Magdalena Neuner gewinnt in Hochfilzen:Befreit zum Sieg

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Der DSV hatte gehofft, den Nachwuchs im Schatten der alle überstrahlenden Magdalena Neuner an die Weltspitze heranführen zu können. Jetzt wächst der Druck auf die jungen Biathletinnen, auch wenn Neuner noch fleißig Schatten spendet: Das erste Rennen nach ihrer Rücktritts-Ankündigung läuft sie völlig unbeschwert - und gewinnt.

Joachim Mölter

So eine Woche wie diese hat die Biathlon-Abteilung des Deutschen Skiverbandes (DSV) auch noch nicht erlebt. Mit jedem Tag, der verging, schien das Frauen-Team weiter zu schrumpfen. Erst hatte die zweimalige Olympiasiegerin Magdalena Neuner ihren Rücktritt nach dieser Saison angekündigt, dann gab Kathrin Hitzer bekannt, dass sie schwanger ist und wohl nicht mehr bei den Weltmeisterschaften in Ruhpolding (29. Februar bis 11. März 2012) mitmachen kann, und zwischendurch erschreckte Miriam Gössner die Verantwortlichen, indem sie verkündete: "Ich höre auf und wechsle zum Langlauf."

Befreit zum Sieg: Biathlon-Olympiasiegerin Magdalena Neuner in Hochfilzen. (Foto: AP)

War nur ein Scherz, fügte die Garmischerin eilig hinzu, eine Reaktion auf das Angebot des Langlauf-Bundestrainers Jochen Behle, die laufstarke Biathletin wie schon bei Olympia 2010 in Vancouver auch bei den Winterspielen 2014 in Sotschi in seiner Staffel einzusetzen. "Ich finde es schön, dass Jochen so viel Vertrauen in mich hat und sich das vorstellen kann", sagte sie: "Aber mit dem Biathlon möchte ich nicht aufhören."

Trotzdem: "Es ist eine schwierige Situation, vor der wir jetzt stehen", sagt Cheftrainer Uwe Müssiggang, der bereits nach Olympia in Vancouver den Rücktritt von leistungsstarken Athletinnen wie Kati Wilhelm, Martina Beck und Simone Denkinger-Hauswald verkraften musste und hoffte, den Umbruch noch eine Weile mit Erfolgen von Magdalena Neuner überstrahlen zu können. "Jetzt müssen jüngere Athleten in die Sonne treten, obwohl sie sich vielleicht besser noch ein, zwei Jahre im Schatten entwickelt hätten", sagte Müssiggang: "Sie rücken jetzt in den Fokus, darauf müssen wir sie vorbereiten."

Beim DSV beschäftigen sie sich also schon mit der Zeit nach Neuner, "aber sie ist ja noch da und auch die ganze Saison noch dabei", gab Miriam Gössner zu bedenken. Und allem Anschein nach wird Magdalena Neuner dem DSV-Nachwuchs Schatten spenden, solange sie mitwirkt. Im ersten Wettkampf nach ihrer Rücktritts-Ankündigung gewann sie am Freitag beim Weltcup in Hochfilzen jedenfalls den Sprint über 7,5 Kilometer, ohne Schießfehler und mit 14,9 Sekunden Vorsprung vor der Finnin Kaisa Mäkäräinen, der Gesamtweltcup-Gewinnerin der vorigen Saison, die sich allerdings einen Schießfehler geleistet hatte.

Ich habe schon gespürt, dass die letzten Tage Kraft gekostet haben", sagte Neuner, die zuversichtlich ist, schon bald wieder an die Laufleistungen von Mäkäräinen heranzukommen. Ihr sei "eine große Last von den Schultern gefallen" nach der Bekanntgabe ihrer Rücktrittsabsichten, gab die 24-Jährige zu: "Jetzt kann ich wieder locker und unbeschwert meine Rennen laufen." Ihr Sprint-Sieg sei "eine tolle Antwort" auf den Trubel der vergangenen Tage gewesen, fand sie. Auch Frauen-Trainer Gerald Hönig sah das so: "Man merkt, dass sie froh ist, dass die Nachricht raus ist."

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Man müsse aber keine Angst haben, dass sie ihre letzte Saison nur mit halber Kraft absolvieren werde, hat Neuner versichert. "Ich habe hart gearbeitet, ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen." Und nun, nachdem sie in aller Ausführlichkeit erklärt habe, warum sie ihre Laufbahn als Leistungssportlerin beendet, wäre es ihr am liebsten, "wenn wir nur noch über den Sport reden könnten. Ich versuche jedenfalls, mich wieder ganz darauf zu konzentrieren."

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Zu ihren Saisonzielen gehört neben der WM in Ruhpolding auch der Gewinn des Gesamtweltcups; die Wertung führt sie nach ihrem zweiten Sprintsieg in dieser Saison mit 216 Punkten vor Mäkäräinen an (199) an. Es ist Neuners bester Einstieg in den Wettkampfbetrieb, seit sie im Weltcup mitmacht, und sie ist nun nicht bloß im Verfolgungsrennen von Hochfilzen am Samstag die Gejagte.

Chefcoach Müssiggang und Frauen-Trainer Hönig können also vorläufig doch noch den Nachwuchs im Schatten von Neuner und Andrea Henkel hegen, der mit 34 Jahren Ältesten im Team und am Freitag Achtplatzierten mit 33,6 Sekunden Rückstand. Wobei das mit dem Nachwuchs etwas schräg klingt. Vorige Woche beim Saisonauftakt in Östersund bekam beispielsweise Franziska Hildebrand vom WSV Clausthal-Zellerfeld ihre erste Bewährungschance im Weltcup; sie wurde gleich Sechste im Einzelrennen über 15 Kilometer. Und in Hochfilzen gab Carolin Hennecke vom SC Willingen ihr Weltcup-Debüt als 25. im Sprint. Hildebrand, 24, als auch Hennecke, 25, sind im gleichen Alter wie Neuner.

Immerhin kann man Miriam Gössner guten Gewissens zum Nachwuchs zählen, sie ist erst 21 Jahre alt. In Hochfilzen wurde sie allerdings 48. - wegen fünf Schießfehlern. Aber in dem Alter hat auch Magdalena Neuner noch häufig vorbeigeschossen.

© SZ vom 10.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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