José Mourinho bei Real Madrid:Zeit für die letzten Abrechnungen

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Keine Lust mehr auf Real Madrid? Coach José Mourinho.

(Foto: AFP)

Zuletzt degradierte José Mourinho sogar Torwart-Ikone Iker Casillas. War die ganze Aktion nur ein Scheidungsbeschleuniger? Es scheint, als würde der Coach mit Macht seinen Abschied von den Real Madrid provozieren. Doch die "Königlichen" zögern - denn es geht um viele Millionen Euro Abfindung.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Kein Monument ist ihm zu groß, keine Legende heilig. Im turbulenten Scheidungsprozess zwischen José Mourinho und Real Madrid führt der portugiesische Trainer noch einmal alle vor: den Verein, den Präsidenten, die wandelnden Ikonen des Madridismo.

Zuletzt hat es nun Iker Casillas getroffen, den 31-jährigen Torhüter und Kapitän Reals, der kürzlich zum besten spanischen Keeper der Historie gewählt worden war mit seinen 143 Länderspielen und seinen WM- und EM-Titeln. Im Spiel in Málaga wies ihm Mourinho am Samstag die Ersatzbank zu und berief die blasse Nummer zwei, Antonio Adán - aus technischen Gründen, wie er sagte, Adán sei nun mal besser, was die Sache nur noch schlimmer machte. Er hätte Casillas auch eine kleine Verletzung andichten können, etwas mit den Adduktoren oder so. Doch es ging ihm ja gerade um die Demontage des Idols.

Der Coup misslang. Real verlor 2:3 und liegt nun schon 16 Punkte hinter dem FC Barcelona. Eine Schmach - wahrscheinlich das Ende aller Titelträume, Zeit für letzte Abrechnungen. Die Madrider Zeitung Marca schreibt mit gewohnt übertriebener Dramatik: "Der Trainer will töten, bevor er stirbt." Bei einer Schnellumfrage der Zeitung AS kurz nach dem Spiel sagten 93 Prozent der 29 000 Teilnehmer, "Mou" dränge mit diesem jüngsten Affront nur darauf, dass man ihn bald rauswerfe.

Würden sich die Madrilenen schon im Januar von ihm trennen, müssten sie ihm 20 Millionen Euro Abfindung bezahlen. So steht es im Vertrag, der bis 2016 läuft. Wartet der Verein noch bis Juni, wären es nur fünf Millionen. Offenbar liegt ein feudal ausgestattetes Angebot von Paris Saint-Germain und dessen Besitzern aus Katar vor.

Und so fragt man sich in Spanien, ob die Degradierung Casillas als Scheidungsbeschleuniger dienen soll. Die beiden haben sich noch nie gut verstanden. Einmal sagte Mourinho vor laufenden Aufnahmegeräten: "Ob jetzt Casillas im Tor steht oder ich - das macht keinen großen Unterschied."

Perez' Versuche

Nun ist es tatsächlich so, dass Casillas schon sicherer wirkte in seiner Karriere. Doch seine Unsicherheit ist nur eine von vielen Spiegelungen der desolaten Verfassung Reals. Man merkt dem Ensemble der berühmten Namen an, dass es ohne strategische Linie spielt, fast ohne Konzept. Da blitzt immer mal wieder die Klasse Ronaldos oder Özils oder Di Marías auf. Da rollt das Spiel mal eine Halbzeit lang recht hübsch, fallen Tore nach schnellen Kombinationen. Doch vieles davon scheint zufällig zu passieren. In den bisher 17 Spielen der Meisterschaft verlor Real 18 Punkte: Das sind bereits vier Punkte mehr als in der gesamten letzten Saison.

Mourinho, so heißt es, erreicht seine Spieler nicht mehr. Allzu oft stellt er sie in der Öffentlichkeit bloß, wirft ihnen vor, nicht engagiert genug aufzutreten, schiebt alle Verantwortung von sich weg. Außerdem soll er die Garderobe in Lager aufgeteilt, seine Spieler auseinander dividiert haben. Er mag diese psychologischen Spielchen, dieses ständige Zündeln und Sticheln. Aus Harmonie macht er sich nichts. Da mag der Chef, Vereinspräsident Florentino Pérez, auch noch so sehr darum bemüht sein: "Spannungen sind nie positiv", sagte der in seinen Weihnachtswünschen und bestätigte sein Vertrauen in den "besten Trainer der Welt". Die Lobhudelei hörte sich schon sehr rituell an.

Vielleicht versucht Pérez ja, das Tempo aus dem Scheidungsprozess zu nehmen: 20 Millionen Euro - das ist auch für ihn viel Geld. Der Titel in der spanischen Liga ist wohl ohnehin schon verloren. Bleibt die Champions League, und auch die entwickelt sich nach der Zulosung von Manchester United fürs Achtelfinale zu einem potenziell traumatischen Wettbewerb.

Es fragt sich nur, wie lange die Madridistas, die Fans, Mourinhos barocken Protagonismus noch ertragen mögen. Marca schreibt, "Mou" sei sich Reals "Grandeza" nicht genügend bewusst, er achte Legenden und Geschichte zu wenig. Und das geht natürlich gar nicht.

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