Schwimmen:Phelps erzwingt Zeichen der Unterwerfung

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Michael Phelps gewinnt mit der Staffel und über 200 Meter Schmetterling die Goldmedaille. Ein Rivale treibt ihn zur Höchstleistung - so entsteht einer der legendärsten Momente dieser Spiele.

Von Jürgen Schmieder

Nach dem Rennen saß Michael Phelps auf diesem Seil mit den gelben Minibojen, das im Schwimmbecken die Bahnen voneinander trennt. Das Kinn hatte er nach vorne geschoben, die Augen aufs Publikum gerichtet, die Arme nach oben gestreckt. Es war weniger eine Jubelgeste als vielmehr eine Aufforderung an die Zuschauer, ihm doch bitteschön noch ein bisschen lauter zuzujubeln. Ihm, der gerade dieses Rennen über 200 Meter Schmetterling und damit seine 20. Goldmedaille bei Olympischen Spielen gewonnen hatte.

Da saß er also, und nacheinander kamen alle vorbeigeschwommen, die Phelps gerade besiegt hatte: Tamás Kenderesi (Ungarn), der Bronze geschafft hatte. Silbergewinner Masato Sakai (Japan). Lázló Cseh (Ungarn). Auch Chad le Clos (Südafrika). Diese Gratulationen waren jedoch weniger ein freundliches Abklatschen unter Kollegen oder Kontrahenten. Es sah vielmehr so aus wie bei der Show im Tierpark, wenn die Seehunde dem Trainer ihre Flosse als Zeichen der Unterwerfung präsentieren.

Phelps ist der erfolgreichste Olympia-Teilnehmer der Geschichte, das war bereits vor diesem Rennen bekannt gewesen - später gewann er noch eine Goldmedaille (seine 21.) mit der amerikanischen 4x200-Meter-Freistil-Staffel. Dieses Finale, es war jedoch das bedeutsamste Rennen für Phelps bei diesen Spielen, weil er doch vor allem wegen dieser Niederlage gegen le Clos bei den Olympischen Spielen 2012 in London zurückgekommen war und unbedingt seine dritte Goldmedaille gewinnen wollte. Zum anderen war dieses Rennen zum spektakulärsten und spannendsten dieser Spiele (ja, noch vor dem 100-Meter-Lauf der Männer in der Leichtathletik) ausgerufen worden. Wegen Phelps natürlich, aber auch wegen seiner starken Rivalen le Clos, Cseh und Sakai.

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Rivalität zwischen Phelps und le Clos macht das Duell legendär

Zum Hype gehörte freilich auch dieses Zehn-Sekunden-Video, das Phelps und le Clos vor dem Halbfinale produziert hatten. Der Südafrikaner hampelte im Warteraum direkt vor Phelps herum, es war eine Mischung aus Schattenboxen und Tanzbewegungen bei der Love Parade. Phelps war davon so angetan wie von einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt oder Tanzbewegungen bei der Love Parade, er blickte mit über den Kopf gezogener Kapuze derart wütend, dass es ein Wunder war, dass le Clos nicht auf der Stelle zu Staub zerfiel. Natürlich ist das hundsgemein, zwei Rivalen vor einem Rennen in so einen Warteraum zu stecken - es sorgt aber eben auch für solche grandiose Bilder wie jene von Phelps und le Clos.

Das Spannende an Rivalitäten ist, dass die Kontrahenten meist nicht persönliche Abneigung antreibt. Die entsteht eher nebenbei, weil es nun mal schwer ist, den zu mögen, der einen besiegen will. Da treiben sich zwei Sportler gegenseitig an eine Grenze, die sie ohneeinander wohl nicht erreicht hätten. Unvergesslich wird ein Sportereignis nicht dadurch, wenn der eine den anderen vom Platz prügelt oder wenn er allen anderen davonschwimmt. Es wird legendär, wenn es ein Duell zwischen zwei ebenbürtigen Rivalen gibt. So ein Duell kann groß werden, manchmal größer als das Leben selbst. 1968 gab es den Slalom zwischen Karl Schranz und Jean-Claude Killy, 1988 den 100-Meter-Lauf zwischen Carl Lewis und Ben Johnson, acht Jahre später das Schwimmduell zwischen Alexander Popow und Gary Hall.

Es ist der Respekt voreinander, der Sportler antreibt. Das Wissen, dass der andere keinesfalls schwächer oder langsamer sein wird. Damit der eine schneller schwimmen kann als jemals ein Mensch zuvor, muss er sich darauf verlassen können, dass der andere ebenfalls schneller schwimmen wird als jemals ein Mensch zuvor.

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