Olympia:Für Brandt soll Olympia der nächste Höhepunkt seiner Vita werden

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Nachdem Julian Brandt die EM in Frankreich noch knapp verpasste, fährt er nun auf jeden Fall mit nach Rio. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der Leverkusener ist einer der wenigen Fußballer, die Horst Hrubesch auf jeden Fall mit nach Rio nimmt. Für die Nominierung des restlichen Kaders lässt sich der Teamchef länger Zeit.

Die Botschaft kam am Donnerstag, kurz nach 18 Uhr: Horst Hrubesch, der Trainer der deutschen Olympia-Fußballer, verschiebt seine Nominierung überraschend um einen Tag. An diesem Freitag, um 12 Uhr, will er jetzt in Frankfurt den Kader bekanntgeben, nach einer Nachtschicht am großen Rio-Puzzle. Nur geht es nicht darum, ein Bild von Copacabana und Zuckerhut aus 1000 Teilen zu basteln, nein, das Hrubesch-Bild besteht aus gerade einmal 18 Teilen, aber das macht die Sache nicht leichter, im Gegenteil.

Zu den wenigen, die gesetzt sind, die erklärt haben, dass sie zu Olympia wollen, und die der Verein auch frei gibt, zählt Julian Brandt. Gemeinsam mit seinem Klub-Kollegen Lars Bender bildet er das Kontingent von Bayer Leverkusen. Jeder Bundesligist sollte maximal auf zwei Spieler verzichten, in der Saison-Vorbereitung wohlgemerkt: Die Bundesliga startet erst am Wochenende 26. bis 28. August, also eine Woche, nachdem in Rio die olympische Flamme erloschen ist. Doch eine Abstellpflicht besteht nicht. Jeder Klub beäugt nun offenbar den anderen, exemplarisch kamen kritische Töne zuletzt vom Bundesliga-Aufsteiger RB Leipzig, bei dem Davie Selke und Lukas Klostermann als Rio-Fahrer in Frage kommen. "Wir stellen ab, wenn alle Vereine abstellen. Wenn das nicht der Fall ist, werden wir das auch nicht tun", sagte Sportdirektor Ralf Rangnick.

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Offen war beispielsweise, ob Niklas Stark und Mitchell Weiser nach Rio fahren dürfen, obwohl Hertha BSC zeitgleich in der Qualifikation zur Europa League antreten muss. Borussia Mönchengladbach hatte bereits vor Wochen erklärt, wegen der Champions-League-Qualifikation seinem Mittelfeldspieler Mahmoud Dahoud keine Freigabe zu erteilen. Und Klubs wie Schalke (Johannes Geis, Max Meyer, Leon Goretzka) waren gleich mit mehreren Kandidaten im Rennen. "Ich möchte die beste Lösung für den DFB erreichen und unsere Entscheidung eng mit den Spielern und Vereinen abstimmen", erklärte DFB-Sportdirektor Hansi Flick, der gemeinsam mit Hrubesch am Puzzle-Tisch saß. Und da der DFB seine Olympia-Mannschaft komplett verkünden will, wurde auch die Bekanntgabe des Frauen-Kaders auf diesen Freitag verschoben. Beide Mannschaften zählen zum Kreis der Medaillen-Kandidaten; das Männer-Team ist erstmals seit dem Olympia-Bronzegewinn von 1988 in Seoul wieder bei Sommerspielen dabei. In Brasilien trifft Hrubeschs 18-Teile-Puzzle in der Vorrunde auf Olympiasieger Mexiko, Südkorea und Fidschi.

Einer der Hauptdarsteller dürfte dort Julian Brandt sein, der sich zugleich für künftige Aufgaben im A-Team von Joachim Löw warmspielen soll. Vor der EM hatte der Bundestrainer den Leverkusener erst im letzten Moment mit vielerlei Komplimenten aus seinem Aufgebot gestrichen, nachdem Brandt im Trainingslager in Ascona im Tessin noch dabei gewesen war.

Trotzdem war das Vorspielen beim A-Team der erste Höhepunkt einer interessanten Vita. Denn Brandt, ein Spieler von hoher Begabung, war im Begriff, ein unauffälliges Talent unter vielen zu werden. Als Bayer ihn im Alter von 17 Jahren vom VfL Wolfsburg übernahm, galt er als großes Versprechen seiner Generation, und wenn es heißt, dass die halbe Bundesliga ihn haben wollte, dann ist das untertrieben. Bayer schaffte es, ihn zu überzeugen, und wurde schnell glücklich mit Brandt, der unabhängig von seinem jugendlichen Alter hohe Wirkung in sein technisch anspruchsvolles Spiel zu zaubern verstand.

Dennoch dauerte es eine Weile, ehe er sich durchsetzen konnte. Ein formidabler Saison-Endspurt brachte ihn dann zunächst zu Löw - und jetzt in Hrubeschs Rio-Puzzle. Denn sechs seiner neun Saisontore erzielte Brandt an den Bundesliga-Spieltagen 27 bis 32, jeweils eins pro Match, eine Handvoll Torvorlagen steuerte er zudem bei. Neben diesen Merkmalen der Effektivität fiel er durch kühle Spielintelligenz auf und, was kein Widerspruch ist, durch seinen Kampfgeist. Zu 68 Erstliga-Spielen haben ihm diese Charakter-Merkmale bereits verholfen, mit 15 Erstliga-Toren ist seine Quote ausbaufähig, aber immer noch höchst vielversprechend.

Es war klar, dass Brandt in diesem Sommer noch etwas anderes erleben würde außer Ferien und Saisonvorbereitung mit der Klubmannschaft. "Liebend gern" wäre er zur EM gefahren, hatte Brandt gesagt, aber er sehe "Olympia nicht als Trostpreis, weil es ein unfassbar geiler Wettbewerb ist" - weswegen er sich von Anfang an in einer "Win-win-Situation" wähnte. Ein Gewinner ist auch Horst Hrubesch.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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