Internationaler Fußball:Schrumpfkicker rebellieren in der Europa League

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Ein buntes Dorf auf Eysturoy, Färöer. Hier schlafen Fußballriesen. (Foto: imago)

Es gibt keine Kleinen mehr! Das wissen wir spätestens seit der Fußball-EM. Ein Blick in die Qualifikation zur Europa League zeigt: Es droht die Revolution von unten.

Von Jonas Beckenkamp

Zur Erkenntnistheorie des Philosophen und Fußballriesen Hans-Hubert Vogts (Körpergröße 1,68 Meter) zählt eine Feststellung, die das Spiel nachhaltig geprägt hat: Es gibt keine Kleinen mehr. Die Beweislage für diese Lehre, zu deren Verfechtern auch der Kleinenforscher Rudolf Völler gehört, ist erdrückend. Viel hat kürzlich bei der Fußball-EM ja nicht gefehlt zum Titelgewinn der Isländer oder der Waliser. Und selbst das wackere San Marino würde sich heute, zehn Jahre später, sicher nicht mehr 0:13 von der DFB-Elf vermöbeln lassen.

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Die Provinz hat aufgerüstet. Die Bravehearts des Fußballs schwingen die Keulen, und wer hat's kommen sehen? Der Bundes-Berti, der schon damals liechtensteinische und luxemburgische Rebellionen heraufbeschwor. Das EM-Viertelfinale haben die Liechtensteiner noch knapp verpasst, aber natürlich gilt: Wehret den Anfängen! Klein ist heute allenfalls noch Grönland, das seit einigen Jahren vehement auf eine Mitgliedschaft in der Fifa drängt. Angeblich soll es in der Eisschollen-Kapitale Nuuk sogar schon begraste Fußballwiesen geben - was für die WM 2026 nur eines bedeuten kann: Grönland dürfte dort England in der Vorrunde rauskegeln.

Und auch im Klubfußball wachsen vermeintliche Schrumpfkicker plötzlich über sich hinaus. Wer sich die Ausscheidungsrunde der Quali zur Europa League zu Gemüte führt, entdeckt dort eine Fülle an gar nicht so kleinen Kleinen. Ein besonderes Schmankerl versprach in Runde eins etwa der Balkan-Thriller zwischen Budućnost Podgorica gegen Rabotnički Skopje. Montenegro gegen Mazedonien, we call it a Klassiker! Die Podgoricer setzten sich knapp durch - natürlich unbeeindruckt von den Avancen der Wettmafia. Nächster Gegner: Die belgischen Riesen aus Genk. Mehr als 1000 Kilometer landeinwärts versagten den Georgiern von Dila Gori im Duell mit Armeniens Macht Shirak Gjumri im Elferschießen die Nerven. 1:4. In der regulären Spielzeit hatte ein Mensch namens Vahan Bichakhchyan getroffen, steht so auf Kicker.de, muss also stimmen.

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Zur Krise des georgischen Klubfußballs passt das Aus von FK Samtredia gegen die Aserbaidschaner aus Qəbələ (das ə spricht man wie ein ä) sowie das Scheitern von Tschichura Satschchere gegen Moldawiens Serienmeister der 90er Jahre, den FC Zimbru Chișinău. Georgiens Fußball, eine Ausnahme in der kontinentalen Revolution von unten. Und natürlich darf bei einem Rundgang durch Europas aufstrebende Zwergennationen Färöer nicht fehlen. Auf den Schafsinseln war kürzlich Feiertag, als der NSÍ Runavík den weißrussischen Spitzenklub Schachzjor Salihorsk zu Gast hatte. Beim 0:2 im nordatlantischen Sturm auf der Insel Eysturoy stießen die Runavíker an ihre Grenzen - die Moral war dahin, im Rückspiel gab's fünf Stück (0:5). Weißrussland war eine Nummer zu groß.

Geschmückt wird das Tableau zudem durch Klubs wie Rovaniemen PS (Finnland), Ordabassy Schymkent (Kasachstan) oder Connah's Quay FC (Wales) - wobei Letzterem in Runde zwei gegen Vojvodina Novi Sad wohl nur ein plötzlicher Leihauftritt von Gareth Bale helfen dürfte.

All diese Mannschaften sind nach der Vogts'schen Lehre keine Kleinen. Sie sind vielmehr gefährliche, unberechenbare, unbeugsame Scheingnome, die den Großen nur allzu gerne ein Schnippchen schlagen würden. Obacht, also. Sonst droht dem FC Bayern in der Champions League bald ein ähnliches Waterloo wie Celtic Glasgow: Die Schotten verloren am Dienstagabend mit 0:1 bei Gibraltars Meister Lincoln Red Imps.

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