Medizincheck im Fußball:Wenn Nierenwerte Karrieren torpedieren

Lesezeit: 3 min

Sidney Sams (r) wurde auf Schalke aussortiert. Ein Wechsel zu Frankfurt scheiterte am Medizincheck. (Foto: dpa)
  • Der Transfer mehrerer Bundesliga-Spieler platzte zuletzt, sie fielen durch den Medizincheck.
  • Bei Sidney Sam gelangten sogar medizinische Details an die Öffentlichkeit, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.
  • Die Vereine bewegen sich auf einem schmalen Grat, wenn es um die Herausgabe solcher Informationen geht.

Von Tim Brack

"Nur der Medizincheck fehlt" - ein häufiger gelesener Satz bei Transfermeldungen. Der Medizincheck: verpflichtend und normalerweise kein Problem. Doch zuletzt scheiterten Sidney Sam, Felipe Santana (beide Schalke 04) und Philipp Hosiner (1. FC. Köln) an der Hürde.

Im Fall Sam waren sich die Parteien eigentlich schon einig. Schalke-Manager Horst Heldt wurde einen wenig geschätzten Großverdiener los, Eintracht-Trainer Armin Veh freute sich über einen ehemaligen Nationalspieler und Sam hatte die Aussicht, endlich wieder Fußball spielen zu dürfen. Doch der Medizincheck durchkreuzte die Hoffnungen der Beteiligten. Der Wechsel platzte. Dass danach Informationen über Blut im Urin und auffällige Nierenwerte bei Sam an die Öffentlichkeit gelangten, machte die Causa zum Aufreger.

Bundesliga-Transfers
:Millionenbörse Bundesliga: Leroy Sané auf Platz zwei

Der 20-Jährige wechselt nun doch nach England, Manchester City bezahlt knapp 50 Millionen Euro. Nur ein Bundesliga-Spieler kostete bisher mehr. Eine Übersicht der teuersten Transfers.

Von Jonas Beckenkamp

Vereine bewegen sich bei der Herausgabe der sensiblen Daten auf einem schmalen Grat. Grund für den Medizincheck ist die Lizenzerteilung der Deutschen Fußball Liga (DFL), ohne die ein Profi nicht am Spielbetrieb teilnehmen darf. Die DFL verlangt einen jährlichen Nachweis der Sporttauglichkeit und eine zusätzliche Prüfung bei einem Wechsel - erst dann erhält der Fußballer die Erlaubnis zu spielen. "Bei der Untersuchung wird festgestellt, ob leistungssportliche Aktivität im Fußball einen gesundheitlichen Schaden hervorrufen könnte", sagt Tim Meyer, Vorsitzender der Kommission Sportmedizin, die den Rahmen für die Tauglichkeitsprüfung im deutschen Profifußball setzt. Die Frankfurter Mannschaftsärzte sahen für den 27-jährigen Sam wohl Gefahren.

So funktioniert der Test

Der Test besteht aus zwei Teilen: Im orthopädischen Teil wird der Knochen-, Bänder- und Muskelapparat untersucht. Obligatorisch sind eine Aufnahme der Krankengeschichte und eine komplette körperliche Untersuchung. Hatte ein Fußballprofi wie Bastian Schweinsteiger häufiger mit dem Knöchel Probleme, wird dieser genauer in Augenschein genommen. Es wird geröntgt oder gegebenenfalls sogar ein Kernspin gemacht. Diese weiterführenden Maßnahmen sind allerdings nicht mehr verpflichtend, sondern Vorsichtsmaßnahmen des Vereins.

Die erhöhten Nierenwerte von Sam wurden im zweiten Teil festgestellt, der kardiologisch-internistischen Untersuchung, bei der Herz und innere Organe untersucht werden. "Sie ist ausführlich, da bestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen oft größere Gefahren für Leib und Leben hervorufen als Krankheiten des Bewegungsapparates, und daher eher zu einer Sportuntauglichkeit führen", sagt Meyer.

