Leichtathletik: Usain Bolt:Grummeln in der Heimat

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Die Begeisterung um Sprintweltrekordler Usain Bolt ist ungebrochen - außer in seiner Heimat Jamaika. Dort hegen die Medien nach einigen durchschnittlichen Auftritten Zweifel wegen seines ausufernden Lebenswandels. Den Showman lässt das kalt.

Thomas Hahn

Auf dem Werbeplakat zu den Bislett-Spielen in Oslo sieht es so aus, als sei die ganze Leichtathletik hinter einem einzigen Namen verschwunden. 47 olympische Disziplinen hat die Leichtathletik, sie weist eine Vielfalt auf, die nur schwer ins Fernsehbild zu setzen ist, sowie eine Athleten-Elite, die aus den verschiedensten Ländern der Erde stammt.

Auch mal mit offenem Schnürsenkel: Usain Bolt sagt selbst, er sei nach wie vor ein Showman - und nicht nur ernst. (Foto: AFP)

Und die Bislett-Spiele im Stadtteil St. Hanshaugen sind seit ihrer ersten Auflage 1965 zu einer der großen Traditionsveranstaltungen des olympischen Kernsports gewachsen, die sich bewährt hat als Bühne eben dieser Vielfalt und globalen Größe. Trotzdem steht auf dem Plakat neben dem Titel der Spiele nur ein einziger Name: Bolt.

In Wirklichkeit haben die Bislett-Spiele an diesem Donnerstag (20 Uhr, Sport1) natürlich nicht nur jenen 200-Meter-Lauf im Programm, an dem Jamaikas Dreifach-Olympiasieger, -Weltmeister und -Weltrekordler Usain Bolt teilnimmt. Sogar ein paar deutsche Sportler haben einen Platz im Starterfeld gefunden, Weitsprung-Europameister Christian Reif zum Beispiel oder die 100-Meter-Europameisterin Verena Sailer.

Aber Usain Bolt ist die erste Attraktion des Abends, das ist klar. Sein Name ist längst eine Marke geworden, mit der die ganze Welt das Übermenschliche im Menschlichen verbindet, eine gestenreiche Show und die Faszination des Unerklärlichen.

Er mache zu viel Party

Was genau alles zu Bolts Einzel-Weltrekorden über 100 (9,58 Sekunden) und 200 Meter (19,19) beigetragen hat, ist den Leuten scheinbar egal. Sie wollen den Typen erleben, der kann, was der biologischen Logik widerspricht: seine hünenhafte Gestalt von 1,96 Metern Größe so beschleunigen, dass er an guten Tagen auch mit offenen Schnürsenkeln und Abbremsen den Rest der Sprintelite dominiert.

Die Karriere von Usain Bolt
:Berühmter als Bob Marley

Usain Bolt ist der Superstar der Leichtathletik. Doch auch der Überläufer unserer Tage musste schon schwere Rückschläge einstecken. Die Karriere in Bildern

Die Bolt-Begeisterung ist ungebrochen, auch nach dem vergangenen Sommer, in dem Bolt verletzungsbedingt keine neuen Wunder vollbringen konnte. Zumindest außerhalb Jamaikas ist die Begeisterung ungebrochen. In Jamaika, der strengen Sprintnation, haben viele gegrummelt, als Bolt im vergangenen August in Stockholm 9,97 zu 9,83 Sekunden gegen den amerikanischen WM-Zweiten Tyson Gay verlor: Usain mache zu viel Party, statt sein Talent zu pflegen.

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Und auch jetzt zweifeln viele. Zwei 100-Meter-Rennen hat Bolt bisher bestritten, in Rom und Ostrau, beide gewonnen, beide in 9,91 Sekunden. Allerdings ohne die Aura des Überlegenen. Das reichte schon, um daheim Kritik zu wecken. "Irgendwas scheint ernsthaft falsch zu laufen. Bolt sollte nicht so zu kämpfen haben zu dieser Jahreszeit", fand etwa der jamaikanische Sportjournalist Melton Williams von The Gleaner, "außerdem sollte er erstmal seine Probleme im Training in den Griff kriegen, bevor er bei Diamond-Leegue-Meetings startet."

Bolt kennt das. Seit er 15 ist, gilt er als Wundersprinter und hat mit den maßlosen Erwartungen in seiner Heimat umzugehen. Und seine Situation wird nicht einfacher dadurch, dass die besten 100-Meter Zeiten des Jahres bisher von anderen stammen: von Gay (9,79) bzw. von Bolts jamaikanischem Staffelkollegen Steve Mullings (9,80), der mit seinen 28 Jahren plötzlich als Unter-Zehn-Sekunden-Sprinter auffällt, mit Gay trainiert und ab 2004 wegen eines Testosteron-Befunds zwei Jahre gesperrt war.

Aber Usain Bolt, 24, gibt sich gelassen. "Hört mal Leute", twitterte er nach Mullings 9,80 in Eugene, "das war die selbe Bahn, auf der die letzten US-Trials abgehalten wurden. Alle sind schnell gelaufen, und dann konnten sie es nicht wiederholen, okay. Also bitte."

Und als ihn jemand in Oslo darauf ansprach, dass er so ernst schaue, sagte er: "Ich bin immer noch Showman und nicht ernst." Er musste das sagen. Er muss funktionieren, als der Bolt, hinter dessen Namen sich die schwer vermarktbare Leichtathletik versammeln kann.

© SZ vom 09.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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