Investor bei 1860 München:49+Geld > 50+1

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Wer zahlt, bestimmt den Trainer: 1860-Investor Ismaik (re.) setzt auf Sven-Göran Eriksson.  (Foto: Bongarts/Getty Images)

Auf Druck von Geldgeber Hasan Ismaik wird Sven-Göran Eriksson neuer Trainer bei Zweitligist 1860 München. Wer nun alarmiert ist und die DFL an ihre 50+1-Beschlüsse erinnert, muss erkennen: Formal ist an diesem Deal nichts zu beanstanden. Obwohl Ismaik die Klubverantwortlichen über den Tisch gezogen hat.

Ein Kommentar von Markus Schäflein

Als Hasan Ismaik vor einer guten Woche am Münchner Flughafen landete, rauschte er erst einmal mit voller Wucht in den Porzellanladen. Mit einem ganzen Sack an Maximalforderungen und Drohungen war der jordanische Investor, dem 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile am Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München gehören, angereist - vom Stopp sämtlicher Zahlungen bis hin zur Forderung nach der Abwahl des kompletten Präsidiums des eingetragenen Vereins.

Er spielte auf der kompletten Klaviatur der Emotionen, persönliches Beleidigtsein fehlte ebenso wenig wie zünftiges Beleidigen seines Gegenspielers, des 1860-Präsidenten Dieter Schneider ("alter Mann", "Autoverkäufer", "nicht ehrlich"). All das war die rauschende Ouvertüre, um am Ende einen wohlklingenden Vorschlag zu unterbreiten, den man je nach Gusto als Kompromisspapier oder als Erpresserbrief sehen darf.

Von allen Wünschen und Drohungen rückte Ismaik bereitwillig ab, nur eine Forderung blieb: Sven-Göran Eriksson, 64, früherer englischer Nationaltrainer und zuletzt Klubcoach in Thailand, ein Freund seiner Familie, sei gefälligst in die sportliche Verantwortung einzubinden beim Giesinger Klub.

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Die Vorstellungen, was zu vernünftiger Verhandlungstaktik gehört, sind regional verschieden. Nachdem Präsidium und Aufsichtsrat des e.V., der immerhin die Mehrheit der stimmberechtigten Anteile hält, die Nacht zum Dienstag bis um drei Uhr morgens auf dem Basar in der Geschäftsstelle verbracht hatten, werden sie sich am Ende, sichtlich hundemüde, gefühlt haben wie der Tourist nach dem Teppichkauf: positiv gestimmt, einen freundlichen Kompromiss gefunden zu haben, und doch mit der unterschwelligen Gewissheit, bei der Sache immer noch über den Tisch gezogen worden zu sein.

Denn es ist ja so, auch wenn man sich bei 1860 nun beeilen wird, das Gegenteil zu behaupten: Die e.V.-Vertreter haben Eriksson lange als völlig absurdes Hirngespinst betrachtet. Ismaik beklagte ja lautstark den mangelnden Respekt, den sie seinem geplanten "Geschenk" entgegenbrachten. Dass sie nun einlenkten, wird einige Beobachter animieren, nach der Deutschen Fußball- Liga zu rufen und ihrer 50+1-Regel, die Vereine vor zu großem Einfluss von Investoren schützen und ihre Eigenständigkeit sichern soll. Sie rufen vergebens.

Formal ist nichts zu beanstanden. Die von der Delegiertenversammlung des Vereins gewählten Gremien haben das Engagement Erikssons eben einstimmig für sinnvoll befunden. Dass sie ohne Ismaiks Geld aufgrund ihres jährlichen strukturellen Defizits nicht lange hätten überleben können? Steht doch auf einem ganz anderen Blatt.

© SZ vom 16.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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