Niederländischer Nationaltrainer tritt zurück:Van Marwijk wirft bei Oranje hin

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Das EM-Debakel der Niederlande hat Konsequenzen: Es kündigen sich größere Veränderungen in der Nationalmannschaft an. Bondscoach Bert van Marwijk hat trotz Vertragsverlängerung seinen Rücktritt erklärt. Auch die Zukunft der Nationalspieler Klaas-Jan Huntelaar und Rafael van der Vaart in der Elftal soll gefährdet sein.

Nach dem blamablen Vorrunden-Aus der Niederlande bei der Fußball-Europameisterschaft kündigen sich Veränderungen in der Nationalmannschaft an. Bert van Marwijk hat am Mittwochabend überraschend seinen Rücktritt erklärt. Bundesliga-Torschützenkönig Klaas-Jan Huntelaar, Rafael van der Vaart und fünf weitere Spieler sollen Medienberichten zufolge aussortiert werden.

Den Rücktritt van Marwijks gab der Fußballbund KNVB in einer Presseerklärung bekannt. "Ich habe gezweifelt, aber dann doch beschlossen, diesen Schritt zu vollziehen", sagte van Marwijk. Vorausgegangen war ein Treffen mit Vertretern des Verbandes, in der die EM aufgearbeitet werden sollte. Offenbar traten große Meinungsunterschiede zutage, der 60-Jährige zog die Konsequenzen.

Der Rücktritt kommt doch überraschend, denn zuletzt hatten die Zeichen auf Weiterbeschäftigung gestanden. "Ein Abschied steht nicht auf der Tagesordnung. Ich finde, dass er Kredit verdient hat", hatte KNVB-Chef Bert van Oostveen erklärt. Van Marwijk habe sich in den vergangenen Jahren als gute Wahl erwiesen. Das EM-Aus mit drei Niederlagen sei allerdings "unwürdig" für Oranje: "Null Punkte, fünf Gegentore. Das ist uns noch nie passiert." Trotzdem hatte der Verband van Marwijk den Rücken gestärkt und wollte den erst im Dezember vergangenen Jahres bis 2016 verlängerten Vertrag mit ihm erfüllen.

In den niederländischen Medien wird bereits Ex-Nationalspieler Ronald Koeman als aussichtsreicher Kandidat gehandelt. Koeman trainiert derzeit den Vizemeister Feyenoord Rotterdam. Der Verein kündigte aber bereits an, seinen Trainer nicht freizugeben. KNVB-Chef van Oostveen erklärte, der Verband werde sich schnell um einen Nachfolger bemühen. Die Zeit drängt: Bereits am 7. September steht die Mannschaft in der ersten Partie der WM-Qualifikation vor einem Härtetest gegen die Türkei. Vier Tage später muss die Elftal nach Ungarn.

Huntelaar, van der Vaart und Heitinga als Sündenböcke

Gehapert hatte es bei der EURO vor allem an der mannschaftlichen Harmonie. Der Schalker Bundesliga-Torschützkönig Klaas-Jan Huntelaar und Rafael van der Vaart hatten in Polen Unmut über ihre Reservistenrolle geäußert. John Heitinga soll Interna an die Presse weitergegeben haben. Berichten in den niederländischen Medien zufolge hat van Marwijk in der vergangenen Woche bei einem ersten Gespräch über die Gründe für das Desaster dem Verband eine Liste mit Spielern gegeben, die unter ihm keine Zukunft mehr haben. Die Namen Huntelaar, van der Vaart und Heitinga sollen darauf stehen.

Weder van Marwijk noch die Spieler haben sich jedoch bislang öffentlich dazu geäußert, was wirklich bei der EM im Team des WM-Finalisten von 2010 vorgefallen ist. Auch Spitzenfunktionäre des KNVB halten sich bedeckt. Deshalb berichten die Tageszeitungen De Telegraaf und Algemeen Dagblad am Mittwoch relativ klein über den vermeintlichen Radikalumbau.

Trainer Huub Stevens vom Bundesligisten Schalke 04 hatte sich erst am Dienstagabend in der Fußball-Talkshow "Studio Voetbal" des niederländischen Fernsehsenders NOS für einen Verbleib seines Stürmers Huntelaar in der niederländischen Nationalelf ausgesprochen. Er verstehe die Berichterstattung der Medien nicht, die nach dem EM-Aus Huntelaar zum "Stinkstiefel" gemacht hatten. "So kenne ich Klaas-Jan nicht. Ich habe mit ihm in letzter Zeit sehr gut zusammengearbeitet. Er ist ein ehrgeiziger Spieler, der immer gewinnen will. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass er sich so danebenbenommen haben soll."

© Süddeutsche.de/sid/dpa/dapd/mahu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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