Real Madrid:Ronaldo fühlt sich ungerecht behandelt

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Cristiano Ronaldo: Fühlt sich in Madrid nicht gerade geliebt (Foto: AFP)
  • Trotz seiner fünf Viertelfinal-Tore fühlt sich Real-Angreifer Ronaldo vom Publikum in Madrid nicht gebührend gewürdigt.
  • Bis zu seinem ersten Tor, mit dem er das 0:1 von Robert Lewandowski ausglich, hatte Ronaldo den Anhang im Bernabéu ziemlich in Rage gebracht.
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Von Javier Cáceres, Madrid

Auf dem Weg nach Hause hätte Cristiano Ronaldo fast noch etwas Unschätzbares verloren. Eine Halskette, die, ob der preziösen Steine, die da schimmerten, um einiges teurer gewesen sein dürfte als der mit falschen Goldapplikationen besetzte 1000-Euro-Rucksack aus dem Hause Versace, den er auf dem Rücken trug. "Sie lag auf dem Boden!", rief ihm entsetzt der bärtige Mann zu, der ihm die Kette durch die Mixed Zone hinterhertrug, und Ronaldo weitete die Augen, aufrichtig erstaunt, ehe er das Schmuckstück entknotete und wieder über die Schulter legte. Dann zog er von dannen, beseelt vom Wohlgefühl einer erfüllten Mission.

Drei Tore hatte er gerade gegen den FC Bayern geschossen und damit seine Bilanz in europäischen Wettbewerben auf sagenhafte 103 Treffer geschraubt; 100 davon erzielte er in der Champions League. Dass zwei der Tore vom Mittwochabend - darunter das wegweisende 2:2 (105.) - irregulär waren, weil er im Abseits stand, was machte das schon? "Ich bin natürlich sehr glücklich über die Tore", sagte der nach einem Kurzurlaub in Marokko frischgebräunte "CR7". Es waren ja jene Tore, die ihm dazu verhalfen, wieder einmal die Verkörperung dieser unerklärlichen DNA Real Madrids zu sein, die seit Jahrzehnten zu einem Selbstvertrauen führt, das ganze Gebirgsketten versetzt.

Auch gegen den FC Bayern hatte man den Eindruck gewinnen können, dass Real in den Abgrund blickt. Doch nach dem 1:2- Rückstand drehten sie die Partie doch noch, mithilfe von Cristiano Ronaldo (und Schiedsrichter Kassai). Ob er es verdient habe, dass nun eine Straße nach ihm benannt werde, wurde Ronaldo gefragt. "Eine Straße? Niemals! Das Einzige, worum ich bitte, ist, hier nicht ausgepfiffen zu werden, denn ich gebe immer mein Bestes", sagte der Portugiese.

Andere wurden auch schon zum Teufel gewünscht

Hier - das ist das Estadio Santiago Bernabéu, wo die Älteren unter den Dauerkartenbesitzern schon Vereinslegenden wie Alfredo Di Stéfano, den ersten (dicken) Ronaldo, Raúl, Casillas oder den heutigen Coach Zinédine Zidane zum Teufel gewünscht haben. Cristiano Ronaldos Vorgängern kam freilich nie in den Sinn, sich darüber öffentlich auszuweinen, wie er es am späten Dienstagabend tat. Schon gar nicht, wenn es so wenig angebracht war, die Kritik der eigenen Fans für deplatziert zu halten. Bis zu seinem ersten Tor (76. Minute), mit dem er das 0:1 von Robert Lewandowski (53.) ausglich, hatte Cristiano Ronaldo den Anhang im Bernabéu jedenfalls ziemlich in Rage gebracht.

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Vor allem, als er in der ersten Halbzeit allein auf das Tor von Manuel Neuer zulief und seinen Sturmpartner Karim Benzema dermaßen aufreizend übersah, dass jeder der gut 80 000 Zuschauer das Gefühl haben musste, Ronaldo stelle seinen persönlichen Ruhm über den Erfolg der Mannschaft.

Der Groll, der auch bei anderen Aktionen zu vernehmen war und bei Ronaldo eine Art Seelen-Tinnitus hervorrief, war auch der Grund, dass er nach dem ersten Treffer so erkennbar zornig in die Ränge blickte, dass man sich Sorgen um die makellose Glätte seiner Stirn machen musste. Vor allem legte er aber den Zeigefinger auf die Lippen: Schön leise sein, sollte das heißen. Ob solche provozierenden Gesten und solches Flehen um Nachsicht wirklich sein müssen, wurde Trainer Zidane gefragt, und er rang nach Worten. "Ich glaube nicht, dass ihm das jemand nachträgt. Das sind Dinge, die unter der Anspannung passieren", sagte er schließlich: "Cristiano antwortet auf dem Platz. Er hat in dieser K.-o.- Runde fünf Tore geschossen. Was soll ich noch sagen?"

Zum Beispiel, auf Nachfragen, dass es "keine Kategorie gibt, um Ronaldo zu beschreiben". Oder, dass er "ein unglaublicher, großartiger Spieler ist", der "in den Schlüsselmomenten immer da ist". Bei Real hat er nun 41 Dreierpacks in der Statistik stehen. Doch auch der Gegner goss Anerkennung in Worte. "Dass ihn diese Gier, Tore zu schießen, zu einem Weltklassestürmer macht, ist ja bekannt", sagte FC-Bayern-Verteidiger Mats Hummels: "Uns ist es am Ende aber egal, wer die Tore schießt. Wenn fünf unterschiedliche Spieler fünf Tore gegen uns schießen, ist es auch nicht gut."

Es war den Bayern auch kein Trost, dass "CR7" drei seiner fünf Tore schoss, als sie wegen der Platzverweise für Javier Martinez (im Hinspiel) und Arturo Vidal (im Rückspiel) zu zehnt spielen mussten. Fakt war: Real steht zum siebten Mal in Serie im Halbfinale der Champions League. Und wähnt eine Hand am Pokal.

Denn schon dem historischen zehnten Finalsieg 2014 (gegen den nun ebenfalls wieder fürs Halbfinale qualifizierten Stadtnachbarn Atlético) ging ein Triumph gegen die Bayern voraus. Ob jetzt also der zwölfte Henkeltopf Reals in Reichweite sei, wurde Ronaldo gefragt, als sei das Finale von Cardiff am 3. Juni schon erreicht. Er gab sich unschlüssig: "Noch nicht. Oder doch? Ich hoffe es!", sagte er.

© SZ vom 20.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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