Hoffenheim und Leipzig in der Bundesliga:Es ist schwer, die Plastikklubs doof zu finden

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Auch ein interessanter Mann. Hoffenheims Sandro Wagner. (Foto: AP)

Mit gutem und klar definiertem Fußball halten Hoffenheim und Leipzig die Bundesliga spannend. So machen sie es ihren Kritikern schwer.

Kommentar von Christof Kneer

Es gab mal eine Zeit, da hat Ralf Rangnick insgeheim auf einen Anruf des FC Bayern gewartet. In München trainierten in fröhlichem Wechsel die älteren Herren Hitzfeld und Heynckes, und er, Rangnick, galt als der letzte Schrei auf der Trainerbank - wäre das also nicht wahnsinnig selbstverständlich, wenn die Bayern in ihrer bewährten Manier sofort den angesagtesten Mann vom Markt kaufen würden?

Es war dann doch nicht selbstverständlich. Rangnick war den Münchner von Anfang an ein bisschen zu forsch, ein wenig oberlehrerhaft fanden sie ihn auch, und die bayerische Hauskultur ist ohnehin eher konservativ geprägt: A Guader kann da nur einer sein, der als Spieler selber in Mailand und Madrid gekickt hat und eher nicht in Lippoldsweiler, Backnang oder Ulm. Und auch die zweite Anforderung der Münchner Hauskultur konnte Rangnick nicht erfüllen: Einen richtig großen Titel hat er als Trainer nie gewonnen, was allerdings auch daran lag, dass diese Titel meistens schon vom FC Bayern vom Markt genommen worden waren.

Ganze Gelenkbusse voller Experten

Es dürfte Rangnick - auch wenn er das nie öffentlich sagen würde - eine gewisse Genugtuung bereiten, dass er den FC Bayern nun doppelt ärgert. Rangnick hat jene beide Mannschaften erfunden, die den Münchnern in der Tabelle bedrohlich nahe gekommen sind: Die TSG Hoffenheim, die gerade ein durchaus beeindruckendes 1:1 in München erstritten hat, hat er als Trainer über viele Jahre ebenso beeinflusst, wie er das nun als Sportchef mit RB Leipzig tut. Beide Standorte hat er mit seinem speziellen Pressing-Fußball und seinem manischen Ehrgeiz ebenso geprägt wie mit todschicken neuen Trainingsmethoden und ganzen Gelenkbussen voller Experten für jede nur denkbare Fachrichtung. Allerdings hat er seine Patente nur unter Zuhilfenahme unzähliger und ungezählter Millionen auf den Markt bringen können, es waren die Millionen von Gönnern, die, anders als ihre Millionen, sehr präzise zu zählen sind. Dietmar Hopp und Dietrich Mateschitz sind genau zwei.

Noch ist die Saison nicht alt genug, um schon einen glaubwürdigen Eindruck von den aktuellen Machtverhältnissen zu vermitteln, aber im Moment sieht die Tabelle genau so aus, wie das unzählige und ungezählte Traditionalisten im Land seit geraumer Zeit befürchten. Während Traditionsklubs wie der VfB Stuttgart und der Hamburger SV inzwischen in der zweiten Liga spielen (okay, der HSV hat noch eine kleine Chance auf den Klassenerhalt), stehen auf den Champions-League-Plätze zwei Mannschaften, von denen eine aus Sinsheim kommt und in der Einzel-Abo-Wertung im Pay TV keinen Champions-League-Platz belegt. Die andere Mannschaft kommt zwar immerhin aus der sehr lobenswerten Großstadt Leipzig, in der sehr viele potenzielle und auch echte Zuschauer wohnen - aber diese Mannschaft könnte halt genauso gut aus Essen oder Backnang kommen, wenn Dietrich Mateschitz bei seiner Standortwahl anders entschieden hätte.

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Leipzig und Hoffenheim spielen klar definierten Fußball

Man darf den sogenannten Plastikklubs inzwischen zugutehalten, dass sie es ihren Kritikern zunehmend schwerer machen, sie doof oder gar verachtenswert zu finden. Zwar darf man ihre Millionen weiter für Wettbewerbsverzerrung halten, weil diese Millionen Fehler erlauben, die andere Klubs an den Rand des Ruins treiben könnten - aber Fehler machen sie in Hoffenheim und Leipzig im Moment halt nicht sehr viele. Beide Teams spielen - anders als der aktuelle FC Bayern übrigens - einen klar definierten Fußball, sie holen mit ihren Millionen sehr interessante Spieler, und sie beschäftigen Trainer, die die Seitenlinien der Republik bereichern.

Zum Schluss noch ein kleiner Veranstaltungstipp: Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember, empfängt der FC Bayern in der heimischen Arena die Mannschaft des Sportchefs Ralf Rangnick.

© SZ vom 06.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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