Prozessauftakt in München:Anstehen für Ulrich H.

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Vereinzelte Bayernfans, ein paar Justiz-Junkies und ziemlich viele Journalisten: Schon Stunden vor Prozessbeginn haben sich die ersten Wartenden vor dem Gericht in Stellung gebracht. Sie alle wollen bei der Verhandlung im Fall Uli Hoeneß dabei sein - aus ganz unterschiedlichen Motiven.

Von Anna Fischhaber, Justizpalast

Ganz am Ende der Schlange steht Biggy Schiller und gibt Interviews. Auf ihrem roten T-Shirt, in dem sie trotz der morgendlichen Kälte nicht zu frieren scheint, steht "Uli Hoeneß Legend", daneben prangt ein Autogramm des FC-Bayern-Präsidenten. Damals, als er unterschrieben hat, war er noch nicht angeklagt, war er noch nicht Hoeneß, der Steuerhinterzieher. Damals galt er noch als Wohltäter, als Vorbild. Für Schiller ist er das immer noch. "Er hat ein Herz für uns kleine Fans", sagt sie. "Er hat so eine soziale Ader." Nun will sie ihm im Gerichtssaal beistehen.

Montagmorgen, sieben Uhr. In wenigen Minuten öffnet der Justizpalast in der Münchner Innenstadt. Auf der Straße parkt ein Übertragungswagen hinter dem anderen, auf dem Bürgersteig stehen überall Kameras. Kabel werden verlegt, Bildschirme aufgebaut, es herrscht hektische Betriebsamkeit. Zwischen den Absperrgittern stehen die Menschen und warten. Warten, um den Prozessauftakt gegen Hoeneß mitzuerleben.

Biggy Schiller ist Fan des FC Bayern - und Fan von Uli Hoeneß. (Foto: Stephan Rumpf)

Bernd Böhm war der Erste. Schon am Sonntagmittag ist der Mann mit dem roten Schal gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder mit dem Bus in München angekommen. Ein Bayernfan ist er nicht, eher ein Prozessjunkie. Mehr als 1000 Verhandlungen habe er schon miterlebt, sagt der Rentner aus Lauterbach. "Wulff, Kachelmann, Becker", zählt er stolz auf. Und nennt noch ein paar Namen von prominenten Anwälten. Den Auftritt von Hoeneß, der sich nun wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe verantworten muss, will er auf keinen Fall verpassen.

Böhm ist es irgendwann in der Nacht zu kalt geworden, er hat ein paar Stunden in einer Bank auf dem Boden geschlafen. Um vier Uhr ist er wieder aufgestanden, um zu sehen, was vor dem Justizpalast los ist. Doch nach wie vor sitzt um diese Uhrzeit nur eine junge Frau vor den Absperrgittern und wartet auf ihre Ablöse. Mit einer roten Decke schützt sie sich gegen die nächtliche Kälte. Sie hat einen Hocker mitgebracht, neben ihr steht eine Thermoskanne mit Tee, doch nach fast sieben Stunden Warten ist die längst leer.

27 Sekunden für 49 Plätze

Die Polizei hat es besser, immerhin hat ihr Auto eine Sitzheizung. Zwei Beamte beobachten in dieser Nacht vor dem Prozessstart den Justizpalast. Runde um Runde sind sie um das Gebäude gefahren, doch bis auf die viele Wagen der Fernsehteams und die junge Frau war nichts zu sehen. Voll wird es erst zwei Stunden später werden. Verwunderlich, denn nur 100 Plätze für Zuschauer und Presse gibt es im Verhandlungssaal. Die 49 Sitze für Journalisten waren nach 27 Sekunden weg.

In Wartestellung: Medienvertreter vor dem Landgericht München II. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Frau mit der roten Decke erzählt nun, sie sitze hier für den Stern-Reporter Johannes Röhrig, der die Selbstanzeige für Hoeneß ins Rollen gebracht haben könnte. Die Schweizer Vontobel-Bank hatte Hoeneß im Januar 2013 mehrmals darüber informiert, ein Stern-Reporter habe Fragen nach einer deutschen "Sportgröße" gestellt. Kurz darauf fertigte der Bayernpräsident seine Selbstanzeige an. Das Gericht in München muss nun auch entscheiden, ob die Tat durch den Stern bereits entdeckt und die Selbstanzeige damit unwirksam war. Röhrig war am Sonntagabend in der Talkshow von Günther Jauch in Berlin zu Gast, nun sei er auf dem Weg nach München, erzählt die Frau mit der roten Decke.

Wohltäter oder raffgieriger Schurke?

Um zehn Uhr abends habe sie vor dem Justizpalast einen Bayernfan aus Magdeburg getroffen. Der hatte behauptet, er sei mit mehr als 50 Freunden aus Magdeburg angereist. Hoeneß habe seinem Verein einmal 5000 Euro für zwei neue Tore geschenkt. Nun wolle man ihn vor Gericht unterstützen. Aus Solidarität. Noch so eine Fangeschichte. Es gibt viele solche Geschichten über den Wurstfabrikanten, der immer wieder an Hospize, an Gewaltopfer, an den Fußballnachwuchs spendete. Und nun soll er ein raffgieriger Schurke sein, der um jeden Preis gewinnen wollte? Fest steht: Der Fall Hoeneß hat die Republik gepalten.

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"Hoeneß in den Knast", skandierten bei Auswärtsspielen die Fans anderer Mannschaften. Der FC Bayern dagegen steht hinter seinem angeklagten Präsidenten, der aus dem Club machte, was er heute ist. Bei einer Aufsichtsratssitzung im November hatten mehr als 3000 Mitglieder Hoeneß minutenlang Beifall gespendet. Das geheime Konto in der Schweiz? Die wilden Geschäfte? Nicht der Rede wert.

Doch darum wird es nun vor Gericht gehen. Allerdings könnte es diesmal ein einsamer Auftritt werden für Hoeneß auf der Anklagebank. Zumindest ist vor dem Justizpalast außer Biggy Schiller zunächst noch kein Bayernfan zu sehen. Die Magdeburger sind nicht aufgetaucht, und so stehen zwischen Bernd Böhm und Biggy Schiller vor allem Journalisten. Und eine ältere Dame in roter Jacke. Doch noch ein Bayern-Fan? Sie wolle wissen, wie so ein Prozess abläuft, sagt die Frau. Und ob Hoeneß wirklich einen Promibonus hat. Und der FC Bayern? Sie zuckt mit den Achseln. "Der ist mir wurscht."

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