Radikaler Umbau bei 1860:"Wir wollen bis Dienstag das Geld"

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1860-Präsident Hep Monatzeder: Klare Forderung an Ismaik - doch wie reagiert der Investor? (Foto: Tobias Hase/dpa)

Neuer Geschäftsplan, Sportchef weg, Trainer wohl auch: Investor Hasan Ismaik übernimmt bei 1860 vollends das Kommando. Offen bleibt, ob der Geschäftsmann den Strategiewechsel bezahlt. Präsident Hep Monatzeder macht deutlich: Ohne Geld kein Umbau. Doch Ismaik kündigt ganz andere Dinge an.

Von Gerald Kleffmann

Am Freitagmorgen verkündete der TSV 1860, dass um 11 Uhr eine Pressekonferenz stattfinden werde. Der neue Präsident Hep Monatzeder und Löwen-Investor Hasan Ismaik würden "über ihre Gespräche vom Vortag" informieren. Es wurde 11 Uhr. 11.15 Uhr. 11.30 Uhr. Kein Ismaik. Nirgends. In der Geschäftsstelle des Fußball-Zweitligisten teilte jemand mit, man habe keine Ahnung, was sei. Dann hieß es, der jordanische Geschäftsmann mache noch einen "Business Call". Kurz darauf die dritte Info: Ismaik wolle die PR-Runde abblasen. Keine Lust mehr.

Ein Appell an Ismaik, man könne das nicht bringen, 20 Reporter bestellen und wegschicken, fruchtete, immerhin. So tauchte Ismaik um 11.43 Uhr auf, samt Bruder und Cousin. Gehetzt entstieg er einer schwarzen Limousine. Marschierte in den dritten Stock. Seine Variante der Erklärung? "Die Zeitverschiebung"; er habe noch den Abu-Dhabi-Rhythmus im Körper. Dann ging's los - und es begann eine Vorstellung, an deren Ende Ismaik sich lachend verabschiedete, während die 1860-Vertreter im Schockzustand zurückblieben. Die Pressekonferenz, man kann das nicht anders sagen: Sie lief aus dem Ruder.

Was blieb, war eine klare Botschaft: 1860 ist jetzt, da der vorherige Löwen-Präsident Dieter Schneider vom eigenen Aufsichtsrat fallen gelassen wurde, der Klub des Hasan Ismaik. Niemand anderes sagt ab sofort, wo es langgeht. Zwei Jahre nach seinem Einstieg, als er mit 18,4 Millionen Euro Sechzig vor der Pleite rettete, nach zwei Jahren, in denen sich Schneider als Wahrer der Vereinsinteressen aufrieb, verkündete Ismaik nun: "Wir wollen jetzt eine neue Phase beginnen." Eine ohne Widerstand, sollte das ganz bestimmt heißen.

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Anfangs noch hatte sich Monatzeder im besten Politikersprech bemüht, das Mediengespräch möglichst unversehrt und vor allem schnell hinter sich zu bringen. "Bitte haben Sie keine zu großen Erwartungen", sagte der frühere Aufsichtsrat direkt, "wir bitten um Verständnis, dass wir nur beschränkt Auskunft geben können." Es habe sich bei dem Treffen am Vorabend in einem Hotel um "interne Gespräche" gehandelt. Noch hatte Monatzeder eine gesunde Gesichtsfarbe. Das sollte sich ändern, als nach einigen Höflichkeitsstatements Ismaik das Wort ergriff - und dieser ziemlich unbeschränkt Auskunft gab, wenn auch mit leicht genervtem Tonfall.

Ismaik kündigte einen "neuen Geschäftsplan" an, der "in zwei Wochen" vorgestellt werden solle. Minuten zuvor noch hatte Monatzeder klar gestellt, dass weiterhin "die Grundlage unserer Gespräche der beschlossene Dreijahresplan" sei. Nun schaute der dritte Bürgermeister Münchens befremdlich. Dann folgte ein Dialog, der zeigte, wie groß auch zwischen dem neuen Präsidium und Ismaik die Kluft ist. Galt nicht Schneider als der große Blockierer? Sollte nun nicht alles besser werden? Die Kommunikation? Das Miteinander? Die Klärung von Finanzierungsmodellen?

Ismaik betonte, man werde demnächst "neue Leute, die involviert sein werden", bekannt geben. Muss etwa Florian Hinterberger gehen, der Sportchef? "Yes."

Monatzeder fuhr sanft dazwischen: "Es ist noch nichts entschieden."

Frage abermals an Ismaik: Fliegt Hinterberger? "Yes. We need a new sportchef." Monatzeder schwieg nun. Dann ging Ismaik ins Detail. Er habe einen "älteren Mann im Auge", der bald nach München komme, um "Informationen zu sammeln". Dieser "wichtige Mann in der arabischen Welt" sei Hassan Shehata, 63. Monatzeder buchstabierte laut: "S-h-a-h-a-d-a." Nein, diese zwei Parteien sind trotz aller großen Ankündigungen bisher nicht weiter zusammengerückt. Selbst einfache Absprachen klappen nicht, wie das korrekte Vortragen eines Namens.

