Javier Martínez:Mal Hirn, mal Muskel

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Großes Spiel, große Emotionen: Bayern-Spieler Javier Martinez (Foto: Bongarts/Getty Images)

In dem ganzen Trubel um Arjen Robben geht fast unter, dass einem anderen Bayern-Spieler im Pokalfinale ein ebenso herausragendes Spiel gelingt. Auf den zweiten Blick. Javier Martínez bringt Struktur und Harmonie ins Spiel - und zeigt, warum er in der neuen Saison zu einem wichtigen Spieler bei Guardiola werden kann.

Von Johannes Knuth, Berlin

Der Fußballspieler Javier Martínez ist nicht gerade für große Botschaften bekannt. Insofern war die historische Einordnung, die der 25-Jährige am Samstagabend in die Welt setzte, durchaus bemerkenswert. Martínez sagte: "Zwei Titel in einem Jahr sind wunderbar. Wir schreiben weiter Geschichte."

Die Geschichte dieses DFB-Pokalfinals zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund (2:0 nach Verlängerung), das war auch die Geschichte des Javier Martínez. Einmal wegen des Spiels an sich. Dann war da noch die Vorgeschichte zu diesem außergewöhnlichen Auftritt des 25-Jährigen.

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Martínez hatte in der Vorsaison beim FC Bayern angeheuert. Sein alter Klub Athletic Bilbao forderte die irrwitzige Summe von 40 Millionen Euro, ein Betrag, der Martínez fortan anhaftete wie ein imaginäres Preisschild. Je älter die Saison wurde, desto weniger redeten die Leute über die Ablöse. Sie staunten, wie dieser 1,90 Meter große Fels Abwehr und Angriff harmonisierte, als stämmiger Sechser. Die Bayern gewannen die Meisterschaft, die Champions League, den DFB-Pokal.

Dann begann die neue Saison, und mit ihr begannen die Verletzungssorgen. Martínez schmerzten Knie und Leiste. Im vergangenen September wurde er operiert, er hatte ein paar Kurzauftritte, dann fehlte er meistens. Guardiola misstraute offenbar dem Fitnesszustand seines Patienten, er baute ihn selten in seine Stammformation ein.

Hinzu kam die Personallage im Münchner Kader. Das deutsche Publikum hatte Martínez unter dem ehemaligen Trainer Jupp Heynckes als Mittelfeldspieler kennengelernt. Als Sechser im Mittelfeld forderte der Trainer aber einen gewissen Thiago ein, sonst nix. Für Martínez, das hatte Guardiola nach seiner Ankunft immer mal wieder angedeutet, hatte er eine Bestimmung auserkoren: den Innenverteidiger. Dort hatte Martinez schon in Bilbao oft gearbeitet. Dort werkelten in München aber Dante und Jérôme Boateng.

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Bis zum Pokalfinale am Samstag.

Gegen die konterstarken Dortmunder formte Guardiola eine Dreierreihe. In der Innenverteidigung wurde eine weitere Planstelle frei. Dort stellte Martinez seine gesamte Kunst aus. Mal räumte er hinter den Innenverteidigern auf, als Vierer. Mal brach er aus dem Dreierriegel aus, störte das Dortmunder Umschaltspiel im defensiven Mittelfeld, als Sechser. Dann eröffnete er einen Gegenangriff seiner Mannschaft mit einem gefühlvollen Zuspiel, wie ein Achter. Mal war er Muskel, mal war er Hirn.

Neben Martínez blühte auch Toni Kroos wieder auf. Kroos war zuletzt ja mangelhafte Defensivarbeit nachgesagt worden, am Samstag rannte, grätschte, foulte (!) er, es war das wohl leidenschaftlichste Spiel des 24-Jährigen im Dress der Bayern. Während Martínez und Kroos das Dortmunder Konterspiel penetrierten, kamen Erinnerungen hoch: Wie war das noch mal mit den Bayern, Real Madrid und den Kontern?

Nun, Martínez gegen Madrid, das bleibt ein Gedankenspiel. Auch vor dem Hintergrund, dass sich der 25-Jährige damals womöglich nicht vollständig von seiner schmerzenden Leiste erholt hatte. Statistisch verhält es sich jedenfalls so: Spielt Martínez von Beginn an, hat der FC Bayern in zwei Spielzeiten bisher nur drei Mal ein Pflichtspiel verloren: gegen den FC Arsenal, den FC Augsburg und Borussia Dortmund.

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Der 25-Jährige könnte jetzt mehr Einsatzminuten fordern, aber das kommt Martínez gar nicht in den Sinn. So dominant wie er auf dem Feld auftritt, so schüchtern gibt er sich daneben. Er redet ungern, weil sein Deutsch noch immer wackelig ist. Und wegen seiner Zurückhaltung. Im vergangenen November umschrieb er seine Arbeitseinstellung so: "Wenn der Trainer sagt, ich soll im Mittelfeld spielen, spiele ich im Mittelfeld. Wenn ich in die Verteidigung soll, spiele ich Innenverteidiger."

So gesehen ermöglichte das Pokalfinale einen Blick in Martínez' Zukunft beim FC Bayern. Der 25-Jährige dürfte trotz manch gegenteiliger Wahrnehmung eine große Rolle für Guardiola spielen - nur eben nicht im Mittelfeld, sondern in der Verteidigung. Dort kann er seine Triple-Fähigkeiten deckungsgleich einbringen. Der Innenverteidiger ist im modernen Fußball ja oft der erste Spielmacher. Es gibt nicht viele Innenverteidiger, die Pässe wie Martinez vortragen. Ein gesunder Martinez ist also durchaus eine Alternative zu Boateng und Dante. Oder gar erste Wahl in einer Dreierkette, die Guardiola zukünftig häufiger einsetzen könnte.

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Und dann will Javi Martínez die Geschichte des FC Bayern sicherlich noch eine Weile weiterschreiben.

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