Schalke 04 in der Bundesliga:Schalke ist trotzig, obwohl die Null steht

Lesezeit: 4 min

Schalkes Leon Goretzka und Nabil Bentaleb sind nach dem Spiel gegen den FC Bayern enttäuscht und sauer. (Foto: dpa)

Beim Revierklub herrscht noch Optimismus, dabei ist in dieser Saison bislang nicht einmal ein Tor gelungen. Drei Zugänge machen Hoffnung.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Leon Goretzka schien von der zu seinen Ehren veranstalteten Zeremonie nicht so richtig ergriffen zu sein. Er schaute eher lustlos denn beseelt in die Kameras, als ihm der gesamte Vereinsvorstand vor dem Anpfiff der Partie gegen den FC Bayern zum Gewinn seiner olympischen Silbermedaille gratulierte. Während Christian Heidel, Peter Peters und Alexander Jobst, die führenden Funktionäre des FC Schalke 04, vorbildlich fürs Foto lächelten, hielt Goretzka ein kunstgewerbliches Präsent in den Händen, und sein Gesicht schien zu sagen: Wann ist der Quatsch endlich vorbei?

Und kein Stück besser war seine Laune, als er drei Stunden später das Stadion verließ, und wieder warf sein persönliches Befinden einen gewissen Widerspruch auf: Alle Betrachter waren sich unbedingt einig darin, dass Goretzka gegen die großmächtigen Bayern ein großmächtig starkes Spiel gemacht hatte. "Dafür kann ich mir nichts kaufen", stellte Schalkes Mittelfeldspieler grantig fest.

In Brasilien war Goretzka als Kapitän der deutschen Olympiaauswahl eingeplant, nach dem Auftaktspiel verletzte er sich jedoch an der Schulter, ein paar Tage später fuhr er heim, das Finale gegen Brasilien erlebte er am Fernseher. Es ist verständlich, dass er sich jetzt nicht für eine Medaille feiern lassen wollte, die seine Mitspieler errungen hatten. Dass er am Ende des Abends nach der 0:2-Niederlage gegen den FC Bayern kein Interesse an Komplimenten für seinen Auftritt hatte, das war mindestens genauso verständlich. "Es tut einfach richtig weh", sagte er. Ganz untröstlich war er jedoch nicht: "Vielleicht muss man sich daran hochhangeln, dass man 'ne gute Leistung gezeigt hat."

Eine Niederlage als Zeichen des Aufbruchs

Die Schalker Zuschauer in der Arena hatten diesen gedanklichen Prozess bereits vollendet. Sie benötigten nicht länger als ein paar Augenblicke dafür. Nach dem Tor von Robert Lewandowski - dem spielentscheidenden Treffer - trat ein Moment des schockierten Schweigens ein, und dann meldete sich die Fankurve zurück, extralaut und extratrotzig.

Bei der Verabschiedung der Mannschaft nach dem Abpfiff sangen die Anhänger ihre stolzeste Hymne, eigentlich ein Lied, das bei besonderen Triumphen gesungen wird. Diesmal ging Schalkes Mannschaft als Verlierer auf die Ehrenrunde und erhielt trotzdem Beifall von allen Seiten. "Der Applaus war der Lohn für gute Arbeit", sagte Christian Heidel. So viel Intensität hatte Schalke lange nicht mehr geboten.

Bundesliga
:Wie Leipzig 34 Millionen Euro einwechselt und gewinnt

Im ersten Heimspiel seiner Bundesligageschichte bezwingt RB Leipzig den BVB mit 1:0. Der Sieg ist ein Signal an die Konkurrenz, die den Aufsteiger durchaus fürchten sollte.

Von Sebastian Fischer

Der aus Mainz zugewanderte Manager soll den Aufbruch in eine neue Zeitrechnung dirigieren. Es geht dabei nicht nur um das Erreichen guter Saisonergebnisse - im Europacup war Schalke ja auch während der vorigen Zeitrechnung unter Aufsicht von Horst Heldt regelmäßig vertreten. Stattdessen geht es vor allem um einen anderen und besseren Fußball, der wieder die Leidenschaft im Publikum weckt. An diesem Abend nun konnte man meinen, dass Heidel seine Mission bereits erfüllt hätte. Mit neuem Personal und neuer Taktik leisteten die Gastgeber gegen die Bayern mehr als bloß den pflichtgemäßen Widerstand des Außenseiters.

