1860 München:Ismaik tüftelt an der Machtübernahme

TSV 1860 München

Wann kommt er endlich im 1860-Trainingslager an? Hasan Ismaik wird sehnsüchtig erwartet, um über Transfers zu sprechen.

(Foto: dpa)

Im Trainingslager von 1860 München wird Hasan Ismaik sehnsüchtig erwartet, um Transfers zu planen. Die Aussicht auf neue Spieler könnte den Verein weiter entmachten.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Das Warten auf Hasan Ismaik ging am Freitag auf Troia weiter. Erst war der jordanische Investor im Trainingscamp des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München am Dienstag erwartet worden - weshalb Präsident Peter Cassalette eilig auf die portugiesische Halbinsel aufbrach -, dann hieß es, er erscheine am Mittwoch, dann teilte er auf Facebook mit, er komme nun am Freitag oder Samstag. Ismaik wird vor allem von Trainer Vitor Pereira sehnsüchtig erwartet, denn die Frage, ob und welche Zugänge sich den Löwen in dieser Winterpause noch anschließen, will besprochen werden.

Einfacher wird die Suche nach neuem Personal dadurch nicht, dass 1860 von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) die Auflage erhalten hat, sich Transfers vorab genehmigen zu lassen und sie im Detail offenzulegen - von der Ablöse über das Gehalt bis hin zu den Finanzierungsmodalitäten. Das liegt daran, dass zum Stichtag der Nachlizenzierung zugesagte Darlehen Ismaiks noch nicht geflossen waren, mit denen der vorhandene Kader finanziert werden sollte (SZ, "Mehr als 60 Prozent Sechzig" vom 12. November 2016). Hiervon berichteten nun auch Bild und tz.

Am Donnerstag veröffentlichte 1860 daraufhin auf seiner Homepage eine gleich auf mehrfache Weise erstaunliche "Stellungnahme zur aktuellen Berichterstattung". Der stets erstaunliche Geschäftsführer Anthony Power meldete sich zu Wort: "Die Darstellung entbehrt jeder Grundlage", sagte der erstaunliche Power, es gebe "weder Ärger noch einen Lizenz-Verstoß". Weswegen auch er, Power, sich "mit aller Deutlichkeit von dieser tendenziösen Berichterstattung" distanzieren wolle. Richtig sei, erklärte Power, "dass alle Transfers - wie immer - mit der DFL abgesprochen werden". Wie immer?

Power dachte bei seiner Stellungnahme womöglich, er spreche die Wahrheit

Um zu erkennen, dass mit dieser Stellungnahme etwas nicht stimmen kann, genügte eigentlich schon das Wissen, dass Klubs ihre Transfers nicht mit der DFL absprechen müssen. Der Ligaverband gibt sich normalerweise damit zufrieden, wenn ihm Transfers gemeldet werden. Wirklich tiefe Komik erfährt Powers Stellungnahme, die ja sonst wie eine Lüge wirken müsste, vor dem Hintergrund, dass Power womöglich dachte, er spreche die Wahrheit.

Es ist ja so: An dem Tag, an dem Power die Geschäftsführung bei 1860 übernahm, war die Transfer-Auflage der DFL bereits in Kraft. Um diese noch abzuwenden, hätte Ismaik bis spätestens Anfang November der KGaA die versprochenen Darlehen zur Verfügung stellen müssen. Eben bis zum Stichtag, den die DFL Klubs setzt, um Forderungen aus der Nachlizenzierung zu erfüllen. Power aber, ein 50-jähriger US-Amerikaner, der vorher nie in Deutschland und auch nie im Fußballgeschäft tätig war, ist von seinem ersten Tag als Geschäftsführer mit der Transfer-Auflage vertraut. Aus seiner Sicht ist also tatsächlich alles: wie immer. Dass bei Transfers die bürokratischen Hürden für andere Fußballklubs in Deutschland etwas niedriger sind: Das kann Power ja wirklich nicht wissen.

Nun ist diese Auflage der DFL kein übertrieben schlimmer Hemmschuh. Sie mag lästig sein. Und auch etwas peinlich. Aber zu behaupten, Sechzig könne deshalb in diesem Winter keine Transfers tätigen, ginge sicher zu weit. Wenn die Darlehen bis zum nächsten Stichtag, dem 15. Januar, fließen, könnte Ismaik zumindest weitere Sanktionen wegen dieser Thematik vermeiden - das Geld soll auf den Weg gebracht worden sein.

Ismaik wendet offenbar Strafe für 1860 ab

Überhaupt haben die Vorgänge in den vergangenen Wochen oberflächlich betrachtet eine positive Entwicklung genommen. So hat Ismaik kurz vor Silvester offenbar tatsächlich Darlehen in Genussscheine gewandelt. Dieser Finanztrick ist bei dem weiterhin defizitär wirtschaftenden Zweitligisten nötig, um nicht gegen die DFL-Auflage zu verstoßen, die besagt, dass Klubs zum Jahresende ihr Eigenkapital verbessern müssen.

Im vergangenen Jahr verweigerte Ismaik diese Maßnahme, der TSV 1860 erhielt eine Geldstrafe von rund 750 000 Euro, diesmal hätte dem Klub als Wiederholungstäter neben der zuvor schon verhängten Transfer-Auflage auch noch ein Punktabzug gedroht. Doch nun hat Ismaik ja gewandelt. Weiterhin ist zu erwarten, dass der Jordanier dafür sehr bald, und garantiert noch vor dem den Fans in Aussicht gestellten Supertransfersommer, eine hohe Gegenleistung fordern wird: weitere Anteile an der Fußballfirma, die ihm bereits zu 60 Prozent gehört. Diese Anteile sind vor allem dann von entscheidender Bedeutung, wenn man davon ausgeht, dass die 50+1-Regel eines Tages fallen wird.

Eine einfache Mehrheit würde Ismaik genügen

"Wir haben diese Szenarien alle in der Theorie durchgesprochen, auch mit ihm. Das weiß er alles, da muss er in die Initiative gehen", sagte Präsident Cassalette der SZ schon im November. "Wenn eine Forderung kommt, muss man das in den Gremien besprechen." Sehr gut vorstellbar also, dass Ismaik diese Forderung am Tage der Wandlung vorgebracht hat - und dass auf diesem Weg auch die DFL Wind von den Plänen des Investors bekommen hat. Der Jordanier dürfte schon bald darauf drängen, dass eine Versammlung einberufen wird, auf der die Mitglieder eben dies mit einfacher Mehrheit beschließen sollen: die Wandlung des sich inzwischen hoch auftürmenden Bergs an Genussscheinen in Eigenkapital von Ismaik.

Wie viele Anteile Ismaik für welche Summe erhält, müsste allerdings zuvor ein Wirtschaftsprüfer ermitteln. Dies erfordert einen gewissen Vorlauf. Ismaiks Ziel dürfte klar sein: Wenn er die 75-Prozent-Hürde überspringt, hat der Minderheitseigner keine so genannte Sperrminorität in der Hauptversammlung mehr, etwa bei Satzungsänderungen. Damit wäre der e.V. nicht nur ein weiteres Stück mehr entmachtet. Sondern er würde sich auch erheblich schwerer tun, seine Anteile an einen Dritten zu veräußern, von dem Ismaik befürchten müsste, dass er ihm die Stirn böte. Die verbleibenden e.V.-Anteile hätten dann kaum mehr einen Wert.

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