Sandro Wagner beim FC Bayern:"Ich jubel gegen jeden"

Lesezeit: 3 min

Bringt auf jeden Fall genug Eigenmotivation mit: Sandro Wagner. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Beim 5:2 gegen Hoffenheim vollführt Sandro Wagner diverse Jubelposen, obwohl er gegen seinen alten Arbeitgeber trifft.
  • Aber er lernt auch einiges über das Selbstverständnis seines neuen Klubs.
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Von Claudio Catuogno, München

Es ist jetzt auch schon wieder 23 Jahre her, dass Sandro Wagner zum FC Bayern gewechselt ist: 1995 war das, Wagner kam vom FC Hertha München und war gerade mal sieben. Und wäre er im Sommer 2008 nicht nach Duisburg ab- und später weiter durch die Fußballrepublik gewandert, es hätte wohl nicht bis zu diesem Samstag gedauert, ehe er sein erstes Bundesliga-Tor für seinen Herzensklub erzielte: das 5:2 gegen die TSG Hoffenheim, in der 90. Minute. Gleich darauf baute sich der 1,94 Meter große Stürmer vor dem Bayern-Fanblock auf und vollführte diverse Jubelposen.

Dass er noch bis vor wenigen Wochen für den Gegner tätig war? Aus Wagners Sicht kein Grund für falsche Zurückhaltung. Sollen andere ruhig die Masche kultivieren, sich gegen Ex-Klubs nur verschämt über ein Tor zu freuen - "ich jubel' gegen jedes Team", sagte Wagner, "egal ob ich da ein Jahr war oder ob meine Mutter das trainiert". Andere dürften da "eine andere Einstellung haben, ich bin da sehr tolerant. Aber ich jubel' gegen jeden."

Auf der Bank bemerkte Wagner Erstaunliches

Und so hatten die Bayern schon wieder etwa gelernt über den Mann, den sie gerade erst als Back-up für Robert Lewandowski aus Hoffenheim geholt hatten und der am Samstag in der 84. Minute eingewechselt worden war. Vor allem war dieses 5:2 jedoch eine Partie, in der Sandro Wagner etwas über die Bayern gelernt hat.

Losgegangen war das Spiel ja so, dass die Münchner nach zwölf Minuten 0:2 hinten lagen. Joshua Kimmich war Serge Gnabry in die Haxen gesprungen; Gnabrys Strafstoß konnte Sven Ulreich parieren - nicht jedoch den Nachschuss des gedankenschnellen Mark Uth. Gnabry reüssierte dann kurz darauf mit einem Weitschuss. Ein Spielverlauf, der nicht nur den Verteidiger Niklas Süle, ebenfalls ein abgewanderter Hoffenheimer, ins Grübeln brachte: "Da hab ich mir gedacht, wenn das heute so weitergeht, gehen wir unter im eigenen Stadion." Wagner hingegen saß auf der Bank - und bemerkte Erstaunliches: "Ich gucke nach rechts, ich gucke nach links, und da wird keiner nervös. Das ist halt der FC Bayern. Die machen einfach weiter."

Der Trainer Jupp Heynckes hat später seinem Hoffenheimer Kollegen Julian Nagelsmann nicht nur das "Du" angeboten, sondern auch jede Menge Komplimente an ihn und sein Team verteilt. Und es hat Heynckes schon auch ins Grübeln gebracht, "dass wir anfangs nicht richtig Zugriff im Mittelfeld hatten, dass wir bei den zweiten Bällen nicht so stark waren" oder "dass wir beim Elfmeter nicht besser reagieren". Aber vor allem hat Heynckes durchblicken lassen, dass er schon deshalb ganz gelassen blieb, weil man "überragend im Training gearbeitet" habe, und natürlich wegen der "riesigen Qualität" im Kader.

Robert Lewandowski (21.) nach einem starken Dribbling von Kingsley Coman sowie Jérôme Boateng, der eine Ecke von Arjen Robben per Kopf verwertete (25.), glichen zeitig aus. Da war der schöne Matchplan der Gäste schon dahin: "Ganz billige Standardtore sollten es nicht sein, wenn du gegen Bayern was holen willst", grummelte Nagelsmann. In seinen bisherigen Spielen gegen die Münchner hatte der junge Coach zwei Siege und ein Remis geholt. Diesmal nahm er nur die Lizenz zum Jupp-Duzen mit zurück in den Kraichgau. Und Rang 18 (!) in der Rückrundentabelle.

Coman (63.), Vidal (66.) und eben Wagner (90.) stellten schließlich das 5:2 sicher. Wobei es nicht die fünf Gegentore waren, die Nagelsmann ärgerten ("klar machen wir am Ende auf"). Sondern die Tatsache, "dass einige Spieler, die bei uns als Topspieler gehandelt werden, ihr Niveau nicht auf den Platz kriegen". Damit meinte er auch den vom FC Bayern ausgeliehenen Gnabry, der mehrere Konter vertändelte.

Heynckes, 72, und Nagelsmann, 30, waren auch deshalb ein Thema, weil nie zuvor in der Liga 42 Jahre (ganz exakt: 15 415 Tage) Altersunterschied zwischen zwei Trainern lagen. Die Frage hingegen, ob Nagelsmann noch im Rennen als Heynckes-Nachfolger ist, liegt derzeit auf Eis. Die Bayern wollen ihren Jupp ja zum Bleiben überreden; die rätselhafte Aussage des Frankfurter Managers Fredi Bobic, er kenne den nächsten Bayern-Coach schon, haben sie als Hirngespinst abqualifiziert.

Wagner rutschte der Satz raus, Heynckes sei noch mal "ein anderes Kaliber" als Nagelsmann, er schob aber gleich hinterher, dass er auch "ein großer Fan vom Julian sei". Ansonsten herrschte große Ausgelassenheit. Thomas Müller erschien bei den Journalisten mit dem Satz: "Macht schnell, die Frau hat gekocht", Wagner sinnierte, mit welchen Körpergegenden er sein Tor erzielt hatte ("das beste Stück war wohl auch dabei").

Nur Robert Lewandowski machte ein ernstes Gesicht. Seine Botschaft: Der Schlendrian der ersten Minuten dürfe sich nicht wiederholen. "Wir haben in den letzten Jahren gesehen, wenn man samstags mit 80 Prozent spielt, kommt man in der Champions League nicht auf hundert Prozent", mahnte Lewandowski. Wichtigste Aufgabe sei nun, "Eigenmotivation" zu entwickeln.

Sandro Wagner wird genug Eigenmotivation mitbringen für die nächsten Wochen, das ist gewiss.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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