Die Schalker lieferten dem Favoriten einen Kampf auf dessen Niveau - zumindest solange, bis das Finale des Duells anbrach. Dann spielte Carlo Ancelotti seine Trümpfe aus, die er eine Stunde lang in der Reserve versteckt hatte: Arturo Vidal, Douglas Costa, Joshua Kimmich. "Brutal, was da noch von der Bank kommt", stöhnte Goretzka später. Zumal das Münchner Trio in einer Phase ins Spiel kam, als die Gastgeber spürten, dass ihnen die Kraft schwand. "Vom Kopf her ein bisschen müde", so hat es Goretzka beschrieben, "und dann macht man halt zwei, drei Meter weniger".

Lange Zeit hatte Schalke den Eindruck erweckt, das Spiel gewinnen zu wollen. Die Sicherung der Defensive stand zwar im Vordergrund, aber die Mannschaft begann mit der Verteidigung am gegnerischen Strafraum, was die Münchner bekanntlich nicht mögen. Und weil die Schalker so hoch standen, suchten sie auch den Weg zum Tor, und sie kamen dabei ungewohnt umweglos voran.

Hierzu trugen die Neuen viel bei. Benjamin Stambouli und Nabil Bentaleb beschränkten sich in der Mittelfendzentrale nicht auf die Gegnerbekämpfung, sie versuchten auch bei jeder Möglichkeit, das Angriffsspiel zu beschleunigen. Ähnliches lässt sich auch über den aus London entliehenen Linksverteidiger Baba zu sagen. Den Dauerkarteninhabern und sonstigen Immerzuschauern boten die drei Zugewanderten mit ihren Debütvorstellungen Anlass zu kühnen Hoffnungen: Sollte es doch noch eine Lösung geben für die jahrelang beklagten Defizite im Schalker Spiel: das verschleppte Tempo, das ungenügende Flügelspiel, die schwache Außenverteidigung?

Fußball
:FC Bayern: Stark nur im letzten Drittel

Beim 2:0-Sieg auf Schalke sind beim Meister noch ungewöhnliche Turbulenzen zu erkennen. Sorgen macht sich deshalb aber niemand in München.

Von Maik Rosner

Ausnahmsweise zählt das Resultat weniger als der ideelle Ertrag

Goretzka, der durch den Einbau von Stambouli und Bentaleb eine Linie nach vorn rückte und wahlweise auf der Zehnerposition oder als zweite Sturmspitze in Erscheinung trat, wünscht sich, "dass es ein bisschen klick gemacht hat" nach diesem Abend. "Es geht darum, dass wir uns einen Spielstil aneignen", sagte Heidel.

Aufbauend auf einer strategisch abgestimmten und gemeinschaftlich betriebenen Defensivarbeit, wie sie der Trainer Markus Weinzierl bereits in Augsburg als Leitmotiv praktizieren ließ. "Es war alles ein bisschen stimmiger. Man hat gesehen, wie viel Spaß es macht, wenn man in die Zweikämpfe kommt und nicht hinterherläuft", stellte Goretzka vergleichende Betrachtungen zu den Vorjahren an.

Null Punkte, null Tore, das ist die schroffe Bilanz des Saisonstarts, nicht ermutigend für ein ambitioniertes Umbauprojekt. Über Statistisches musste man an diesem Abend jedoch nicht reden, ausnahmsweise stand das ideelle Ergebnis neben dem realen Resultat, statt meilenweit dahinter. Und im Hintergrund stand dennoch dieses Misstrauen. Taugt dieser Abend als Maßstab für den Alltag? Werden die neuen Spieler immer so motiviert sein, und werden die "alten" Spieler sich weiterhin davon anstecken lassen? War es nur der Anfang oder schon das Ende?

"Jetzt wird jeder sagen: Gegen Bayern ist das ja kein Wunder", sagte Heidel - "das müssen wir widerlegen."

© SZ vom 11.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: