Niko Kovac zum FC Bayern:Der Risiko-Kandidat

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Eigentlich reichen Niko Kovacs Trainererfahrungen kaum aus, um den FC Bayern zu übernehmen. Dass die Münchner das Wagnis eingehen müssen, haben sie sich selbst zuzuschreiben.

Kommentar von Martin Schneider

Christian Streich ist nun doch nicht Trainer des FC Bayern geworden. Das ist schon deswegen sehr schade, weil die Welt nun niemals Pressekonferenzen zu Spielen gegen Real Madrid im tiefsten südbadischen Dialekt hören wird. "Streich zu Bayern?", das war eine schöne Schlagzeile, aber niemand nahm sie wirklich ernst. Denn Christian Streich hat bisher mit dem SC Freiburg nur einen Bundesligaklub trainiert. Er leistet in Freiburg zwar sehr gute Arbeit und hat den Klub auch schon aus der Abstiegszone ins internationale Geschäft geführt - aber Streich hat keine Erfahrung in der Champions League und noch nie eine große Mannschaft betreut. Das reicht nicht als Qualifikation für den Job beim FC Bayern. Dachte man.

Bayern-Trainer wird nun Niko Kovac, der bisher mit Eintracht Frankfurt nur einen Bundesligaklub trainiert hat und - immerhin - zwei Jahre lang die kroatische Nationalmannschaft. Er leistet in Frankfurt zwar sehr gute Arbeit und ist dabei, den Klub aus der Abstiegszone ins internationale Geschäft zu führen. Aber Kovac hat keine Erfahrung in der Champions League und auch noch nie eine große Mannschaft betreut. Und das reicht nun als Qualifikation für den Job beim FC Bayern?

Niko Kovac, 46 Jahre alt, ist als Bayern-Trainer ein Risiko-Kandidat für den schwierigsten Trainerjob der Bundesliga. Außerdem der Kandidat, der irgendwie übrig geblieben ist. Für beide Zuschreibungen kann Kovac selbst nichts, für beide ist die Führung des FC Bayern mit ihrer Art der Trainer-Findung verantwortlich, die dem neuen Coach damit einen maximal schweren Start in einen eh schon schweren Job verschafft.

Als sich Hoeneß für Tuchel erwärmen konnte, war dieser vom Markt

Der Klub hat sich durch eigenes Verschulden in eine Lage manövriert, in der er quasi nur noch zwischen Risiko-Kandidaten wählen konnte. Noch im Dezember war die Hauptstrategie des FC Bayern (und in diesem Fall bedeutet "FC Bayern" hauptsächlich Uli Hoeneß), Jupp Heynckes vom Weitermachen zu überzeugen. Das Problem an dieser Strategie: Jupp Heynckes sagte bei jeder Gelegenheit "auf keinen Fall". Als einzige Vorgabe formulierte der FC Bayern öffentlich die Bedingung, dass der neue Trainer Deutsch sprechen müsse. Und wenn man davon ausgeht, dass sowohl Jürgen Klopp in Liverpool als auch Joachim Löw bei der Nationalmannschaft gerade nicht zu bekommen sind, blieb nur noch ein Kandidat übrig, der über internationale Erfahrung verfügt und einen Titel gewonnen hat: Thomas Tuchel.

Der war sogar verfügbar, aber irgendwann kam auch Paris Saint-Germain auf die Idee, dass dieser Tuchel ein guter Trainer wäre. Als Hoeneß einsah, dass Heynckes sein "Nein" im Sinne von "Nein" meint und der Präsident als letzter der drei Verantwortlichen (nach dem Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge und Sportdirektor Hasan Salihamidzic) Verhandlungen mit Tuchel zustimmte, war dieser vom Markt. Übrig blieben als seriöse Alternativen: Ralph Hasenhüttl (Leipzig), Julian Nagelsmann (Hoffenheim) und eben Niko Kovac.

Unter diesen Risiko-Kandidaten hat sich der Klub für Kovac entschieden, und es somit geschafft, innerhalb von kürzester Zeit aus dem international erfahrenen und titeldekorierten Trainer/Sportdirektor-Duo Pep Guardiola/Matthias Sammer zum auf administrativer Ebene international unerfahrenen und titellosen Duo Niko Kovac/Hasan Salihamidzic zu wechseln. Auch Salihamidzic wurde ja erst Sportdirektor, als man sich mit Philipp Lahm nicht einigen konnte.

Das kann natürlich auch gutgehen. Als der FC Bayern sich zuletzt bei Carlo Ancelotti für einen nicht deutschsprachigen und international hochdekorierten Trainer entschied, endete das auch eher weniger erfolgreich. Und natürlich leistet Niko Kovac in Frankfurt sehr überzeugende Arbeit. Er übernahm das Team in größter Gefahr um den Klassenerhalt, rettete es vor dem Abstieg, coachte eine aus Leihspielern zusammengestellte Mannschaft 2017 ins DFB-Pokal-Finale und kratzt 2018 nun mit einer in Teilen neuen Mannschaft an der Champions-League-Qualifikation.

Aber: Er lässt mit der Eintracht eher einen Fußball der Marke "rustikal" spielen. Für Frankfurt ist diese Taktik optimal, in München ist sie weder vermittelbar noch angebracht. Das heißt, Kovac muss im ersten Jahr in München zugleich seinen Spielstil anpassen und Erfahrungen in der Champions League sammeln - obgleich er schon bei einer WM gecoacht hat, fehlt ihm etliches an internationaler Erfahrung. Ein großer Nachteil, wenn man bedenkt, dass fast alle Trainer (unter anderem auch Hasenhüttl) betonen, wie groß der Unterschied zwischen Bundesliga-Alltag und Gala-Abenden in Europa ist. Oder anders ausgedrückt: Ein Halbfinale gegen Real Madrid ist was anderes als ein Relegationsspiel gegen den 1. FC Nürnberg. Selbst Heynckes sagte in einem Interview mit der Sport-Bild. "Es ist schon von Nutzen, wenn er im nächsten Jahr erst mal international mit seiner Eintracht spielt."

Kurios wird diese fehlende internationale Erfahrung gerade dann, wenn es stimmt, dass sie in München Julian Nagelmanns erste Europapokal-Saison in Hoffenheim sehr genau verfolgt hätten. Der schied erst gegen Liverpool aus (die aber nun im Halbfinale sind) und scheiterte dann in der Europa League unter anderem am bulgarischen Klub Rasgrad. Das ist Niko Kovac noch nicht passiert, allerdings mit dem Schönheitsfehler, dass es ihm auch schlicht noch nie passieren konnte.

Einer der Hauptpunkte, die für Kovac sprechen, ist seine Bayern-Vergangenheit. Er kennt den Klub, er kennt die Verantwortlichen, und es ist im Job auch sicher kein Nachteil, wenn man sich mit dem Chef gut versteht. Bei ihren Personalentscheidungen legen die Bayern häufig Wert auf dieses Kriterium. Man kann es dem Klub auch nicht verdenken, schließlich ist er in der familiären Atmosphäre unter Jupp Heynckes gerade wieder Deutscher Meister geworden und hat das Champions-League-Halbfinale erreicht. Allerdings: Ernsthaft sportlich weiterentwickelt haben den Verein die unbequemen Köpfe Louis van Gaal und Pep Guardiola, die in der Bayern-Familie immer wieder aneckten.

Der Einzige, der beides miteinander verband, ausgeprägten Bayern-Familiensinn und höchste Fachkompetenz, war Jupp Heynckes. Aber dass der nicht weitermachen will, dass wusste man seit dem Tag seiner Verpflichtung.

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