Olympia:Letzte Hoffnung: Marco Koch

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Rettet er die Schwimmer-Ehre? Marco Koch. (Foto: Getty Images)

Die Kollegen weinen, nun soll Marco Koch die deutschen Schwimmer vor dem Fiasko bewahren. Über 200 Meter Brust muss er sich an den Weltrekord heranwagen.

Von Saskia Aleythe, Rio de Janeiro

Das Pinguinbecken gehört zu den schönsten Orten im Zoo. An den Scheiben kleben die Nasen der Kinder, wenn sie die Tiere beobachten, wie sie tauchen, gleiten und sich lange mit nur einem Flügelschlag durchs Wasser bewegen. Das Aquatics Stadion in Rio de Janeiro hat auch ein Becken, nur ohne Verglasung: Wenn Marco Koch taucht, gleitet und sich lange nur mit einem Armzug durchs Wasser bewegt, dann sieht das ganz ähnlich aus.

Sein Trainer Alexander Kreisel hat kürzlich den schönen Vergleich gebracht: "Er hat ein Art Pinguinform, sehr weiche Haut, sehr außergewöhnlich, kein Schwabbel." Am Dienstagabend bestreitet Marco Koch das olympische Finale über 200 Meter Brust, er ist der Weltmeister und mit der zweitschnellsten Zeit des Jahres nach Rio gekommen.

Was er da so treiben wird, ist nicht ganz unwichtig für die deutschen Schwimmer: Holt auch er keine Medaille, fällt die Olympia-Bilanz vielleicht so schlimm aus wie in London 2012.

Bloß nicht wie in London

Ja, er muss jetzt kommen, dieser Vergleich mit 2012, den eigentlich niemand mehr hören kann im deutschen Schwimmen. Denn am Dienstagabend erkannte man den deutschen Athleten unter all den Schwimmern anderer Nationen vor allem daran: Er weinte, er krümmte sich, er musste getröstet werden. Wie damals in London, bei den Spielen ohne Schwimmer-Medaille, mit der schlechtesten deutschen Bilanz seit 80 Jahren.

Schmetterlings-Schwimmerin Franziska Hentke musste nach ihrem Halbfinale in Rio gestützt werden, sie schluchzte in ihr weißes Handtuch und konnte vor Enttäuschung kaum noch laufen. Wie Koch war sie als Zweite der Welt angereist, sie ist Europameisterin über 200 Meter Schmetterling, war bereit für große Dinge.

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Doch dann im Halbfinale: Zweieinhalb Sekunden hinter ihrer Bestzeit, Platz elf, das war's. "Ich war eigentlich in Topform. Ich kann einfach nicht sagen, warum ich es nicht ins Wasser bringe", sagte sie. Die Ratlosigkeit machte sie vermutlich am traurigsten

Und dann war da natürlich noch Paul Biedermann, der über 200 Meter Freistil den sechsten Platz erreichte und danach mit der 4 x 200-Meter-Staffel sein wirklich allerletztes Rennen bestritt. Auch das machte ihn nicht mehr zum Medaillengewinner, am Ende reichte es ebenfalls nur zu Rang sechs. Diese Staffel sollte ein Prestigeprojekt sein, immer wieder trainierten Biedermann, Clemens Rapp, Christoph Fildebrandt und Florian Vogel zusammen, nun zeigte nur Rapp eine anständige Leistung. "Wir haben Paul im Abschiedsrennen leider nicht mehr schenken können", sagte Florian Vogel mit geröteten Augen. Ees fiel ihm schwer, er musste sich zusammenreißen, um nicht ins Schluchzen auszubrechen: "Das schmerzt."

Das Schuldbewusstsein war groß bei Vogel, er hatte die zweitschlechteste Zeit abgeliefert, umso mehr ehrte er Biedermann: "Er war der größte Schwimmer in Deutschland, den es jemals gegeben hat. Er ist mein Freund und mein Vorbild, da hätte ich ihm gerne mehr gegeben." Dann kam Fildebrandt, genauso am Boden und mit Tränen in den Augen, er war der Langsamste gewesen.

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"Wir untersuchen den Fall", teilt das Organisationskomitee mit. Gefahr für die Athleten bestehe aber keine.

"Heute war megaenttäuschend", sagte Bundestrainer Henning Lambertz, "einziger Lichtblick ist, dass Marco ins Finale gekommen ist." Hentke, Biedermann und Koch, auf diese Drei stützten sich die Medaillenhoffnungen vor diesen Olympischen Spielen, nun ist nur noch Koch übrig. Doch souverän hat er sein Halbfinale nicht gerade bestritten, er schwamm nur die siebtbeste Zeit, acht schaffen es ins Finale. "Schneller als heute morgen und weiter, was will man mehr", sagte Koch dennoch, "alles andere ist erstmal egal."

Mit Weltrekord zum Olympiasieg?

Verunsichern lassen wollte er sich nicht, er hat einen Plan: "Ich bleibe dabei, man muss Weltrekord schwimmen, um zu gewinnen. Mal gucken, ob ich noch was draufpacken kann." Gemessen an seiner Bestzeit von 2:07,47 Minuten fehlen ihm dafür nur 0,47 Sekunden. Gemessen an seiner Zeit im Halbfinale von 2:08,12 Minuten schon 1,12.

Marco Koch hat 2012 in London erlebt, wie sich die schlechte Stimmung im Team auf ihn übertragen hat, er ist damals schon im Halbfinale gescheitert. Danach gab es 54 Chicken Wings zur Frustbewältigung. Koch hat einiges anders gemacht danach, seine Ernährung umgestellt und er geht ohnehin seine eigenen Wege zu Hause im Darmstadt, wo er neben Hobbysportlern trainiert. Das Problem ist nur: Die meisten Pinguine sind Herdentiere. Und die Herde ist gerade wirklich nicht gut drauf.

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