Köln kriselt, Ståle Solbakken bleibt:"Ein bisschen Wild-West"

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Ohne Führung und ohne Punkte, dafür mit einem Bekenntnis zu Trainer Ståle Solbakken - der 1. FC Köln taumelt nach dem 1:2 beim FC Augsburg dem Abstieg entgegen. Während die Fans noch in der Nacht nach dem Spiel ihrem Ärger Luft machen, verspricht der Vorstand nach einer ausgiebigen Stunksitzung drastische Veränderungen im Teamgefüge.

Philipp Selldorf und Kathrin Steinbichler

Die Nachricht von Stale Solbakkens Entlassung war schon über die einschlägigen Kanäle im Netz verbreitet worden, als am Sonntagnachmittag um halb fünf Claus Horstmann, der Geschäftsführer des 1. FC Köln, auf die Trainingswiese am Geißbockheim trat. Hier hatte man ihm mitten in der schönen Frühlingssonne einen Standplatz eingerichtet, damit ihn die vielen Kameras ins Bild nehmen konnten, wenn er sein Statement abgab.

Er bleibt also doch: Ståle Solbakken ist weiterhin Trainer des 1. FC Köln. (Foto: dapd)

Alle warteten nur noch auf die Bestätigung des nächsten Trainerrauswurfs, der die quasi unvermeidliche Entscheidung nach der furchterregenden 1:2-Niederlage der Kölner tags zuvor in Augsburg zu sein schien. Im Hintergrund johlten ein paar aufgebrachte FC-Fans, einer rief: "Horstmann raus". Der Funktionär bemerkte amüsiert: "Ich bin doch draußen."

Bevor er zur Sache kam, schilderte Horstmann die Vorgeschichte vom Sonntag. Er verwies auf die Gespräche mit Solbakken, mit einem halben Dutzend Spielern wie Lukas Podolski, Sascha Riether und Kevin McKenna, mit Nachwuchschef Stefan Engels und dem ehemaligen Cheftrainer Frank Schaefer, der jetzt im Hintergrund der Profiabteilung arbeitet. Dann sagte er: "Im Fazit habe ich der Gesellschafterversammlung empfohlen: Stale Solbakken bleibt Trainer des 1. FC Köln." Später präzisierte er, dass die Herren in dem zuständigen Gremium - die meisten von ihnen Führungskräfte in örtlichen Großunternehmen - seiner Empfehlung gefolgt seien.

Diese Überraschung ist den Kölnern wirklich gelungen. Alle Zeichen der vergangenen 24 Stunden hatten darauf gedeutet, dass der Norweger seinen Job in Köln verlieren und der Klub das letzte Notmittel zum Klassenerhalt ergreifen würde, stattdessen geht er mit einer - wenn auch etwas diffusen - Vertrauenserklärung in den Schlussspurt der Saison. Ihm kommt zur Hilfe, dass es, zumal nach dem Rauswurf von Sportchef Volker Finke, keinen kompetenten Gegenkandidaten im Klub gibt.

"Wir sind der festen Überzeugung, dass nicht der Trainer das Problem ist, sondern dass die Mannschaft die Kraft und die Möglichkeit hat, den Abstiegskampf anzunehmen und sich zu rehabilitieren", sagte Horstmann. Außerdem kündigte er "radikale Änderungen im Umfeld der Mannschaft und bei der Trainingsvorbereitung" an. Was damit gemeint ist, sagte er nicht, dies sei Sache des Trainers. Solbakken plant aber wohl, den einen oder anderen Spieler, den er bisher eingesetzt hat, nicht mehr zu berücksichtigen.

Einen Vorgeschmack auf die neuen rauen Zeiten haben die Spieler bereits in Augsburg erhalten, im Bus brüllte Horstmann die Profis lautstark an. Dass das publik wurde, störte ihn nicht, schon im TV-Interview hatte er gesagt: "Ich kann das Gelaber der Spieler nicht mehr hören. Sie hatten heute die Möglichkeit, 90 Minuten auf dem Platz zu zeigen, dass sie alles tun, hier einen Punkt oder mehr zu holen. Aber das habe ich von überhaupt keinem Spieler gesehen, nur Michael Rensing hat ein paar hervorragende Paraden gezeigt. Ansonsten war das ein Totalausfall der gesamten Mannschaft."

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Solbakken übernahm zwar die Verantwortung für das Desaster, ging aber ebenfalls auf Distanz: "Für mich war diese Leistung heute nicht akzeptabel." Seinem ungewissen Schicksal begegnete der nie um einen Scherz verlegene Norweger mit Galgenhumor.

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Als auf der Pressekonferenz in Augsburg sein Handy klingelte, sah der Trainer drauf, stellte es ruhig und sagte: "Das ist meine Frau. Die fragt, ob ich noch eine Arbeit habe morgen." Am Sonntagvormittag erschien er pünktlich zum Training, danach taxierte er vor den Reportern seine Chancen auf ein Bleiben in Köln auf 50 zu 50.

Nach dem Eindruck des Auftritts in Augsburg wirkte diese Einschätzung sehr optimistisch. Vom Anpfiff weg war im Kölner Spiel nichts zu sehen von den klassischen Tugenden, die im Abstiegskampf gefordert wird. "Ein bisschen Wild-West" nannte Solbakken das, was seine Fußballer auf dem Rasen versucht hatten: Hektisch, plan- und regellos, die einzige Hoffnung schien darin zu bestehen, dass irgendwann ihr Kunstschütze Lukas Podolski für Erleichterung sorgen möge.

Doch darauf hat Podolski schon lange keine Lust mehr: "Wir kämpfen nicht, wir haben keine Torchancen: Wir spielen keinen Fußball", kritisierte der Nationalspieler, der mit seinem zwischenzeitlichen 1:1 per Strafstoß nur kurz für Hoffnung gesorgt hatte; die Augsburger, die diesmal nicht nur kämpften, sondern mangels Gegenwehr guten Fußball spielten, gingen durch Nando Rafaels Elfmeter gleich wieder in Führung.

In der zweiten Halbzeit verhinderte bloß Torhüter Michael Rensing ein angemessenes Ergebnis. Rensing war beeindruckt: "Sie haben gekämpft um jeden Meter, um jeden Ball, haben sich als Einheit präsentiert und Leidenschaft gezeigt, haben teilweise auch ein gutes Spiel gemacht" - er sprach vom Gegner.

"Ich weiß nicht, was noch passieren muss, damit sich etwas ändert", stellte Rensing resignierend fest. Als Erstes passierte das Überraschende: nichts.

© SZ vom 02.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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