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Die Merkwürdigkeiten setzten sich fort. Der Umbau hängt nun entscheidend von dem Urteil von Shehata ab, der tatsächlich eine Nummer in seiner Heimat ist. "Er wurde dreimal Afrikameister" mit Ägypten, wusste Ismaik stolz zu berichten. Was er nicht sagte, war, dass Shehata, der nie außerhalb Afrikas arbeitete, 2010 für Aufsehen sorgte, als er nach speziellen Kriterien als Nationaltrainer seinen Kader zusammenstellte: "Ohne gottesfürchtiges Verhalten werde ich nie einen Spieler aufstellen, unabhängig von seinem Potenzial", sagte er damals. Was das für Sechzig zu bedeuten hat? Vielleicht nichts. Aber eines ist die angebliche Partnerschaft zwischen 1860 und Ismaik sicherlich dennoch: ein Kulturkampf in der Welt des globalen Fußballs.

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Auch der Trainerposten steht wohl zur Disposition. Ismaik jedenfalls sagte wenig begeistert zum Wirken Alexander Schmidts: "Ein bisschen ist es vorangegangen, aber im Grunde ist es so wie vorher." Ob er schon einen Nachfolger im Sinn habe, einen wie den rüstigen Sven-Göran Eriksson, den er schon mal durchdrücken wollte, verriet er nicht. Dafür stellte er allgemein klar: "Wenn jemand keinen Erfolg erzielt, musst du ihn ersetzen." Und: "Redet eine Person nur schön, hilft das dem Klub nicht." Denn: "Wir arbeiten nur für 1860. Es darf nicht um Personen gehen."

Ja, das sagte Ismaik, der eineinhalb Jahre eine persönliche Kampagne gegen Dieter Schneider fuhr, bis er den Widersacher - dank der Mitwirkung des Aufsichtsrats - los war. Allmählich bekam die Aufführung am Freitag auch eine tragikomische Note.

Für Freunde der Folklore ist das Schauspiel, das unter neuer Klubführung nahtlos weitergeht, zum Lachen. Im Verein selbst ist man eher dem Weinen nahe, was erstaunlich ist: Hätte der Aufsichtsrat samt Monatzeder aufgepasst, auf welche Art sich Ismaik mit Schneider stets duellierte, hätten sie erahnen können, mit wem sie es zu tun haben: einem harten Geschäftsmann, der sich verständlicherweise um seine schlappen gut 30 Millionen Euro sorgt, die er in den TSV gepumpt hat. Und es sollen ja noch mehr werden.

Was auf der Pressekonferenz nicht zur Sprache kam, ist eine neue Abmachung zwischen 1860 und Ismaik. Der Dreijahresplan sieht drei Finanzspritzen für 1860 vor, eine floss schon von Ismaik. Nun sollen die nächsten zwei auf einen Schlag ausgezahlt und sofort investiert werden. "Wir wollen bis kommenden Dienstag das Geld auf unserem Konto haben, sonst gibt es keinen Strategiewechsel", verkündete Monatzeder nachträglich.

Das hieße konkret: "Alles bleibt wie bisher", versicherte Monatzeder - und klang wie Schneider stets. Hinterberger, der nichts groß kommentieren wollte und "wie geplant weiter den neuen Kader plant", bliebe demnach. Schmidt auch. Und die erwünschten flinken Spieler aus Afrika könnte sich Ismaik abschminken.

Im Grunde herrscht ein Patt, eine gegenseitige Erpressung sozusagen - nur ist die des Jordaniers druckvoller. Ismaik, der immer noch offen lässt, wie er seinen Großangriff finanzieren will, fordert den radikalen Umbau, sonst fließt kein Geld; bekanntermaßen hat er stets auf den letzten Drücker gezahlt. 1860 wiederum fordert das Geld - sonst gibt's keinen Umbau. Beim Pokern würde man sagen: All In - beide setzen alles auf ein Blatt, auf einen Zug.

Wie der Plot weitergeht? Am Dienstag guckt Geschäftsführer Robert Schäfer aufs Konto und sieht nach, ob ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag eingegangen ist.

Wie um den Freitag vollends ungewöhnlich zu machen, hinterließ Ismaik übrigens noch drei überraschende Botschaften. Erstens meinte er, man müsse im Klub "die Kosten reduzieren". Dann deutete er zusätzliche Investitionen an, über die Abmachung hinausgehende. Drittens antwortete er auf die Frage, ob er sein Investment bei 1860 bereue: Nein, " I am happy." Dann verabschiedete sich Ismaik. Sein Jet wartete. Das Spiel der Löwen am Sonntag (gegen Cottbus) schaut er mal wieder nicht an.

© SZ vom 06.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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