Olympia:Fabian Hambüchen turnt in den Olymp

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Er hat endlich Gold: Fabian Hambüchen. (Foto: Getty Images)

So oft verpasste er Gold, nun hat er es: Fabian Hambüchen ist neuer Olympiasieger am Reck. Zum Abschluss seiner Karriere zeigt er die fast perfekte Übung.

Von Volker Kreisl, Rio de Janeiro

Warten war das Leitmotiv dieses Nachmittags. Eine gute halbe Stunde lang warten, unten am Ende der Athletenbank. Fabian Hambüchen stand dort, erst sehr nervös, dann ruhiger, am Schluss noch einmal sehr nervös, dann fasste er sich an den Hinterkopf, weil er ahnte, dass es klappen würde. Die Note des Amerikaners Danell Leyva erschien, des achten Reck-Turners, danach kam keiner mehr - und Olympia-Gold konnte Hambüchen, der als Erster dran gewesen war, nun niemand mehr nehmen.

Es war das letzte Finale der Turn-Wettkämpfe, es wurde zu einem Rührstück, zu einem perfekten Ende nach einer langen Turn-Karriere. Hambüchen, heute 28 Jahre alt, hatte in Peking 2008 auf dem Höhepunkt seiner körperlichen Belastbarkeit die weltbeste Übung verpatzt und doch noch Bronze geholt; in London 2012 war er mit einer perfekt geturnten Übung nur an seinem Turnkumpel Epke Zonderland aus Holland gescheitert und fuhr mit Silber nach Hause.

Stets brachte er damals zum Ausdruck, dass Bronze und Silber doch auch schön seien, aber diese letzte Farbe, die der lange Zeit beste Reckturner der Welt so oft verpasste, blieb sein Ziel. Wegen des sogenannten kompletten Medaillensatzes am Reck mühte er sich noch einmal vier Jahre lang durchs Training und in einen letzten großen Auftritt.

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:"Hey Alter, das Ding musst Du kaufen"

Nach dem Olympiasieg im Kaufrausch: Fabian Hambüchen möchte das Reck mit nach Hause nehmen, an dem er Gold gewonnen hat. Das deutsche Haus will er abreißen.

Schluss mit Pech

Schon zu Beginn dieses letzten Finaltages hatte sich die Serie der rührenden Entscheidungen dieser Medaillenwoche fortgesetzt. Hauptfigur vor dem Reckfinale waren der Ukrainer Oleg Wernjajew und natürlich wieder Simone Biles aus den USA. Eine knappe Woche zuvor war Wernjajew am Versuch gescheitert, den japanischen Dauer-Mehrkampfsieger Kohei Uchimura zu bezwingen. Um die Winzigkeit von 0,09 Punkten hatte er dieses Vierjahresprojekt am Ende verfehlt. Und weil er im Pauschenpferd-Finale abgestiegen war, schien vom Ukrainer nur eine versteinerte Miene als Markenzeichen zurückzubleiben.

Am Dienstag war Schluss mit Pech, Wernjajew holte Gold am Barren. So souverän wie er turnte später auch Simone Biles, die ihre vierte Goldmedaille beim Sprung holte, genauso sicher und geradezu lässig wie schon die gesamte Woche über. Sogar als sie den scheinbar sicheren ersten Platz am Schwebebalken mit einem Fast-Sturz verpatzt hatte, grinste sie wenig später wieder und steckte der Stadionkamera zwischendurch die Zunge raus.

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:So fliegt Hambüchen zu Gold

Er fliegt wunderschön durch die Luft, packt die Stange sicher - und muss doch bis zum Ende zittern: Fabian Hambüchens Gold-Übung am Reck in Bildern.

Hambüchen würde dies nicht machen, schon gar nicht jetzt. Der erste Startplatz könne Fluch und Segen sein, hatte er gesagt. Er wäre ja noch frisch aufgewärmt, wenn er ans Reck gehe, andererseits waren da die Kampfrichter, die dem Ersten gerne mal geringere Noten geben, um für später noch Spielraum nach oben zu behalten.

Letztlich nahm Hambüchen es dann so, wie es ist, dachte nicht an die anderen, achtete auf gute Ausführung und darauf, auch in den Details nicht zu patzen. Ein leicht schräger Handstand konnte bemäkelt werden und am Ende nach Doppelsalto/Doppelschraube gestreckt, dem Tsukahara-Abgang: ein seltsamer Mini-Hüpfer nach hinten, nachdem er eigentlich schon sicher in der Matte gelandet war.

Vielleicht war es die Freude, die ihn da erstmals aus dem Gleichgewicht brachte. Eine 15,766 wurde es, eine gewaltige Hürde für den Rest der Turner, die den einen oder anderen zum Risiko verleiten konnte. Hambüchen schritt dennoch mit verhaltener Gestik vom Podium und machte sich auf an seinen Warteplatz. Entgegen kam ihm Epke Zonderland.

Mit ihm hatte er sich in seiner Laufbahn zahlreiche interessante Zweikämpfe geliefert, die im Laufe des vergangenen Jahrzehnts manche Reck-Finals aufwerteten und sich auch gut vermarkten ließen. Es war der Vergleich zwischen einem spektakulären Flieger und einem zunehmend präzisen Turner mit eher versteckten Höchstschwierigkeiten. Doch beide wurden älter und zogen sich Verletzungen zu, das letzte große Treffen war bei der WM 2013 in Antwerpen: Zonderland gewann abermals knapp vor Hambüchen.

Zonderland stürzt schwer

Nun schwang er sich in Rio hinauf und setzte wie immer zu seiner Flugschau an, einem Cassina, direkt gefolgt von einem Doppelsalto. Und Zonderland schien auf dem Weg zur nächsten Riesenfelge, als er plötzlich den Griff verlor. Er krachte in die Matte, blieb mit dem Kopf nach unten liegen, berappelte sich kurz und turnte - nur der Ordnung halber - zu Ende.

Das Mittelfeld der Startliste war eher überschaubar, auch von Nile Wilson aus Großbritannien und Wernjajew drohte nach Hambüchens einwandfreier Übung keine Gefahr. Die stand dann erst wieder ganz zum Schluss auf der Liste: Der Amerikaner Danell Leyva ist ein sehr guter Reckturner, und man wusste nicht genau, wie weit er seine Schwierigkeitsnote noch aufstocken würde. Eine 7,2 hatte er in der Qualifikation gezeigt, tatsächlich erhöhte er auf 7,3. Und wie immer blieb er makellos, was Hambüchen tatsächlich noch mal auf der Stelle treten ließ. Dann verwackelte Leyva aber den Adler und hopste nach dem Abgang doch recht deutlich nach hinten.

Hambüchen musste es da schon gewusst haben. Jedenfalls machte er dieses schmallippige Gesicht, das man nur aufsetzt, wenn die Freude hinauswill und man sie noch nicht hinauslassen darf. Noch eine halbe Minute, dann kam die Note: 15,500 - Leyva Silber, Nile Wilson Bronze, Hambüchen Gold. Das Warten hatte ein Ende.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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