Kritik am FC Bayern:Van Gaals Kompagnon klagt an

Lesezeit: 3 min

Andries Jonker, früherer Co-Trainer beim FC Bayern, schaltet sich in die Debatte um die Jugendarbeit der Münchner ein und bemängelt die fehlende Strategie. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge räumt unfreiwillig ein, dass die Kritik berechtigt ist.

Benedikt Warmbrunn

Andries Jonker zupfte sich die Hose zurecht, und so sah er nun wirklich sehr adrett aus: das Gesicht wohl gebräunt, das blonde Haar zum Scheitel gelegt, natürlich lächelte er auch. Der nette Herr Jonker saß an der Seite von Felix Magath, er ist inzwischen Co-Trainer beim VfL Wolfsburg, aber das soll nicht täuschen. Jonker ist Fan des FC Bayern, das hat er selbst bekannt, und als solcher hat er nun auf einen Fehlstand hingewiesen, der im Zentrum der Debatten steht, die den FC Bayern in diesem Sommer bewegen.

Bayern-Trainer Andries Jonker (2011): "Ein steifes Bein" (Foto: AFP)

Jonker war von Juli 2009 an Co-Trainer von Louis van Gaal beim FC Bayern, nach van Gaals Entlassung führte er das Team in den letzten fünf Spielen der Saison 2010/11 als Interims-Trainer auf den zweiten Tabellenplatz. In der vergangenen Saison betreute er die zweite Mannschaft des FC Bayern, das Jahr wurde als eines des Übergangs ausgerufen, der FCB II wurde 14. in der Regionalliga Süd, und danach bekam Jonker kein neues Vertragsangebot, zumindest nicht als Trainer der zweiten Mannschaft. Jonker also kennt den FC Bayern, er kennt ihn sogar sehr gut.

Die Bild-Zeitung veröffentlichte am Donnerstag Auszüge aus einer E-Mail, die der Niederländer am vergangenen Freitag den Verantwortlichen des FC Bayern geschickt hat.

Er schreibt darin, dass er drei "tolle Jahre" gehabt habe, er formuliert aber auch eine ganz wesentliche Kritik: die an den Mängeln der Nachwuchsarbeit. Jonker bezeichnet den Klub als "das goldene Fußballpferd", für ihn das potenziell "beste und schnellste Pferd der Fußballwelt". Dieses habe "drei Superbeine", nämlich die Profi-Abteilung, die Finanzen und das Marketing, aber eben auch "ein steifes Bein": die Jugendausbildung. Dort fehlt Jonker eine Idee, eine Strategie; er kritisiert, dass keine einheitliche Linie vorgegeben und befolgt werde. Die Jugendarbeit werde "einfach mitgeschleppt".

Diese Kritik trifft den Kern der Umstrukturierungen der Nachwuchsarbeit des Vereins. Zwar hat die eigene Jugendabteilung auch in den vergangenen Jahren immer wieder Spieler in die erste Mannschaft geführt, Spieler wie Thomas Müller oder Holger Badstuber. Viele Talente, gerade aus der Region München, entdeckte aber nicht der FC Bayern, sondern der TSV 1860; inzwischen ist der ehemalige Jugendleiter des Lokalrivalen, Jürgen Jung, Junioren-Scout beim FC Bayern.

Auch dass Matthias Sammer als neuer Sportvorstand geholt wurde, ist ein Indiz für die Missstände in der Nachwuchsförderung. Sammer, der zuvor als Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes für die Junioren zuständig war, ist auch für die Jugend des FC Bayern verantwortlich; Jonker schreibt, dass der "neue Reiter" dafür sorge werde, dass "das steife Bein auch ein Weltklassebein wird". Nach der Rückkehr von der China-Reise an diesem Freitag will Sammer auch die Leitlinien der Juniorenabteilung überdenken.

Wie berechtigt Jonkers Kritik ist, das gestand am Donnerstag der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge gegenüber der Nachrichtenagentur dapd unfreiwillig ein. Rummenigge wirbt weiter um Lars Bender von Bayer Leverkusen, er sagte: "Dass der Spieler großes Interesse hat, nach München zu kommen, das wissen wir. Der ist ja praktisch bei uns vor der Haustür geboren, in Rosenheim."

Bender, ausgebildet beim TSV 1860, hatte am Dienstag jedoch betont, dass er in Leverkusen bleiben wollte. "Man muss heute eben auch mal ein wenig Geduld haben", sagte Rummenigge.

Olympia 2012 - Zehn Dinge zum Fußballturnier
:Neymar, der Autogrammjäger

Brasiliens Olympia-Fußballer stehen unter großem Druck, Topspieler Neymar träumt jedoch von einem Autogramm von Usain Bolt. Die Briten treten mit gemeinsamen Mannschaften an - und warum sind eigentlich die Deutschen nur mit ihren Schiedsrichtern vertreten? Zehn Dinge, die Sie über das olympische Fußballturnier wissen müssen.

Jürgen Schmieder, London

Jonker und der FCB-Vorstandsvorsitzende waren am Donnerstag in Guangzhou, es ging dort aber nicht um das steife Bein, sondern um eines der Superbeine: das Marketing. Guangzhou ist die chinesische Autobauer-Stadt, und so spielten der FC Bayern und Wolfsburg gegeneinander, für die Sponsoren. Um Erkenntnisse für die neue Saison ging es natürlich auch.

FCB-Trainer Jupp Heynckes stellte Toni Kroos und Luis Gustavo auf die Positionen vor der Abwehr, sie zeichnen sich als Stammbesetzung für die nächsten Wochen ab. Als einziger Stürmer begann Mario Mandzukic, mit ihm und den Außenstürmern Franck Ribéry und Arjen Robben kombinierte der FC Bayern in der ersten Halbzeit flüssig nach vorne. In der 28. Minute erzielte Mandzukic das 1:0, nach einem Foul an Thomas Müller traf er vom Elfmeterpunkt. Elf Minuten später erhöhte Arjen Robben, er lupfte den Ball listig über Wolfsburgs Ersatztorwart Marwin Hitz.

Wie schon im Test gegen Beijing Guo'an am Dienstag änderte Heynckes in der zweiten Halbzeit das System von einem 4-2-3-1 zu einem 4-4-2, die beiden Spitzen bildeten Mario Gomez und Claudio Pizarro. Die Partie flachte allerdings ab. Einen ihrer wenigen Höhepunkte hatte sie, als Wolfsburgs Trainer-Manager Felix Magath in der 80. Minute den Brasilianer Diego einwechselte, jenen Diego, von dem weiter nicht sicher ist, ob er zum Saisonstart Ende August noch im Kader stehen wird. Am Donnerstag leitete Diego den Endstand ein, er passte zu Ashkan Dejagah, der zu Vaclav Pilar querlegte. Der Tscheche verwandelte sicher (91.).

Wie viele Superbeine der VfL Wolfsburg hat, das hat Andries Jonker übrigens noch nicht verraten. Aber die Frage stellt sich eigentlich auch nicht. Der VfL Wolfsburg hat ja Felix Magath.

© SZ vom 27.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Südkoreaner kopiert Joachim Löw
:Trainertyp Asien-Jogi

Schwarze Hose, weißes, offen getragenes Hemd, dazu die Frisur: Der Stil von Joachim Löw kommt an. Sogar in Südkorea: Bei einem Spiel gegen den Hamburger SV tritt der Trainer von Seongnam Ilhwa Chunma mit fast dem gleichen Outfit wie der deutsche Bundestrainer auf.

In Bildern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: