ebenso glänzend aufgelegt wie sein Namenskollege im Sturm.

Ein wildes Spiel nahm am Sonntag um kurz vor halb acht ein würdiges Ende. Wie ein Meister der asiatischen Kampfkunst warf sich Benedikt Höwedes in die Luft, um den Ball per Scherenschlag ins Netz zu befördern, aber er verpasste das Ziel. Es war die letzte aufsehenerregende Aktion einer Partie, die von vielen Fehlern geprägt war, aber auch viel Spektakel hervorbrachte. Schalke 04 und der Hamburger SV gingen mit einem 3:3 und in dem Bewusstsein auseinander, dass sie beide gut bedient waren.

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Die Hamburger hatten zwar lange geführt und waren die besser sortierte Mannschaft, aber sie mussten sich in der zweiten Halbzeit dem Schalker Offensivdruck beugen und zum Schluss noch um den Minimal-Ertrag ihres guten Auftritts fürchten. 17:16 Torschüsse zählten die Buchhalter.

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"Wir hatten uns vorgenommen, in dieser Saison weniger Gegentore zu bekommen. Jetzt sind es schon wieder drei, das ist natürlich viel zu viel", monierte Schalkes Trainer Jens Keller. HSV-Kollege Thorsten Fink äußerte sich entspannter: "Wir haben ein verdientes 3:3 geholt. Jeder, der hier war, wird sagen: Das war ein geiles Spiel."

Als die Schalker Fans die Mannschaft erforschten, die Keller ins erste Heimspiel schickte, entdeckten sie nur einen der vier Zugänge - Christian Clemens auf dem linken Flügel -, aber trotzdem viel Neues. Als Linksverteidiger fungierte nun wieder Routinier Christian Fuchs anstelle des jungen Sead Kolasinac, in der Abwehrmitte tauschten Matip und Höwedes die Plätze. Was immer das Motiv für diese Veränderungen war - sie gerieten nicht zum Vorteil.

Während Fuchs wie ehedem Glanz und Elend auf einmal repräsentierte - schöne Flanken und Zuspiele in die Spitze, Einwürfe mit Düsenantrieb, aber auch Stellungsfehler und Zweikampfschwächen -, schien Matip der neue Arbeitsplatz nicht zu behagen. Er hatte ernste Orientierungsprobleme, und die Hamburger wussten damit umzugehen. Fink ließ seine Elf auf breiter Front angreifen - womöglich auch deshalb, weil er damit auf die Anfälligkeit in seiner Defensive zu antworten versuchte. Es dauerte nur zwei Minuten, bis sich das erste große Loch in der HSV-Deckung offenbarte. Eine öffnende Hereingabe von Fuchs, ein feiner Steilpass von Julian Draxler, schon war der Weg frei für Klaas-Jan Huntelaar und das 1:0.

Dieses Bonus-Tor weckte zwar Begeisterung bei den Zuschauern, beeindruckte die Hamburger aber geringfügig. Sie nahmen sich der Spielkontrolle an und hatten bald Erfolg damit. Ein unabsichtliches und trotzdem markantes Handspiel von Matip bescherte ihnen einen Elfmeter, den Rafael van der Vaart zum Ausgleich nutzte. Nun war es endgültig geschehen um Schalkes Herrlichkeit. Jones und Neustädter lieferten sich ein Fehlpassduell im Mittelfeld, Clemens und Farfán blieben auf den Flügeln ohne Anschluss, Draxler quälte sich mit einer Verletzung über den Rasen, bis er schließlich Platz für Goretzka machte.

Die Hamburger, von Tolgay Arslan effektvoll aus der Tiefe gelenkt, verschärften den Druck. Mit Erfolg. Eine Flanke des unternehmungslustigen Dennis Diekmeier landete bei Maximilian Beister, und dessen Kopfball endete zwar an der Latte, aber Torwart Timo Hildebrand beförderte den Ball unfreiwillig über die Linie, 1:2. Grund ihr Unglück zu beklagen hatten die Schalker nicht, vielmehr blieben sie vom Ärgsten verschont, als Milan Badelj wie einst HSV-Idol Uwe Seeler den Ball per Hinterkopf an die Latte beförderte.

Schalke zitterte, das Publikum zeterte, Manager Horst Heldt ärgerte sich ("Wir haben pomadig gespielt"). Aber unverhofft nahm die Halbzeit noch ein gutes Ende: Huntelaar köpfelte in der Nachspielzeit der Ausgleich, der neue Hamburger Innenverteidiger Lasse Sobiech sah ihm ehrfurchtsvoll zu.

Der ehemalige Dortmunder verlor aber keine Zeit, um den Makel in der Bilanz zu löschen. Vier Minuten nach der Pause traf der lange Verteidiger Sobiech zum 3:2 für den HSV, und wieder sah sein langer Verteidigerkollege Matip unglücklich aus. Doch die Schalker rafften sich noch mal auf, sie entwickelten nun viel mehr Schwung und Angriffsgeist. Keller wechselte den schwachen Neustädter gegen den neuen Stürmer Adam Szalai aus, was sich schon bald bezahlt machte.

Einen Kopfball des Ungarn wehrte René Adler noch artistisch ab, aber wenig später traf der Neuling zum Ausgleich - der eben noch gefeierte Adler hatte einen Clemens-Schuss vor die Füße des Schalkers fallen lassen (72.). "Wären wir schon in der ersten Halbzeit aufgetreten wie in der zweiten, dann hätten wir das Spiel gewonnen", mutmaßte Keller.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen (SZ vom 12.8.2013)

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