Bayern-Sieg im DFB-Pokal:Wellness fürs angekratzte Gemüt

FC Bayern gewinnt DFB-Pokalfinale

Nachdem sie sich alle unfallfrei zur Pokalübergabe die Treppen hochgekämpft hatten: Die FC-Bayern-Spieler jubeln.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

"Jetzt könnt ihr uns wieder hochschreiben": Nach Ballbesitz-Debatte und holpriger Vorbereitung ist die Erleichterung beim FC Bayern über den Sieg im DFB-Pokalfinale groß. Die Spieler feiern ausgelassen, allein ihr Trainer zieht ein kritisches Saisonfazit.

Von Johannes Knuth, Berlin

Zur Pokalübergabe war Tomas Müller wieder fit. Halbwegs. Er musste jetzt noch diese verdammten Treppen hoch, hoch auf die Empore, wo Bundespräsident Joachim Gauck mit dem Lohn für die Schinderei wartete. Also humpelte Müller los. Es war, als schleppe sich da gerade eine Ü70-Mannschaft zur Siegerehrung, nicht der FC Bayern, der das 71. DFB-Pokalfinale soeben nach einem mehr als zweistündigen Kampf gegen Borussia Dortmund für sich entschieden hatte. Am Ende schafften es alle Bayern-Spieler unfallfrei zur Pokalübergabe, und als sie ebenso unfallfrei das Podest wieder verlassen hatten, sagte Müller: "Unsere Saison hing schon a bisserl von diesem Spiel ab."

Der FC Bayern hat seine Saison am Samstagabend also schon a bisserl gerettet, dank dieses 2:0 nach Verlängerung gegen ebenbürtige Borussen. Da war zum einen die nationale Einjahreswertung, die der FC Bayern mit der Meisterschaft und nun dem Pokal für sich entschieden hat. Zum anderen taten sämtliche Führungskräfte kund, wie sehr ihnen die Kritik nach dem Halbfinal-Aus in der Champions League gegen Real Madrid auf den Magen geschlagen hätte, wie groß nun die Genugtuung war.

Arjen Robben sagte: "Ein bisschen Kritik, bla, und da..." Kapitän Philipp Lahm präzisierte: "Ein Dreivierteljahr wirst du hochgelobt, und dann wird plötzlich alles infrage gestellt. Das war mir zu viel. Heute haben wir es allen gezeigt." Und Thomas Müller, der zuletzt gerne mal mies gelaunt durch die Pressezone gestapft war, sagte entspannt: "Jetzt könnt ihr uns wieder hochschreiben."

Es war schon a bisserl eine Wellnesskur für das angekratzte Gemüt, die der FC Bayern durchlebte, nach den zuletzt trockenen Auftritten in der Liga und dem Kater nach dem Champions-League-Aus. Torwart Manuel Neuer hüpfte über den Platz wie ein Schulbub am ersten Tag der Sommerferien. Rafinha und Jérôme Boateng studierten die Choreografie für die nächtlichen Feierlichkeiten ein. Javi Martínez bewies sein taktisches Geschick, verwickelte Trainer Pep Guardiola in einen Plausch, Dante näherte sich aus dem Hinterhalt, vollzog die unvermeidliche Bierdusche. Man hatte das Gefühl: So gehemmt sie ihre vorzeitige März-Meisterschaft in Berlin zelebriert hatten, so genüsslich kosteten sie auch diesen Erfolg diesmal aus.

Der Weg dorthin war zuletzt ja schon a bisserl beschwerlich gewesen. Einer nach dem anderen hatte sich von der Arbeit entschuldigt, Thiago, Schweinsteiger, Alaba. Wieder andere wurden vom Trainer entschuldigt. Nun schickte Guardiola ein - gemessen an Münchner Maßstäben - letztes Aufgebot ins Rennen: mit dem 18 Jahre alte Pierre Emil Hojbjerg auf links, mit einem gefühlt zu 23 Prozent fitten Franck Ribéry, der früh den maladen Lahm ersetzte. Als in der zweiten Hälfte auch die Nationalspieler Kroos und Neuer beim Mannschaftsarzt vorsprachen (um später weitgehend Entwarnung zu geben), musste man sich mit Blick auf die nahende Weltmeisterschaft kurzzeitig fragen, ob der Bundestrainer demnächst vielleicht doch Marcell Jansen, Heiko Westermann und Zoltan Sebescen nachnominieren muss.

"Wir sind gelaufen, gegrätscht, gekämpft"

Guardiola reagierte auf die Personalnot mit einem unerhörten Manöver. Er wich von seinem Ballbesitzdogma ab, installierte eine Dreierkette, ein tiefstehendes 3-4-2-1, das sich ab und zu in ein 5-2-3-1 verwandelte. Dass die List klappte, war vor allem einem Spieler geschuldet: Javier Martínez.

Verloren die Bayern im Mittelfeld den Ball, löste sich einer aus der Dreierkette - meist war es der Spanier - und eilte an die Gefahrenstelle, meist ins defensive Mittelfeld. Dort stieg Martínez zuverlässig Lewandowski oder Reus auf die Füße, er würgte das ab, was die Bayern am meisten fürchteten: Dortmunder Konter. Das war Guardiolas größte Heldentat an der Taktiktafel an diesem Abend: Er verzichtete auf seinen ureigenen Stil, aber zwängte dem BVB dennoch sein Spiel auf.

Während die Borussia mit jeder erfolglosen Aktion etwas mehr grübelte, wurde Bayern etwas stärker. "Jeder hat für jeden gekämpft", sagte Boateng, und Arjen Robben philosophierte: "Wir sind gelaufen, gegrätscht, gekämpft, gelaufen. Und manchmal haben wir guten Fußball gespielt."

Natürlich war die Aufregung groß gewesen um das vermeintliche Tor der Dortmunder, das Schiedsrichter Florian Meyer nicht gewertet hatte. Aber sonst? Dortmund kam kaum zu Chancen, Bayern nutzte seine wenigen dank Robben (107.) und Müller (120.). Letzterer sagte diplomatisch: "Der BVB hätte es genauso verdient gehabt." Allzu große Verstimmungen muss man offenbar nicht fürchten, wenn beide Lager ab dem kommenden Mittwoch mit der Nationalmannschaft die WM-Vorbereitungen aufnehmen. Vorstand Karl-Heinz Rummenigge setzte nach der zuletzt proklamierten "Eiszeit" gar eine Friedensbotschaft ab: "Wir haben großen Respekt vor Borussia Dortmund. Die haben eine tolle Entwicklung, das war ein toller Kampf. Das hat dem deutschen Fußball gut zu Gesicht gestanden."

Pep Guardiola richtete noch ein paar Worte an seine Spieler. Er müsse der Mannschaft seine Glückwünsche ausrichten, sagte der 43-Jährige, er klang dabei so euphorisiert, als habe er gerade den Audi-Cup gewonnen. Dann sinnierte er: "Ich habe die Mannschaft noch immer nicht so gestaltet, wie ich sie gerne hätte. Ich werde mit der Klubführung darüber sprechen." Seine Spieler planten kurzfristiger, Robben sagte: "Letztes Mal war ich in Berlin nach der Feier sofort wieder beim Frühstück. Mal gucken, ob ich das wieder schaffe."

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