Italienischer Fußball:Donnarumma kratzt am Monument Buffon

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Ein Torwart für die Zukunft: Seit Gianluigi Donnarumma Ende Oktober 2015 mit 16 Jahren und acht Monaten erstmals ins Tor des AC Mailand kommandiert wurde, hat er sich schnell einen Stammplatz erobert. (Foto: dpa)

Italiens neuer Nationaltrainer hat ein sehr altes Team - aber immerhin einen Torwart im Welpenalter: An diesem Abend debütiert mit Gianluigi Donnarumma der jüngste Nationalspieler seit 105 Jahren.

Von Birgit Schönau, Rom

Mit 17 darf man in Italien noch nicht Auto fahren, noch keine Wohnung mieten und in der Kneipe noch kein Bier trinken. Man darf auch noch nicht wählen, aber man kann durchaus Stellvertreter eines gewissen Gianluigi Buffon werden, als jüngster Nationalspieler seit 105 Jahren. Anno 1910 spielte ein gewisser Rodolfo Gavinelli im zarten Alter von 16 Jahren und drei Monaten für Italien, damals trugen die Azzurri noch weiße Trikots.

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Am Donnerstag könnte nun Gianluigi Donnarumma beim Testspiel gegen Frankreich seinen Einstand als Nationaltorwart geben, mit 17 Jahren und sechs Monaten. Seit ein paar Tagen trainiert der kleine Gigio mit dem großen Gigi, den der Jüngere übrigens um fünf Zentimeter überragt: Donnarumma, der Lulatsch mit dem Namen einer Lawine, ist 196 Zentimeter lang, Buffon misst nur 191 Zentimeter. Seine Fußstapfen sind indes riesig: Der 38-jährige Kapitän Buffon, Vater dreier Söhne, ist Weltmeister von 2006 und mit 161 Einsätzen Rekordnationalspieler. Ein Monument.

Buffon überstrahlt zwei italienische Torwartgenerationen, Donnarumma gehört die Zukunft. Seit er Ende Oktober 2015 mit 16 Jahren und acht Monaten erstmals ins Tor des AC Mailand kommandiert wurde, hat er sich schnell einen Stammplatz erobert. Am Samstag absolvierte der jüngste Keeper der Liga bereits seinen 31. Einsatz und erwies sich bei Milans 2:4 beim SSC Neapel als bester Spieler seines Teams.

Während Milan mit fliegenden Fahnen unterging, verhinderte Donnarumma noch Schlimmeres. Längst hat er sich bei seinen Gegenspielern Respekt verschafft - beim Ligaauftakt gegen den FC Turin parierte er einen Elfmeter. An dem selbstbewusst wortkargen Süditaliener aus Castellammare di Stabia hängen die Hoffnungen einer ganzen Nation, verspricht Donnarumma doch, dass die glorreiche italienische Torhüterschule noch nicht ganz am Ende ist.

Donnarumma wird von einem Chauffeur ins Milan-Trainingslager gebracht und wohnt im Internat der Jugendmannschaft. Hege und Pflege für eine große Begabung, die Giampiero Ventura sicher am 1. September auf die internationale Bühne heben wird, und sei es nur für ein paar Minuten. Mit der Berufung des Riesenbabys will der neue Nationaltrainer zeigen, dass er auf die Jugend setzen will, perspektivisch jedenfalls.

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Dabei ist Ventura mit 68 selbst schon im Pensionsalter, er könnte nicht nur der Vater des Oldies Buffon sein, sondern auch der seines 47-jährigen Amtsvorgängers Antonio Conte. Der war bei der EM mit der ältesten Turniermannschaft aufgetreten. Nach einem jungen Trainer mit alten Spielern hat also Italien jetzt einen alten Trainer mit ziemlich alten Spielern. Ein Donnarumma macht halt noch keinen Frühling, auch wenn Mittelfeldspieler Marco Verratti mit seinen 23 Jahren den Durchschnitt zusätzlich senkt.

Conte hatte es vollbracht, Italien wieder für seine Nationalmannschaft zu begeistern, mit taktisch klugem und pathetisch inszeniertem Kollektivfußball. Der charismatische Coach hatte zuvor drei Meistertitel mit Juventus Turin geholt, derzeit steht Conte mit dem FC Chelsea in England an der Spitze. Ventura wurde als Verlegenheitslösung in das einst so prestigeträchtige Amt des Commissario Tecnico gerufen - Schwergewichte wie Carlo Ancelotti und Claudio Ranieri hatten abgewunken, Letzterer ironischerweise mit dem Hinweis, er fühle sich mit 64 noch zu jung.

Der Neue hat keine große Karriere hinter sich, dafür aber Erfahrungen bei nicht weniger als 19 Klubs gesammelt, und ist als erster Nationaltrainer diplomierter Sportlehrer, wenn auch mit einem Abgangszeugnis aus den 1970er-Jahren. Dass Flexibilität nicht seine Stärke ist, beweist er schon vor dem Debüt. Er wolle ein 3-5-2-System spielen lassen, erklärte Ventura, und darin sei leider für einige Spieler kein Platz. Zum Beispiel für Flügelstürmer wie Domenico Berardi. Der 23-Jährige von US Sassuolo gilt als einer der talentiertesten Angreifer im Land, gegen Frankreich könnte er wegen einer Verletzung allerdings sowieso nicht spielen.

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Ventura hätte also diplomatisch schweigen können, stattdessen urteilte er: "Berardi passt auch mittelfristig nicht in mein System." Gleich hagelte es Kritik von Gianfranco Zola bis zum unvermeidlichen Arrigo Sacchi. Aber Ventura setzt erst einmal auf den 31-jährigen Graziano Pellè. Der hat die Nation erst mit seinen EM-Toren erobert und dann mit dem verschossenen Viertelfinal-Elfmeter gegen Deutschland düpiert, bevor er mit einem Jahreseinkommen von 15 Millionen Euro beim chinesischen FC Shandong Luneng bestverdienender italienischer Profi wurde. Jetzt bekommt Pellè eine zweite und womöglich dritte Chance gegen Frankreich und beim ersten WM-Qualifikationsspiel am Montag gegen Israel.

Denn Tore braucht Italien jetzt, die Zukunft muss warten. Immerhin kann man sie ja schon sehen, wenn Gigio Donnarumma auf der Bank sitzt.

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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