Kommentar:Ein Trainer mit Zukunft und ein Team mit Zukunft gehen auseinander

Für den deutschen Fußball ist die Situation zu bedauern. Aber der harte Kern des BVB hält die Trennung am Ende eines beispiellosen Ränkespiels für die einzige Lösung.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Für gewöhnlich würde der Arzt jetzt vielleicht noch eine Schreitherapie empfehlen. Raum suchen, Tür abschließen, Fenster verkleben, Jalousien runter. Und dann: Tuchel gegen Watzke! Das Duell. Ohne Zeugen. Alles muss raus! Transferpolitik, Taktik, Terroranschlag. Ende offen, das Ergebnis ebenfalls. Und irgendwann steigt schwarz-gelber Rauch auf, sobald eine Lösung im Sinne der Rivalen gefunden ist.

Tage, Wochen könnte es dauern, bis alles besprochen wäre. Nicht nur jener "Dissens" mit dem Trainer, den Borussen-Boss Watzke aus der vielzüngigen Moderation des Bombenanschlags auf den Teambus ableitete. Außenstehenden ist es längst nicht mehr zuzumuten, diesen Zwiebel-Konflikt fair auszuloten, Scheibchen für Scheibchen all die eitlen Missverständnisse aufzuklären, die sich seit einem Jahr fast täglich um die immer gleichen Fragen drehen: Wer hat wen falsch verstanden? Wer hat wann über gesteuerte Interviews oder Hinterzimmer-Indiskretionen seine Position zu verbessern versucht? Und wer hat da überhaupt richtig zugehört?

Kurven-Populist Jürgen Klopp durfte bleiben - auch als er mit dem BVB Tabellenletzter war

Das einzig Gute aus der Sicht beider Parteien ist jetzt: Sie gehen im Erfolg auseinander, im Stile von Real Madrid. Jenes Klubs, dessen Geschäftsgebaren viele Fragen aufwirft, der aber am Pfingstsamstag erneut im Finale der Champions League steht. Und der es sich zu einer Gewohnheit gemacht hat, im Triumph den Triumphator zu entfernen. Jupp Heynckes ist in diesem Stil gleich zwei Mal verabschiedet worden: 1998 nach dem Champions-League-Sieg von Real, 2013 nach dem Triple-Gewinn vom FC Bayern. Gegen seinen vornehmen Widerstand in München übernahm dort Pep Guardiola das Traineramt.

Auch der BVB kennt solche chirurgischen Operationen am Personaltableau aus eigener Historie. Kurz nachdem Ottmar Hitzfeld mit der Borussia 1997 den Europapokal gewann, trennten sich die Wege. Beide, Heynckes wie Hitzfeld, gelten längst als Zierden ihres Berufsstandes.

Wer sich im Fußball trennt, fällt vergleichsweise sanft. Zumal dann, wenn er - wie jetzt Tuchel - mit dem Berliner Pokalsieg alle Saisonziele erreicht hat. Jürgen Klopp, Tuchels Vorgänger, hatte der BVB einst nicht mal rausgeworfen, als dieser mit seiner von ewiger Raserei ausgelaugten Erfolgs-Elf auf den letzten Tabellenplatz stürzte. Doch Klopp, der Kurven-Populist, fügte sich geschmeidiger in die Malocher-DNA des Klubs als Tuchel, dieser Nerd am Taktikbrett.

Für den deutschen Fußball ist die Situation zu bedauern. Ein Trainer mit Zukunft und ein Klub mit einem Team mit Zukunft gehen auseinander, weil der harte Kern des BVB zur Überzeugung gelangt ist, dem Trainer Tuchel diese Zukunft nicht mehr anvertrauen zu wollen. Trennung ist dann eine Lösung. Vorhang zu also am Ende eines beispiellosen Ränkespiels. Es ist für aller Nerven besser so.

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