Hier unterzieht sich der Profi einem Ruhe- und einem Belastungs-EKG, einem Ultraschall des Herzens und einer umfangreichen Laboruntersuchung von Blut und Urin. "Die Ausdauerbeanspruchung im Fußball kann Auffälligkeiten im Ruhe-EKG oder im Ultraschall des Herzens hervorrufen. Wenn man mit Sportleruntersuchungen nicht vertraut ist, können diese auffälligen Werte mit krankhaften Veränderungen verwechselt werden", erklärt der Experte. Das Ruhe-EKG und die Ultraschalluntersuchung des Herzens sind aber auch in der Lage, tatsächliche Herzerkrankungen aufzudecken.

Sam und Santana von Schalke 04
:Ärzte stoppen Transfers

Der eine mit Blut im Urin, der andere mit Muskelfaserriss: Sidney Sam und Felipe Santana müssen vorerst in Schalke bleiben. Beide fallen beim Medizin-Check durch.

Von Ulrich Hartmann

Blut- und Urinproben seien in der Regel einfacher zu bewerten, sagt Meyer: "Die Proben werden zum Beispiel auf Blutzucker, Nieren- oder Entzündungswerte untersucht." Das habe aber nichts mit Dopingkontrollen oder Leistungsdiagnostik zu tun, sondern diene rein der Gesundheit.

Der Fall Sam ist vor allem hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht pikant. Rein rechtlich kann nur der Patient seinen Arzt davon befreien. Da der Fußball-Profi ein Angestellter ist, der mit seiner Fitness Geld verdient, wollen die Vereine über den körperlichen Zustand ihrer Arbeitnehmer informiert sein. Ein Passus in den Verträgen der Profis ermöglicht das Lockern der Schweigepflicht gegenüber den Vereinen. Problematisch wird es für alle Beteiligten, wenn die Diagnosen in die Welt geraten. Dann sind künftige Arbeitgeber, Verträge und Millionengehälter in Gefahr. Doch wie konnten die Nierenwerte von Sam in die Öffentlichkeit gelangen?

Frankfurt und Schalke wiegeln ab

Frankfurt und Schalke haben laut eigenem Statement nur reagiert, als die Diagnose publik war. "Wir haben kein Interesse, dass solche Informationen wie über Sidney Sam an die Öffentlichkeit gelangen. Wir haben sie definitiv nicht herausgegeben", sagt der Pressesprecher von Schalke 04 gegenüber SZ.de. Ähnlich äußert sich Eintracht Frankfurt: "Wie die Diagnose in die Öffentlichkeit kommen konnte, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir haben mit unserem Statement nur auf eine vorab in den Medien veröffentliche Diagnose reagiert."

Eintracht-Manager Bruno Hübner hatte nach Bekanntwerden des geplatzten Wechsels von sich aus über "erhöhte Blutwerte der Nieren" bei Sam gesprochen. Dies sei jedoch mit dem Spieler, seinem Berater und Schalke 04 abgesprochen gewesen.

Wer von dem Zustand Sams wusste und diesen nach draußen getragen hat, bleibt unklar. Das Wechselspiel mit den Medien um die Herausgabe medizinischer Details ist brisant. Der Verein muss abwägen, wann welche Informationen publiziert werden, immerhin können sie einen Wechsel torpedieren - oder gar Spielerkarrieren. Auch auf Schalke unternehmen sie Präventivmaßnahmen, um "den falschen Gerüchten entgegenzuwirken und den Spieler zu schützen". Dass sei zuletzt bei Kevin-Prince Boateng geschehen, der an einer Knöchelverletzung laborierte - nicht, wie zahlreiche Berichte sagten, Probleme mit seinem häufig verletzten Knie hatte.

Sidney Sam weiß inzwischen, dass er seine Fußball-Karriere fortsetzen kann. Der 27-Jährige hat weitere Untersuchungen absolviert und blickt nun nach vorne: "Natürlich haben mich die Ergebnisse der vergangenen Woche völlig überrascht. Jetzt ist alles eingehend untersucht und ich kann mich meinen sportlichen Aufgaben widmen", sagte der Offensivspieler. Der Flügelspieler meldet sich einsatzbereit und Frankfurt soll weiterhin interessiert sein.

Um den Wechsel perfekt zu machen, fehlt nur noch der Medizincheck.

© SZ.de/sid/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: