Premier League:Guardiola flüchtet sich in Sarkasmus

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  • Manchester City verliert trotz 2:0-Führung noch 2:3 gegen ManUnited und verpasst damit die vorzeitige Meisterschaft in England.
  • Trainer Guardiola ist schon vorher stark gereizt.
  • Ihn nerven das drohende Aus in der Champions League - und ein Spielerberater.

Von Johannes Kirchmeier

Nicht viele Fußballspieler kennen Pep Guardiola so gut wie der spanische Mittelfeldspieler Thiago Alcantara vom FC Bayern München. Thiago fing beim FC Barcelona unter Guardiola im Profifußball an, später machte er den Schritt aus Barcelonas zweiter Mannschaft in die erste - natürlich unter dem Trainer Pep Guardiola. Und als der in München beim FC Bayern als Trainer wirkte, dauerte es 2012 nur wenige Wochen, bis Guardiola den vielleicht bis heute nachhaltigsten, weil am Ende doch in drei Jahren verständlichsten deutschen Satz formulierte: "Thiago oder nix." Bald darauf war Thiago ein Spieler des FC Bayern. Er ist es bis heute, was auch für Guardiolas Fußballverständnis spricht, allerdings natürlich nicht mehr unter Guardiola.

Der katalanische Autor Martí Perarnau, der Guardiola drei Jahre lang in München begleitete und darüber zwei Bücher verfasste, bat diesen Thiago, seinen Trainer einzuschätzen. Thiago antwortete: "Pep wird nie zufrieden sein. Er kann nicht genießen. Er wird den Fußball nie genießen, weil er immer auf der Suche nach etwas ist, das nicht geklappt hat und das er korrigieren kann. Pep ist nie glücklich, weil er ein Perfektionist ist."

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Auch am Samstagabend fuchtelte Guardiola enttäuscht an der Seitenlinie herum, strich sich über seine Haarstoppeln und vergrub sein Gesicht dann zwischen den Ellenbogen, als Angreifer Raheem Sterling kurz vor Schluss noch den Pfosten traf. Im Derby gegen Manchester United verlor der Trainer mit City trotz einer 2:0-Führung zur Halbzeit nach Treffern von Vincent Kompany und Ilkay Gündogan noch 2:3. Ein Sieg hätte den frühesten Titelgewinn überhaupt in der Geschichte Premier League bedeutet, nun kann City nur noch Uniteds Rekord aus der Saison 2000/01 einstellen (fünf Spiele vor Schluss).

Klopp lässt Fehler zu - und besiegt so den Perfektionisten

So oder so, dem Perfektionisten Guardiola wird aber auch dieser Rekord im altehrwürdigen englischen Fußball egal sein, wie all die Rekorde, die er auch im mittelalten deutschen Fußball aufgestellt hat (unter anderem erste März-Meisterschaft am 27. Spieltag 2013/14, die wenigsten Gegentore in einer Saison oder die höchste Punkteausbeute). Denn über allem schwebte am Samstag ein anderes Spiel, das Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Liverpool, inmitten dessen eben die britischen Spielplaner recht unglücklich dieses Derby geschnibbelt hatten. 0:3 verlor City ja am Mittwoch an der Anfield Road.

"Ich verstehe, dass die Leute über das United-Spiel sprechen. Aber wir müssen uns auf die Champions League fokussieren", sagte Guardiola schon vor der Partie. Vor wichtigen Spielen schließt sich Guardiola im Normalfall mehrere Tage in sein Büro ein und verlässt das Trainingsgelände allerhöchstens zum Schlafen. Und dann verliert er 0:3? Und schon wieder gegen diesen Jürgen Klopp?

Der an der Seitenlinie deutlich emotionaler herumtollt als der Gentleman Guardiola - und auch so Fußball spielen lässt: mit weniger Plan, aber mit mehr Elan, vielleicht auch menschlicher, Fehler sind bei Klopp erlaubt. Der rote Sturm, der am Mittwoch die Passmaschine City überwand, erlaubte sich ja doch den einen oder anderen Schnitzer im Spielaufbau - und gewann trotzdem völlig überlegen. Siebenmal siegte Klopp damit gegen den Katalanen, so oft wie kein anderer Trainer.

In diesen Situationen merkt man dem Perfektionisten an, wie nahe ihm der Misserfolg geht. "Ob ich glaube, dass es funktioniert hat?", knurrte Guardiola genervt und schob hinterher. "Wir haben 3:0 verloren." Es geht ja nicht nur darum, dass dieser Verein einmal unter Beweis stellt, dass Geld Champions-League-Titel holen kann. Vor der Saison investierte City erneut rund 315 Millionen Euro - und das ist nur die Spitze der Ausgaben aus den vergangenen Jahren. Sondern auch Guardiola selbst steht unter Druck: Er muss noch endgültig zeigen, dass er außerhalb Barcelonas Europas größten Titel gewinnen kann, vor allem dem Perfektionisten in sich selbst.

In München, wo er auch bereits frühe Meisterschaften feierte, unterlag er in den entscheidenden Wochen in Europa dreimal alten Bekannten aus Spanien. Der Wunsch nach dem "Triple oder nix" platzte Jahr für Jahr. Und nun stoppt ihn in dieser Saisonphase möglicherweise ein in der heimischen Liga 17 Punkte abgeschlagener Verein. Guardiola müsse "sich hinterfragen, ob es in der Trainingssteuerung so läuft, wie es sein sollte", stichelte Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann bei Sky schon vor dem 2:3 im Derby am Samstag.

Guardiola muss zudem gerade noch ein anderes Problem neben den Spielfeldern Englands moderieren: Der berühmt berüchtigte Spielervermittler Mino Raiola bezeichnete ihn in diesen Tagen der Niederlagen als "Feigling" und "Hund". Unterstellungen, die Guardiola nun mit Sarkasmus retournierte. "Endlich haben die Leute meine Geheimnisse herausgefunden. Ich bin ein schlechter Mensch. Ich bin ein Feigling."

Dann sprach er allerdings auch darüber, dass eben jener Raiola ihm im Winter angeblich die Man-United-Spieler Henrich Mchitarjan und Paul Pogba, der am Samstag zweimal traf, angeboten habe: "Ich habe Nein gesagt", sagte Guardiola. "Wir haben nicht genug Geld, um Pogba zu holen. Er ist sehr teuer." Er legte nach: "Und es überrascht mich, weil ich ein Hund bin und er will, dass seine Spieler hierher kommen. Der Vergleich mit einem Hund ist schlecht. Er muss den Hund respektieren."

Gleich nach der Partie am Samstagabend klatschte der Katalane überraschend heftig mit United-Coach Jose Mourinho ab, einst als Trainer von Real Madrid ja eher Guardiolas Intimfeind. Dann marschierte er vom Feld. Er wirkte überhaupt nicht so unzufrieden, wie man es vielleicht vermuten mag, weil er ja weiß: Erstmals in seiner Karriere englischer Meister wird er sowieso in den nächsten Wochen.

Und für das Liverpool-Spiel hinterließ er noch eine Botschaft: "Es sind noch 90 Minuten zu spielen. Ich glaube an meine Mannschaft." In der Hinrunde besiegte sein Team Klopps Mannschaft einmal 5:0. Auch wenn es utopisch anmuten mag: Das Ergebnis würde am Dienstag zum Weiterkommen reichen. Perfektionisten geben nicht auf.

© SZ vom 08.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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