Die Reportage zum Titelgewinn bot in diesem Jahr das ZDF. Ihr Arbeitgeber hatte Katrin Müller-Hohenstein vor einen Zaun beordert, um dem Breaking-News-Charakter gerecht zu werden. Hinter ihr, behauptete Müller-Hohenstein, das sei der Münchner Flughafen. Und durch das Gittertor, vor dem sie stehe, sei kurz zuvor der Bus des deutschen Fußball-Meisters 2017 gefahren. Die Indizien seien eindeutig, durch die Scheiben seien der Ancelotti und der Lewandowski auszumachen gewesen, beide hätten müde gewirkt.
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Bayern-Trainer Ancelotti hat jetzt Titel in fünf verschiedenen Ländern gewonnen - man kann seine Bilanz aber durchaus unterschiedlich bewerten.
Sie hat das tapfer und munter vorgetragen, diese Außenreportage aus dem von Scheinwerfern erleuchteten großen Nichts. Besondere Erwähnung fand, dass es ein einziger Fan des FC Bayern gewesen sei, der zum Flughafen und so zu ihr gefunden habe. Aber dieser Fan war, als die einsame Müller-Hohenstein im rasend aktuellen Sportstudio zugeschaltet wurde, auch schon nicht mehr dort.
So ein echter Fan gehört ja auch nicht an den Flughafen, sondern ins Stadion. Zum Beispiel nach Wolfsburg, wo die Bayern am Tag des Titelgewinns gleich wieder ein Signal setzten und mit einem 6:0-Sieg andeuteten, dass ihre Krise womöglich doch nicht so erschütternd ausfällt, wie ihnen das gerade angedichtet wird. Passend dazu stieg die Chefetage bereits wieder in eine Luxusdebatte ein. Während Präsident Hoeneß meinte, so eine Meisterschale allein sei auf die Dauer "für uns" ein bisschen wenig, erinnerte ihn Kollege Rummenigge an jene harte Zeit, als beide noch selbst die kurzen roten Hosen trugen. Die Spätgeborenen werden es kaum glauben: Aber es gab sie ja wirklich, jene Phase, in der die Bayern nicht einmal Blech gewannen. In der Klubs wie Gladbach, Köln und sogar der HSV Meister werden konnten.
Wer aber jetzt die alten Schallplatten rauskramt, um mit Bob Dylan samt Mundharmonika ("The Times They Are A-changin'") und ein paar Teelichtern eine Wende im deutschen Fußball herauf zu beschwören, der sei vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Nur weil in der Champions League im Viertelfinale (Madrid) und im Pokal im Halbfinale (Dortmund) Schluss war, ändert sich hierzulande fundamental noch lange nichts.
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Im Gegenteil, der Blick in die Glaskugel prophezeit, dass dem fünften auch der sechste Titel in Serie folgen dürfte und dem 27. Titel des Rekordmeisters die Nummer 28. Ist doch der Blick zurück ins Feld potenzieller Verfolger eher ernüchternd: Jüngst noch ambitionierte Vereine wie Schalke, Wolfsburg, Leverkusen haben sich abgekoppelt. Emporkömmlinge wie Leipzig und Hoffenheim müssen nächste Saison erst lernen, im Champions-League-Rhythmus zu bestehen. Und Borussia Dortmund hat zwar ein sehr spannendes Personal-Tableau, aber bei aktuell 16 Punkten Rückstand ist dieses längst noch nicht sortiert.
Wenn sich der Dampf gelegt hat, wenn der FC Bayern in Klausur geht, wird er sich wohl nur am Rande mit der Lage der heimischen Liga beschäftigen. Stattdessen wird man sich fragen, was alles fehlt, um Real Madrid zu schlagen. Sie werden Trainer Carlo Ancelotti auffordern, die Zügel doch bitte enger zu ziehen und ihm zwei, drei Profis dazukaufen. Aber natürlich werden sie darauf verzichten, Katrin Müller-Hohenstein schon heute darauf hinzuweisen, wann im nächsten Jahr der Flieger kommt.