Nationalmannschaft:Warum nicht auch in Wolfsburg so?

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Julian Draxler schoss gegen Nordirland das 1:0. (Foto: Kai Pfaffenbach/REUTERS)
  • Im DFB-Trikot glänzt Julian Draxler, beim VfL Wolfsburg spielt er dagegen unter den Erwartungen.
  • Er selbst sagt, man könne beide Situationen schwer miteinander vergleichen.
  • Noch im Sommer wollte er weg aus Wolfsburg, bekam aber die Erlaubnis nicht.

Von Jörg Marwedel, Hannover

Dieter Hecking ist am Dienstagabend im Prinzip gern in die Hannoveraner Arena gekommen. Es ist ja immer noch so etwas wie sein Zuhause, weil er drei Jahre lang Coach von Hannover 96 war. Seine Familie wohnt im nahen Bad Nenndorf, sein aktueller Arbeitsplatz ist auch nicht weit entfernt, etwa 90 Kilometer östlich, in Wolfsburg. Doch was der Fußballlehrer Hecking auf dem Rasen sah, wird einen Zwiespalt in ihm verursacht haben, vielleicht sogar ein bisschen geheime Wut.

Der einzige Profi des VfL Wolfsburg, den er beobachten konnte, hat ja einen durchaus beeindruckenden Auftritt gehabt. In der 13. Minute brachte Julian Draxler die deutsche Nationalelf mit seinem dritten Tor im 26. Länderspiel auf den richtigen Weg; und er war nach seinem frühen Treffer auch sonst prächtig eingebunden ins Kombinationsspiel des Weltmeisters. Nach seinem Tor explodierten seine Gefühle in einer Weise, wie man es in Wolfsburg noch nie erlebt hat. Schlimmer noch: Beim Tabellendreizehnten gilt Draxler, 23, der 2015 für eine Ablöse von mindestens 35 Millionen Euro von Schalke 04 losgeeist wurde, mit seinen oft freudlosen Vorstellungen als Gesicht der Krise.

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Wieder einmal hat das DFB-Team einen Profi dazu gebracht, mehr zu zeigen, als er zuletzt im Klubtrikot bot. Manager Oliver Bierhoff hat das Thema gerne angesprochen: "Mich freut es, dass wir es mit der Nationalmannschaft schaffen, Spieler wieder aufzubauen und ihnen Sicherheit zu geben - Julian gehört sicher auch dazu", umschrieb Bierhoff die Wirkung der Löw'schen Wohlfühloase. Die soll - ganz in Heckings Sinne - womöglich bald auch dem in Wolfsburg noch torlosen Mario Gomez zugutekommen; ebenso wie einst Lukas Podolski oder, immer noch aktuell, dem langsam genesenden Dauerpatienten Mario Götze. Die Probleme in Wolfsburg habe man bei Draxler "nicht gespürt", sagte Bierhoff, nur "die Freude, hier zu sein".

Am liebsten zeigt Draxler sein Können vor weltweitem Publikum

Draxler, der auf dem Weg zum Stammspieler im DFB-Team ist, zeigt sein kolossales Talent ohnehin am liebsten dann, wenn ein weltweites Publikum auf sein Spiel schaut. So wie im vergangenen April, als er beim 2:0 der Wolfsburger gegen Real Madrid den späteren Champions-League-Gewinner schwindelig spielte. Dann horchen eben nicht nur die Fans auf, sondern auch die Vertreter der großen europäischen Klubs. Und seit Draxler im vergangenen Sommer öffentlich kundtat, er wolle die nur bedingt spannende Industriestadt Wolfsburg trotz seines Vertrages bis 2020 am liebsten sofort wieder verlassen, hat er bei seinem Arbeitgeber nicht nur Probleme mit den Anhängern, sondern offenbar auch mit seiner eigenen Motivation. Die muss man sich wohl so vorstellen wie bei einem Schauspieler, der lieber in der Royal Albert Hall in London auftritt als auf der Bühne eines Provinztheaters.

Immerhin weiß Draxler, was er mit diesem von VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs erst einmal abschlägig beschiedenen Wunsch angerichtet hat: "Ich kann mich nicht im Sommer hinstellen und sagen, ich möchte den Verein verlassen und dann sauer sein, wenn jemand drüber redet. Das ist bei mir auch nicht so." Gleichwohl hat er offenbar Zweifel, ob er seine Nationalmannschafts-Form in Wolfsburg konservieren kann. "Wenn es so einfach wäre, würde ich das Gefühl einfach mitnehmen", hat er nach dem Länderspiel gesagt. Im Verein sei das ein anderes Umfeld, eine andere Mannschaft, das könne man nicht "so einfach übereinanderlegen". In Wolfsburg habe man eine schwierige Situation, die Nationalelf hingegen sei gegen Tschechien und Nordirland klarer Favorit gewesen, das sei etwas ganz anderes. Am Sonntag im Heimspiel gegen RB Leipzig sind die Wolfsburger nach ihren bisherigen Darbietungen tatsächlich nicht unbedingt der Favorit.

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Immerhin hat Draxler dafür gesorgt, dass ein arbeitsloser Trainer mal wieder ins Gespräch kam. Mirko Slomka (früher Schalke, Hannover, HSV) hat den Bundestrainer Joachim Löw dafür gelobt, dass er junge Spieler wie Joshua Kimmich, Götze und Draxler "gestärkt und ihnen sein Vertrauen gegeben hat.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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